Auf ein Interview mit: Die Höchste Eisenbahn

Auf ein Interview mit: Die Höchste Eisenbahn

Hinter Die Höchste Eisenbahn verbirgt sich eine Deutschpop-Supergroup mit Wurzeln in Freiburg. Wir haben die beiden Songwriter Moritz Krämer und Francesco Wilking vor ihrem Konzert im Jazzhaus zum Interview getroffen und mit ihnen über ihre Erinnerungen an die Stadt, die Freiburger Kulturszene und den Einfluss ihrer Herkunft auf ihr Songwriting gesprochen.

uniFM: Ihr habt beide einen persönlichen Bezug zu Freiburg. Francesco, du stammst aus Lörrach. Moritz, du bist in Basel geboren und in Schönau im Hochschwarzwald aufgewachsen. Zeitweise habt ihr sogar beide in Freiburg gelebt. Was verbindet ihr rückblickend mit der Stadt?

Moritz: Ich habe sehr viele Erinnerungen an die Stadt, weil ich mein Abi in Freiburg gemacht habe und auch während meiner Zeit als Zivi war ich hier. Francesco habe ich damals aber noch nicht kennengelernt. Allerdings habe ich über dem Swamp gewohnt, wo er früher immer Stand-up Comedy gemacht hat…

Francesco: Quatsch! Kein Stand-up! Ich habe dort einmal monatlich unter der Reihe Swamp Poetry Geschichten vorgelesen. Trotzdem sind wir uns während dieser Zeit nie über den Weg gelaufen.

uniFM: Eure Kollegin Judith Holofernes ist mit sechs Jahren von Kreuzberg nach Freiburg gezogen und hat in einem Interview erzählt, dass sie diesen Ortswechsel geradezu als Kulturschock empfunden hat. Sie hat die Atmosphäre hier als sehr konservativ wahrgenommen. Unter anderem berichtete sie von Kindern, die sie gängelten, weil sie nicht getauft war. Habt ihr während eurer Zeit in den 90ern hier in Freiburg ähnliche Erfahrungen gemacht?

Francesco: Ich bin ja nicht aus Berlin hergezogen, sondern habe vorher in Lörrach gewohnt. Und ich war zu dem Zeitpunkt auch bereits 22 Jahre alt. Die Situation war also schon anders. Für mich war es sogar eine sehr schöne Zeit. Ich konnte viel Musik machen, habe ab und zu studiert. Die meiste Zeit habe ich allerdings im Europa Cafe herumgehangen. Gibt es das noch?

uniFM: Klar! Moritz, wie empfandest du den Umzug von Schönau nach Freiburg?

Moritz: Wahrscheinlich als noch extremer als bei Francesco, da ich aus einem kleinen Dorf im Schwarzwald hergezogen bin. Freiburg war für mich daher immer die einzige Stadt in der näheren Umgebung. Die Situation war also schon deutlich anders als bei Judith.

uniFM: Obwohl ihr sogar zur selben Zeit hier in Freiburg gelebt habt, musstet ihr erst nach Berlin ziehen, um euch kennenzulernen und zusammen Musik zu machen. Das wirkt beinahe symptomatisch. Für eine Universitätsstadt scheint die popkulturelle Szene hier doch eher unterrepräsentiert. Wie wichtig ist eine lebendige Kulturszene für euer künstlerisches Schaffen?

Francesco: Klar, man wünscht sich immer, dass man auf Zuspruch stößt, an dem Ort, an dem man lebt. Ich würde aber nicht sagen, dass in Freiburg keine Kulturszene existiert. Wahrscheinlich ähnelt sie aber tatsächlich dem, was Dirk von Lowtzow in dem Tocotronic-Song “Freiburg” beschreibt.

uniFM: Mittlerweile wohnt ihr beide in Berlin. Trotzdem habe ich beim Hören eurer Alben immer das Gefühl, dass die Stimmung, die in den Texten herrscht, von einer Melancholie getragen wird, wie sie so nur auf dem Land existiert. Wie viel Einfluss hat eure ländliche Sozialisation immer noch auf das Songwriting von Die Höchste Eisenbahn?

Moritz: Ich muss dabei gerade an eine gute Freundin denken. Sie stammt aus Frankfurt an der Oder und hat kürzlich meine Eltern auf dem Dorf besucht, in dem ich aufgewachsen bin. Als sie da oben im Schwarzwald war und das Haus gesehen hat, meinte sie, dass ihr es jetzt endlich klar geworden sei, warum wir hier einen etwas anderen Lebensrhythmus haben. Ich glaube jedoch, das sind alles nur subjektive Wahrnehmungen. Man kann genau so gut langsam auf einem Stadtbalkon in Frankfurt an der Oder aufwachsen, glaube ich.

uniFM: Eure Texte sind bevölkert von Dorfmelancholikern wie Loui, dem einzigen Typ im Ort, der ein Auto besitzt, um in den nächstgrößeren Ort zu kommen. Auf eurer Debut-EP gab es Jan, der vom Wiesental in die große Stadt zieht und dort am tristen Alltag zerbricht. Bei all der Empathie, mit der ihr diese Figuren beschreibt – Gab es da konkrete Vorbilder aus eurem Umfeld, die euch inspiriert haben? Seid ihr selbst vielleicht sogar ein bisschen wie Loui und Jan?

Francesco: Ein Teil von uns ist sicher in diesen Figuren vorhanden, auch wenn ich keine ganz persönlichen Geschichten vertone.

uniFM: Ihr seid ja eines der wenigen Bandprojekte mit zwei gleichberechtigten Frontmännern. Heute Abend spielt ihr hier im Jazzhaus in Freiburg. Wie wirkt sich diese Situation auf die Dynamik bei einem Livekonzert aus?

Moritz: Das ist jeden Abend anders. Wie in jeder Freundschaft verstehen wir uns von Tag zu Tag unterschiedlich gut und die Liebe kann überbordend oder eher gering sein. Das wirkt sich dann natürlich auch auf die Dynamik auf der Bühne aus. Oft ist diese Dynamik auch so abstrakt, dass man gar nicht genau benennen kann, wie wir auf der Bühne zusammenwirken.

uniFM: Was für ein Gefühl habt ihr für heute Abend?

Moritz: Ich habe ein gutes Gefühl.

Francesco: Ich bin müde. Du musst mich dann wohl mitreißen.

Hier das Interview zum Nachhören:

Das Interview führte Julian Tröndle
Foto: Ilyas Buss
Autoren:
Veröffentlicht am 16. November 2016

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