Was kann Strafrecht leisten?

Was kann Strafrecht leisten?

50 Jahre Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht: Aus diesem Anlass findet am 20.11.2016 eine Podiumsdiskussion unter dem Thema „Untaten im Namen des Staates – Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Aufgabe des Strafrechts“ und am 25.11.2016 eine musikalischen Lesung „A Song of Good and Evil“, von Philippe Sands, mit Katja Riemann und August Zirner, statt.

Dr. Carolin Hillemanns vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht organisert die Veranstaltungen anlässlich des 50-jährigen Bestehens.

Dr. Carolin Hillemanns vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht organisert die Veranstaltungen anlässlich des 50-jährigen Bestehens des MPI.

Frau Hillemanns, anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, kurz MPI für Strafrecht, findet eine Podiumsdiskussion und eine musikalische Lesung statt. Wie kommt es zu diesen beiden Veranstaltungen in Freiburg?

Ich bin zufällig auf die Arbeit von Philippe Sands, Professor für Völkerrecht am University College London und Menschenrechtsanwalt, gestoßen. Die Fragestellungen, die er in dem Stück „A Song of Good and Evil“ aufzeigt, passen unmittelbar zusammen mit den Fragestellungen der verschiedenen Doktoranden einer der Graduiertenschulen hier im Hause. Die Grundfrage lautet: „Welche Rolle spielen Vergeltung, Mediation und Strafe für die Herstellung sozialer Ordnung, Frieden und menschlicher Sicherheit?“

Außerdem wollen wir den Schritt wagen, die Projekte, mit denen wir uns beim MPI für Strafrecht über Jahrzehnte immer wieder in der einen oder anderen Weise beschäftigen, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Normalerweise tun wir dies, indem wir wissenschaftliche Beiträge verfassen, doch dieses Mal haben wir uns ganz bewusst für eine Podiumsdiskussion und eine musikalische Lesung in Zusammenarbeit mit dem Theater Freiburg entschieden.

Um was geht es bei der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Untaten im Namen des Staates – Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Aufgabe des Strafrechts“?

Bei der Podiumsdiskussion wollen wir uns die Fragen stellen: Was kann Strafrecht angesichts von Makrokriminalität leisten? Kriminalität, die in der Regel von Unrechtsstaaten ausgeht, aber auch von Terrororganisationen wie dem IS. Was sind die Erwartungen der Opfer? Was sind die Erwartungen der Gesellschaft an solche Strafverfahren? Uns ist es wichtig, dass man auch die Opfer in den Blick nimmt. Wie wichtig ist Anerkennung in so einem Verfahren? Was erwarten sie darüber hinaus? Was bedeuten diese Traumata für die Betroffenen, ihre Familien und die Gesellschaft?

Wir wollen auch Aspekte beleuchten im Sinne von: Was wissen wir aus der Geschichte? Welche Bedeutung und welchen Einfluss hat die Entwicklung der Menschenrechtspolitik über die letzten Jahrzehnte gerade auch für die strafrechtliche Aufarbeitung von Massengewalt beziehungsweise Makrokriminalität?

Aus diesen Gründen ist das Podium interdisziplinär zusammengesetzt. Auf dem Podium sitzen ein Kriminologie sowie Strafrechtler, nämlich ein ehemaliger Richter und eine Vertreterin der Anklage mit über zwanzigjähriger Erfahrung am Jugoslawien Tribunal, aber auch ein Traumatologe wird an der Diskussion teilnehmen. Er ist derjenige, der maßgeblich die jesidischen Mädchen und Frauen, die 2015 im Rahmen einer humanitären Aktion von Baden-Württemberg aufgenommen worden sind, psychologisch betreut. Auf dem Podium wird auch ein Historiker beziehungsweise Friedens- und Konfliktforscher sitzen.

Was muss man sich unter der musikalischen Lesung vorstellen?

Im Vordergrund der Lesung steht der Hauptkriegsverbrecher-Prozess 1945-46 unter anderem gegen Hans Frank, ehemals Reichsjustizminister, Generalgouverneur von Polen und Anwalt Hitlers, der 1946 zum Tode durch den Strang verurteilt und hingerichtet wurde. Philippe Sands hat über sieben Jahre hinweg seine eigene Biographie untersucht. Er ist seiner totgeschwiegenen Familiengeschichte nachgegangen und hat dadurch festgestellt, dass fast seine ganze Familie umgebracht worden ist. Sands hat auch Querbezüge zu zwei berühmten Völkerstrafrechtlern, Hersch Lauterpacht und Raphael Lemkin, gefunden. Beide waren Berater der Alliierten, die sich dafür eingesetzt haben, dass die Taten der Nazis im Rahmen eines Prozesses aufgearbeitet wurden.

Philippe Sands verbindet diese Einblicke mit Musik, weil er in seiner Forschung festgestellt hat, dass die drei Männer, Hans Frank und die beiden Völkerstrafrechtler, in unterschiedlich wichtigen Situationen ihres Lebens Trost in der gleichen Musik gefunden haben, nämlich unter anderem in der Matthäus Passion von Bach.

Sands, Katja Riemann und August Zirner werden die Lesung durchführen. Sowohl Riemann als auch Zirner machen dies aus persönlichem Engagement heraus. Begleitet werden sie dabei von herausragenden Musikern und Musikerinnen. Es werden ein Tenor, ein Pianist und eine kurdische Violinistin, die bis zu drei kurdisch jesidische traditionelle Lieder spielen wird, auf der Bühne stehen.

Was möchten Sie mit diesen beiden Veranstaltungen erreichen?

Wir wollen, wie gesagt, mit unseren Forschungsthemen an die Öffentlichkeit gehen und zeigen, dass dies einer der Bereiche ist, mit denen wir uns beschäftigen. Darüber hinaus wollen wir auch einen Beitrag zur aktuellen Diskussion geben, uns einbringen und mitteilen, welche Möglichkeiten, Erwartungen und Chancen die strafrechtliche Aufarbeitung solcher Taten hat. Wir wollen klar zum Ausdruck bringen, dass in den Nürnberger Prozessen etwas Herausragendes und Neues erreicht worden ist – nämlich, dass Staatsoberhäupte für ihr Tun zur Verantwortung gezogen worden sind.

Wichtig zu wissen ist, dass man kein Wissenschaftler sein muss, um an diesen Veranstaltungen teilnehmen zu können.

Podiumsdiskussion

Das Thema der Diskussion ist „Untaten im Namen des Staates – Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Aufgabe des Strafrechts“. Auf dem Podium stehen Prof. Dr. Jan Eckel, Hildegard Uertz-Retzlaff, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Albin Eser, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans-Jörg Albrecht und Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan. Der Vormittag wird von der Journalistin Esther Saoub moderiert.

Wann: 20. November 2016 von 11 bis 13 Uhr

Wo: Stadttheater Freiburg im Winterer-Foyer

Die Teilnahme ist kostenlos, jedoch sollte man sich unter mpgberlin@gv.mpg.de anmelden, denn die Anzahl der Plätze ist begrenzt.

Multimediale Inszenierung/musikalische Lesung

Katja Riemann, Philippe Sands und August Zirner lesen „A Song of Good and Evil“ von Philippe Sands. Die Aufführung kam bisher erst einmal in Deutschland auf die Bühne.

Wann: 25. November 2016 um 19.30 Uhr

Wo: Theater Freiburg, Großes Haus

Karten für die Inszenierung sind über die Vorverkaufskasse des Theaters Freiburg sowie online erhältlich.

Kosten für die Karten sind die üblichen Preise des Stadttheaters: Studierende, Schüler und Azubis kosten 8 Euro.

Das Forschungsgebiet des Max-Planck-Institut

Das Max-Planck-Institut führt strafrechtliche und kriminologische Forschungen durch. In der strafrechtlichen Abteilung wird zum nationalen deutschen und ausländischen Strafrecht geforscht und Rechtsvergleichung betrieben. Hierbei wird stark das europäische und internationale Strafrecht untersucht.

Die kriminologische Abteilung untersucht die Ursachen, Formen von und Reaktionen auf Kriminalität in einer Vielzahl von unterschiedlichen Projekten, wie beispielsweise zur Kriminalitätsfurcht.

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Foto: Max-Planck-Institut
Veröffentlicht am 18. November 2016

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