Was Du schon immer über Schlaf wissen wolltest …

Was Du schon immer über Schlaf wissen wolltest …

Was passiert, wenn ich zu wenig schlafe oder mich mit Koffein zudröhne, um weiter leisten zu können? Weshalb sind einige Langschläfer und andere Frühaufsteher? Und überhaupt: Weshalb benötigen Menschen Schlaf?

Viele Menschen, insbesondere junge Erwachsene, kennen das Phänomen, zu lange zu schlafen. Wenn die Großmutter erzählt, dass sie um fünf Uhr morgens wach im Bett liegt und nicht anders kann, als aufzustehen und ihre Blumen zu pflegen, fragt man sich als Enkelkind, ob man überhaupt noch zur gleichen Spezies gehört. In anderen Situationen ist man als gemeiner Acht-Stunden-Schläfer perplex, wenn Andere behaupten, sie bräuchten nur fünf Stunden Schlaf. Probiert man das aus, sind die Ergebnisse in der Regel wortwörtlich niederschlagend.

Über Schlaf zu reden ist üblich. Wir fragen uns gegenseitig, ob wir gut geschlafen haben oder versuchen, unsere Träume im freudianischen Stil zu interpretieren. Was schlafen aber genau bedeutet, verstehen wir allerdings nicht. Die Neurowissenschaften haben das menschliche Erbgut inzwischen entschlüsselt und komplexe Gehirnprozesse untersucht. Die Funktion des Schlafs ist in der Wissenschaft allerdings noch relativ unerforscht geblieben. Dabei verbringt man so viel Zeit des Lebens in diesem Zustand. Der Neurowissenschaftler Prof. Christoph Nissen hat die Schlafstudie „Schlaf und Plastizität“ geleitet, deren Ergebnisse aufklären könnten, aus welchen Gründen wir so viel Zeit in diesem verwundbaren Zustand verbringen.

Das Gehirn räumt auf

Nissens Studie deutet darauf hin, „dass Schlaf unser Gehirn aufräumt und die überlebenswichtige ‚neuronale Plastizität‘ begünstigt“. In anderen Worten: Der Schlaf sorgt für die Fähigkeit des Gehirns sich an neue Situationen anzupassen und zu lernen. Im Alltag nehmen unsere Synapsen, also die neuronalen Verbindungen, viele Informationen auf – meistens zu viele. Wenn ich die Farbe des Pullovers einer Kommilitonin ohne Grund in meinem Gehirn gespeichert habe, dann trage ich unnützes Wissen mit mir herum. Im Schlafprozess trennt das Gehirn die wichtigen von den unwichtigen Informationen und bewahrt die ersteren auf.

Wichtige Informationen werden in der Regel von Emotionen begleitet und somit markiert. Dieses Aufräumen führt dazu, dass wir am nächsten Tag wieder aufnahme- und lernfähig sind. Daher vergleichen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen das Reaktionsvermögen nach einer durchgemachten Nacht mit einem Alkoholpegel, der ungefähr bei 0,7 Promille liegt.

Nicht alle Menschen gleichen am nächsten Tag einem alkoholisierten Zombie, wenn sie nur ein paar Stunden geschlafen haben. “Der individuelle Schlafbedarf ist, wie die Schuhgröße, genetisch bestimmt und nicht dauerhaft veränderbar. Die Ursachen für deutliche Unterschiede sind weitestgehend unbekannt.“, sagt Prof. Nissen.

Zwei Schlaftypen: Lerchen und Eulen

Prof. Nissen erklärt, dass sich Menschen in Bezug auf ihre Schlafrhythmen grob in zwei Kategorien einteilen lassen: Die Lerchen und die Eulen. Während die Lerchen früh ins Bett gehen und früh aufstehen, machen die Eulen eher „die Nacht zum Tag“. Es gibt ein Syndrom, das sich „sleep-phase-delay“ nennt. Menschen, die unter diesem Syndrom leiden, haben trotz großer Anstrengungen, sich an einen sozial angepassten Rhythmus anzugleichen, einen deutlich nach hinten verschobenen Schlafrhythmus im Vergleich zu den Standard-Zeiten, an die sich das öffentliche und institutionalisierte Leben hält. Eine Vorliebe für späte Bettzeiten ist in den Jugendjahren normal und resultiert aus physiologischen Umstellungen der Tagesrhythmik. Nur bei erheblicher Verschiebung ins Erwachsenenalter hinein spricht man von einer Rhythmusstörung.

Diese Gegensätzlichkeit zwischen den Menschen ist der Anlass für so manche Auseinandersetzung. Bestimmt hat die eine oder die andere „Nachteule“ schon mal den Spruch von einem stolzen Frühaufsteher gehört: „Der Schlaf vor Mitternacht ist der beste Schlaf.“ Für Prof. Nissen ist dieser Gedanke mehr Mythos als Realität. „Eine Anpassung an individuell unterschiedliche Rhythmen ist völlig in Ordnung. Hauptsache sie schlafen genug.“ Allerdings können manche Menschen eine sehr dominante innere Uhr haben. Das sind zum Beispiel diejenigen, die einen Jetlag wochenlang mit sich herumtragen, wenn sie durch mehrere Zeitzonen geflogen sind.

Zu wenig Schlaf hat Konsequenzen

Wer sich mittels Tabletten oder durch Unmengen an Koffein künstlich stundenlang wachhält, kann tatsächlich seine „Performance“ steigern. „Bei stetiger Wiederholung hat dies aber einen Preis“, sagt Prof. Nissen. Man müsse bei anhaltendem Konsum aufputschender Substanzen mit einer gestörten Stimmungsregulation rechnen und auch die Fähigkeit, Dinge in Bezug zueinander zu setzen, werde beeinträchtigt. „Bei manchen Menschen kann es sogar zu Psychose-ähnlichen Episoden kommen.“

Ähnlich wie bei anderen Drogen setze bei den Wachmacherpillen der Rebound-Effekt ein, sobald die Tabletten abgesetzt werden. „Nach Absetzen tauchen mit großer Wahrscheinlichkeit eine intensive Abgeschlagenheit und teils andere Beschwerden, wie Blutdruck-Störungen, auf.“

Dies sollte aber nicht zu panischen Schlussfolgerungen führen. Ab und zu bis um fünf Uhr morgens zu feiern oder eine Nacht durchzumachen, um die Hausarbeit rechtzeitig abzugeben, löst nicht sofort Halluzinationen und Kreislaufstörungen aus. Ein gesunder Mensch, kann ohne Probleme gelegentliche Unregelmäßigkeiten des Schlafrhythmus vertragen.

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Foto: Vanessa Nicklaus
Veröffentlicht am 2. November 2016

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