Terrorismus ist ein Zeichen von Schwäche

Terrorismus ist ein Zeichen von Schwäche

Am Sonntag,13.11.2016, jährten sich die Anschläge von Paris. Damit hat vor einem Jahr der Terror auch in der unmittelbaren Nachbarschaft Einzug gehalten und bei vielen ein Gefühl von Unsicherheit, Angst und Hilfslosigkeit hinterlassen. Der Soziologie-Professor Stefan Kaufmann erzählt im Interview unter anderem, warum die Aufforderung, keine Angst zu haben paradox ist und ob wir uns bereits im Dritten Weltkrieg befinden.

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Prof. Dr. Stefan Kaufmann, ist der Meinung, dass ein distanzierter soziologischer Blick auf das heiß diskutierte Thema Sicherheit zur Abkühlung führen kann.

Professor Kaufmann, als Leiter einer fächerübergreifenden Forschungsgruppe zum Thema Sicherheit an der Uni Freiburg halten Sie die Forderung keine Angst vor Terrorismus zu haben für paradox, warum?

Paradox deswegen, weil die Aufforderung keine Angst zu zeigen ja bereits auf eine bestimmte Form von Unsicherheit verweist und darauf, dass es Gründe gäbe Angst zu haben. Damit rufen wir das, was wir verhindern wollen, eigentlich hervor. In diesem Sinne sind Sicherheitshinweise häufig eher kontraproduktiv.

Würden Sie Studierenden angesichts der aktuellen Terrorlage empfehlen, Großveranstaltungen zu meiden?

Ich würde auf keinen Fall sagen, dass man Großereignisse nicht mehr besuchen soll, aber das muss natürlich jeder selbst entscheiden. De facto ist es tatsächlich so, dass Großereignisse inzwischen immer auch als Sicherheitsrisiko thematisiert werden, auch in den Medien. Wenn man die Gefahr auf den Einzelnen herunterrechnet, ist es aber ziemlich unwahrscheinlich, dass man ausgerechnet eine Veranstaltung besucht, bei der etwas passiert. Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls bei einem solchen Event ist beispielsweise viel höher.

Wie viel hat der Aufruf der Bundesregierung, sich mit Lebensmittelvorräten einzudecken, mit der aktuellen Terrorlage in Deutschland zu tun?

Das steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit Terrorgefahr, sondern ist eine Diskussion, die schon sehr lange im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz geführt wird.

Der Hintergrund dieser Debatte ist, dass bei Stromausfällen, Hochwasser oder ähnlichen Ereignissen, die Versorgungslücken zur Folge haben könnten, die Bevölkerung nicht in der Lage sei, sich selbst zu versorgen.

Der Innenministers Thomas De Maizière hat im Rahmen der Terrorwarnung beim Fußball-Länderspiel in Hannover mit seiner Aussage „Ein Teil dieser Antwort würde die Bevölkerung verunsichern“ für Schlagzeilen gesorgt. Könnten mehr Informationen über Geheimdienst- und Polizeiarbeit zum Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beitragen?

Dazu müsste man natürlich genau wissen, was dann publik werden würde. Wenn ich jetzt wüsste, dass Geheimdienst- und Polizei jeden Tag ganz knapp einen Terroranschlag vereiteln, dann würde ich natürlich nein sagen. Ich glaube allerdings nicht, dass das der Fall ist. Zudem gibt es natürlich gute Gründe, warum manche Dinge im Geheimen verbleiben. Beispielsweise, dass Tatverdächtige noch lange keine Täter sind und natürlich auch aus ermittlungstaktischen Gründen. Daher hat Transparenz in dem Bereich sicherlich Grenzen.

Hinter dem Amoklauf in München, bei dem ein Täter im Olympa-Einkaufszentrum um sich geschossen hat, vermutete man zunächst auch einen terroristischen Akt. Wie haben Sie die Medienberichterstattung in München wahrgenommen?

Die Berichterstattung, wie sie von Seiten der Polizei geleitet wurde, war meiner Meinung nach hervorragend. Durch den live geschalteten Pressesprecher wurde die Verbreitung von Gerüchten und Halbwissen in der Medienkonkurrenz und den sozialen Netzwerken zu verhindern versucht.

Welche Rolle kam den sozialen Netzwerken in dieser Situation zu?

 Es war erwartbar, dass durch soziale Medien sehr schnell Gerüchte entstehen, wie es schließlich auch geschehen ist und damit zumindest lokal begrenzt eine gewisse Panik verursacht wurde. Das hat auch dazu geführt, dass die Menschen sich zurückgezogen haben, was in dieser Situation jedoch auch berechtigt war.

Ein besonders positiver Aspekt war allerdings die Hilfsbereitschaft, die sich über soziale Medien verbreitet hat, als beispielsweise der Nahverkehr eingestellt wurde und die Bevölkerung unter dem #offenetür Unterkünfte und Schlafplätze angeboten hat.

Unsere Nähe zur französischen Grenze und den Atomkraftwerken dort, weckt in manchen Teilen der Bevölkerung ein Gefühl von Unsicherheit. Wie hoch schätzen Sie das Risiko eines Terroranschlags auf ein Atomkraftwerk ein?

Wie groß letztlich die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Atomkraftwerk für einen terroristischen Anschlag anvisiert wird, das können Sie als Laie sicherlich genauso gut einschätzen, wie der Experte. Atomkraftwerke sind sicherlich gefährdete Objekte, ich halte Terror allerdings für keine wesentlich stärkere Gefahr als das Risiko, das prinzipiell von Atomkraftwerken ausgeht

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gab es dazu auch eine große Diskussion, in deren Zusammenhang Gutachten zur Sicherheit von Atomkraftwerken erstellt wurden. Diese ergaben, dass nur wenige einen Flugzeugabsturz überstehen würden, aber das hängt natürlich auch von der Größe des Flugzeugs ab, zudem stammen die Daten aus den Jahren 2005/2006, das kann sich inzwischen geändert haben.

Es wurden auch schon Szenarien durchgespielt, in denen man versucht hat mit gefakten Raketenwerfern bis zu einem Kraftwerk durchzudringen und dies tatsächlich gelungen ist, aber innerhalb solcher Kraftwerke gibt es schließlich noch einmal zahlreiche Schutzvorkehrungen. Ein anderes Risiko allerdings wären Angriffe auf die Entsorgung der Endprodukte und Auffangbecken, durch die ebenfalls große Schäden angerichtet werden könnten.

Im Zusammenhang mit Terrorismus wird immer wieder vom Dritten Weltkrieg und einer neuen Form des Krieges gesprochen. Befinden wir uns denn bereits im Krieg?

Also wenn man von Krieg oder gar Drittem Weltkrieg sprechen würde, dann hätte der Terrorismus sein Ziel erreicht. Nach dem 11. September und den Anschlägen in Paris war die Rede von Krieg, was zur Folge hatte, dass der Staat den Ausnahmezustand ausgerufen hat und damit so reagiert hat, wie es der Terrorismus will. Als Folge wurde der Ausnahemzustand ausgerufen und bestimmte Rechte und Gesetze außer Kraft gesetzt, wie etwa das Versammlungs- und Demonstrationsrecht.

In den USA hat sich das langfristig mit sehr starken Formen von Rechtseinschränkungen – also auch Grundrechtseinschränkungen – in der Gesetzgebung niedergeschlagen. In Frankreich sind die Auswirkungen nicht ganz so dramatisch, aber auch hier wurden mehrere Monate demokratische Rechte außer Kraft gesetzt, was letztlich auch die UN zu Kritik veranlasst hat.

Terrorismus ist ein Verbrechen. Ein krimineller Akt auf den eine Partei zurückgreift, die zu schwach ist, um einen tatsächlichen Krieg zu führen. Terrorismus ist also eher ein Ausdruck von Schwäche als von Stärke. Ebenso ist es ein Ausdruck von Schwäche, wenn man das tatsächlich als Kriegserklärung annimmt.

Info

Bei den Terroranschlägen in Paris, am 13.11.2015, verübten Anhänger des Islamischen Staats Anschläge auf insgesamt acht verschiedene Ziele in der französischen Hauptstadt. Zu den ausgewählten Zielen zählte unter anderem das Fußballstadion Stade de France, in dem zu dieser Zeit ein Freundschaftsspiel der französischen und deutschen Nationalmannschaften stattfand, ein Rockkonzert im Bataclan-Theater und zahlreiche Cafés und Bars. In Folge der Anschläge starben 130 Menschen und mehr als 300 wurden in dieser Nacht zum Teil schwer verletzt.

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Foto: Teaser: Ilyas Buss Beitragsbild: Samantha Happ
Autoren:
Veröffentlicht am 13. November 2016

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