“Mit dem Club eine Marke setzen”

“Mit dem Club eine Marke setzen”

An der B34, kurz bevor die Autokolonnen vom Schützenalleetunnel geschluckt werden, steht ein unscheinbarer Konzertclub am Straßenrand, das Swamp, seit nunmehr 23 Jahren eine der geschmackssichersten Institutionen für Popmusik in Freiburg. Geleitet wurde er von Anfang an von Carmelo Policicchio – Rufname: “Chico” – Fußballenthusiast und Musik-Nerd in Personalunion. Wenn nicht gerade ein Spiel des SCs auf dem Programm steht, lädt er regelmäßig die internationale Indie-Szene in sein zweites Wohnzimmer. Die uniFM Musikredaktion sprach mit ihm über das seltsame Clubsterben in Freiburg, lärmempfindliche Nachbarn, Authentizität und seine Highlights aus über zwei Dekaden als Konzertveranstalter.

uniFM: Das Swamp existiert bereits seit 1993. Unzählige Bands und KünstlerInnen standen während dieser Zeit bei dir auf der Bühne. Was waren die Konzerte, die dir aus all den Jahren am nachhaltigsten in Erinnerung geblieben sind?

Chico: Da sind vor allem natürlich die Künstler und Bands zu nennen, die heute die ganz großen Hallen ausverkaufen. The National habe ich zum Beispiel zwei Mal veranstaltet, einmal hier im Swamp, einmal im Jos Fritz Cafe. Ariel Pink stand vor seinem Durchbruch vor 30 Leuten auf der Swamp-Bühne – 15 davon meinten, das sei das Genialste gewesen, was sie je gesehen haben, die anderen 15 empfanden es als totalen Mist. Die Kanadier von of Montreal habe ich damals in der Jazz und Rock Schule veranstaltet. Andere Bands, die mittlerweile deutlich größere Venues bespielen, waren die Islands, Bilderbuch oder The Wave Pictures. Außerdem hatte ich mal David Lowery zu Gast, der Kopf hinter der Indie-Kultband Camper Van Beethoven – wobei, der wird eurer Zielgruppe bei uniFM wahrscheinlich eh nichts mehr sagen. Mein persönliches Highlight war aber eine Band namens The Gourts. Die haben astreinen Country-Sound gespielt – keine Ahnung, ob die überhaupt noch existieren.

uniFM: Nach welchen Kriterien wählst du denn die KünstlerInnen aus, die bei dir spielen? Wie erkennst du Potential?

Chico: Mir werden pro Woche um die 100 Bands angeboten. Primär folge ich beim Durchhören dieser Anfragen meinem persönlichen Geschmack. Irgendwo bei mir zuhause müsste noch eine Kassette von Wir Sind Helden liegen. Die habe ich damals abgelehnt, weil ich nicht überzeugt war. Auf der anderen Seite gibt es auch Acts, die ich extrem gut finde, die aber zu experimentell sind, um den Laden voll zu machen.

uniFM: Wie findet man denn einen solchen Mittelweg zwischen musikalischen Präferenzen und ökonomischer Tragfähigkeit?

Chico: Im Idealfall schließen sich die beiden Kategorien nicht aus. Die Band Brasstronaut aus Kanada ist da ein gutes Beispiel. Im Vorfeld dachte ich, deren Sound sei viel zu jazzig und experimentell fürs Swamp-Publikum. Um acht Uhr war der Laden dann aber überraschenderweise schon ausverkauft. Wir hatten allerdings auch mal eine Dänische Band hier – wahnsinnig sympathische Jungs. Der Laden war voll und auch das Publikum war begeistert. Nur mich hat es nicht richtig angesprochen. Als sie nach einem halben Jahr nochmal angefragt haben, habe ich sie deshalb abgelehnt. Ich finde es wichtig, dass man langfristig als Club eine Marke setzt. Denn es gibt auch Leute, die blind zu den Konzerten ins Swamp kommen. Die sollten dann schon in etwa bekommen, was sie erwarten, nämlich Gitarren, Indie-Pop, manchmal auch Singer-Songwriter und Folk.

uniFM: In den vergangenen Jahren scheint der Wind innerhalb der Freiburger Clublandschaft etwas rauer zu wehen. Die Passage46 unter dem Theater hat nur neun Monate überlebt. Die Schmitz Katze hat Ende 2016 auch endgültig die Pforten geschlossen. Andere Locations wie das Ruefetto haben permanent mit lärmempfindlichen Nachbarn zu kämpfen. Wie schätzt du denn die Situation der aktuellen Konzertszene Freiburgs ein?

Chico: Man kann die Gründe für die momentane Situation kaum verallgemeinern. Bei der Schmitz Katze waren es ja vor allem finanzielle Probleme. Beim Ruefetto hingegen ist es wohl so, dass die aktuellen Betreiber zwar sehr angenehme Leute sind, wenn der Besitzer aber meint, er muss im Keller regelmäßig und spätnachts Techno-Afterhours veranstalten, obwohl man weiß, dass die Anwohner empfindlich sind, dann zeigt das schlicht eine mangelnde Rücksichtnahme gegenüber den Anwohnern. Was Klagen wegen Lärmbelästigung angeht, hatte ich immer das Glück, sehr tolerante Nachbarn zu haben. In 23 Jahren musste die Polizei erst einmal kommen. Natürlich ist es schwierig, in einer Stadt, in der die Leute wegen jedem Pups auf die Barrikaden gehen, Konzerte zu veranstalten. Wenn man es aber richtig anpackt, hat es der Laden selbst in der Hand. Das Jazzhaus könnte mit seinen Subventionen zum Beispiel ein sehr viel mutigeres Programm zusammenstellen und speziellere Konzerte veranstalten. Auch im Crash könnte viel mehr passieren. Allerdings haben wir schon eine sehr lebendige Konzertlandschaft in der Stadt. Bei Konzerten mit einem Publikum zwischen 100 und 150 Zuschauern braucht sich Freiburg selbst hinter Städten wie Köln oder Berlin nicht zu verstecken.

Das gesamt Interview mit Chico hört ihr am Dienstag, den 31. Januar, ab 19.00 Uhr im Motto Soundcheck Spezial: Zur Freiburger Konzertlandschaft

Mehr Informationen zum Swamp mit den aktuellen Konzertterminen

Das Interview führte Julian Tröndle
Fotos: Julian Tröndle
Autoren:
Veröffentlicht am 23. Januar 2017

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