Freiburger, Geflüchtete, Freundschaft?

Freiburger, Geflüchtete, Freundschaft?

uniCROSS-Mitarbeiterin Christine wollte sich schon länger für Geflüchtete engagieren, wusste aber nicht wie und ob sie wirklich Zeit dafür hat. Dann hörte sie von „Start with a Friend“ – und hat Ahmed aus dem Irak getroffen.

Ich hatte von „Start with a Friend“, oder kurz SWAF, durch eine Freundin gehört und fand die Initiative interessant: Eine ortsansässige und eine geflüchtete Person, Tandem mal anders. Denn es ging nicht unbedingt darum, Arabisch zu lernen, sondern vielmehr darum, neugierig auf das Leben des Anderen zu sein, und gleichermaßen das Leben in Deutschland greifbarer zu machen. Und daraus sollte sich bestenfalls eine Freundschaft entwickeln.

Etwas skeptisch war ich dabei schon. Sich alleine mit einem Fremden treffen? Wer würde mir gegenüberstehen?

Ich wusste es nicht, ich wusste nur, dass ich nicht wollte, dass all diese Menschen unter einen Hut gesteckt werden. Ich wusste, ich wollte endlich ein konkretes Gesicht, einen konkreten Menschen dahinter sehen.

Aber dann hatte ich doch weitere Bedenken: Helfen gerne, doch wann neben Studium, Nebenjob, Freunde & Co.? Gleichzeitig fragte ich mich, wenn nicht jetzt helfen, wann dann? Und dann kam SWAF.

In Freiburg sind bisher über 3.000 Geflüchtete aufgenommen worden. Die meisten von ihnen leben in Flüchtlingsunterkünften, wie beispielsweise dem Wohnheim in der Mooswaldallee.

Ich wohne mit zwei anderen in einem Zimmer, ein Zimmernachbar ist aus dem Irak und einer aus Afghanistan, das ist nicht immer einfach. Ich bin die meiste Zeit unterwegs, da ich mittlerweile einer von den interkulturellen Vermittlern von SWAF bin. Von SWAF habe ich bei unserem wöchentlichen Café im Flüchtlingsheim erfahren.“ Alaska aus Latakia, Syrien.

SWAF hat in Berlin Ende 2014 seinen Anfang genommen, und ist nach wie vor die Hauptanlaufstelle, von der alle anderen neun seither bundesweit gegründeten SWAF-Standorte koordiniert werden. In Freiburg/Hochschwarzwald wurde SWAF als Standort offiziell im Januar 2016 gegründet. Gründer und Leiter sind Hanno Dihle, gelernter Volkswirt und Journalist, und Daniel Wolber, der sich als Sozialpädagoge und Coach einbringt.

Zum Start von SWAF kamen etwa 100 Freiburger als „locals“, wie die Ortsansässigen genannt werden, doch dann ebbte der Zulauf wieder ab, sodass weiterhin großer Bedarf besteht. Nach wie vor steht eine große Anzahl an Geflüchteten auf der Suche nach einem Tandempartner auf der Warteliste. Weitere locals werden dringend gesucht.

Tandempartner werden nach Interessen vermittelt

Im Grünhof, direkt am POW-Café anschließend, befinden sich manche der Räume der mittlerweile über 30 SWAF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Abgesehen von Daniel und Hanno sind alle ehrenamtliche, interkulturelle Vermittler, die unter anderem für die Registrierung der locals und Geflüchteten, und für die Tandemvermittlung zuständig sind. Regelmäßig organisieren sie außerdem die Infoveranstaltung im POW-Café, bei der man nicht nur mehr über SWAF erfahren, sondern sich auch als Tandem registrieren lassen kann.

Bei der Registrierung werden sowohl die Interessen der locals als auch die der geflüchteten Personen aufgenommen. Dies ist eines der wichtigsten Kriterien, die bei der Tandemvermittlung beachtet werden. Weitere Kriterien sind Wohnort und eine ähnliche Lebenssituation. Beispielsweise kann eine deutsche Familie Tandempartner einer geflüchteten Familie sein.

Viele der Geflüchteten sind Männer, bei den locals ist der Frauenanteil höher. Falls man lieber einen Geflüchteten gleichen Geschlechts als Tandem zugewiesen bekommen möchte, kann man dies angeben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achten besonders darauf, Tandempartner in einem ähnlichen Alter zu vermitteln.

Uns ist es besonders wichtig, alle locals und Geflohenen in einem persönlichen Gespräch kennen gelernt zu haben. Nur so können wir uns ein Bild der Teilnehmenden machen und Tandems zusammenstellen, bei denen beide möglichst auf einer Wellenlänge sind. Langfristig ist es außerdem Ziel von SWAF, Geflüchtete mit potentiellen Arbeitgebern zusammen zu bringen, sowie Arbeitsintegration und Anerkennung von Abschlüssen zu fördern.“ Daniel Wolber, SWAF-Mitarbeiter.

Als ich ein paar Wochen nach der Registrierung eine E-Mail von SWAF erhielt und mir mitgeteilt wurde, dass Ahmed aus dem Irak mein Tandempartner sein wird, habe ich ihn per SMS kontaktiert, und mit ihm ein Treffen im Café ausgemacht.

Im Irak habe ich Medizin studiert und habe dort bereits zwei Jahre als Arzt gearbeitet. Eine Unterkunft zu finden, und die Sprache zu lernen war besonders schwierig, als ich im März nach Deutschland gekommen bin. Ich hatte zwar in Jordanien A1 belegt, aber bei meiner Ankunft konnte ich kaum ein Wort sprechen. Hier in Freiburg gibt es spezielle Sprachkurse für medizinische Berufe, und jetzt gerade mache ich C1.“ Ahmed aus Basra, Irak.

Ich war beeindruckt wie gut Ahmed Deutsch spricht und fasziniert, was er von seinem Leben im Irak erzählte. Weitere Treffen konnte ich mir gut vorstellen. Falls es Probleme gegeben hätte, hätte ich diese SWAF mitteilen können. Auch bei rechtlichen Fragen, beispielsweise zum Asylrecht, hilft SWAF weiter.

Über die Flucht sprechen

Über ihre Flucht möchten manche Geflüchteten ungern sprechen. Andere dagegen sprechen sehr offen darüber.

Ich bin mit meiner Mutter und meinem Bruder von Damaskus aus geflüchtet. In der Türkei waren wir zunächst einen Monat. Dort wurden wir leider bestohlen – Handys, Pässe, alles weg. Von Damaskus sind wir zusammen mit über vierzig anderen mit einem kleinen Boot, das für vielleicht 15 Leute gedacht war, nach Griechenland gefahren. Weil wir Probleme mit dem Motor hatten, haben wir statt einer, 60 Stunden gebraucht. Das Boot war voll mit Wasser. Ich habe mir vor allem Sorgen um meine Mutter gemacht. In Griechenland sind wir mit einem LKW weiter. 200 Leute in einem LKW! Man konnte kaum atmen. Wir haben alle geschrien, der Fahrer soll die Türe öffnen. Zum Glück hat er das gemacht. Er ist danach geflohen. Irgendwann habe ich es geschafft, nach Deutschland zu kommen.“ Samer aus Damaskus, Syrien.

Viel (Zeit) ist nicht nötig

Bei jedem Treffen wurde mir klar: Jeder kann dazu beitragen, das Leben eines jeden etwas zu bereichern. Viel Zeit ist dafür nicht nötig. Ob es das Zwiebelkuchenfest im Kaiserstuhl oder die Wanderung zum Rosskopf war – zu diesen Ausflügen mit Freunden, die ich ohnehin unternommen hätte, habe ich Ahmed eingeladen und mitgenommen. Er hat sich sehr gefreut, am Leben von Freiburgern teilhaben zu können, und wir auch, weil wir mehr über ihn und seine Heimat erfahren konnten.

Tandem seit fast einem Jahr Alaska und Christiane.

Soziales Engagement sollte für alle Menschen selbstverständlich sein, und jeder sollte sich dafür die Zeit nehmen. Es ist auch nicht so, dass ich mir denke – jetzt muss ich Alaska wieder treffen, aber ich hab‘ doch gar keine Zeit. Sondern ich freue mich auf die Treffen und verbringe gerne Zeit mit ihm.“ Christiane, studiert an der PH Grundschul-Lehramt und ist Alaskas Tandempartnerin.

Info

In Freiburg sind circa 300 Tandems durch SWAF zustande gekommen. Wer mitmachen möchte, kann sich für eine Infoveranstaltung im POW-Café anmelden, und bei den organisierten SWAF-Veranstaltungen sowie den monatlichen SWAF-Stammtischen im Strandcafé auf dem Grethergelände teilnehmen.

Infos und Anmeldung für eine Infoveranstaltung im POW-Café gibt es hier.

Infoveranstaltungen im Januar: 31.1.2017 um 19 Uhr

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Foto: Christine Ziegler
Veröffentlicht am 25. Januar 2017

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