Kurzfristige Einigung mit VG Wort

Ende September wurde der neue Rahmenvertrag zwischen VG Wort und der Kultusministerkonferenz (KMK) geschlossen, der eine neue Vergütungsregelung für die Nutzung von Texten in der Lehre und Forschung vorsah. Danach herrschte Ruhe vor dem Sturm. Bis durchsickerte, welche Konsequenzen sowohl ein Beitritt als auch dessen Weigerung bedeuten würde.

Bisher wurde für alle Texte, die an Lehreinrichtungen online zur Verfügung gestellt wurden und unter das Urheberrechtgesetz fielen, eine pauschale Vergütung gezahlt. „Von Anfang an war klar und unstrittig, dass dafür eine angemessene Vergütung an den Autor gezahlt wird. Die Vergütung wurde dann über eine Pauschalabrechnung von den Ländern gezahlt. Das war eine einfache und pragmatische Lösung“, sagt Dr. Antje Kellersohn, Direktorin der UB.

Diese Vereinbarung wurde durch ein Bundesgerichtshofurteil von 2013 gekippt: Sie sagte unter anderem aus, dass eine Einzelfallabrechnung der zur Verfügung gestellten Texte durch die Hochschulen zumutbar ist und „nur durch eine Verwertungsgesellschaft (VG) geltend gemacht werden“ kann, wie es im Urteil heißt.

Das bedeutet, dass Lehreinrichtungen, darunter auch Hochschulen und Universitäten, laut Bundesgerichtshof die Leistung erbringen können, jedes Skript das auf eine Lernplattform wie Ilias hochgestellt wird, einzeln abzurechnen.

Testdurchlauf in Osnabrück war nicht erfolgreich

Da eine Einzelfallabrechnung nach Ansicht der Verwertungsgesellschaft Wort, kurz VG Wort, mehr Geld für die von ihr vertretenen Autoren bedeutet, trat diese nach dem Bundesgerichtsurteil genau dafür ein. Durch ihre Bemühungen entstand ein neuer Rahmenvertrag, der zwischen VG Wort und der KMK, also den Bundesländern geschlossen wurde. In diesem Vertrag wurde festgehalten, dass nun nicht mehr die Länder, sondern die Hochschulen die Vergütungen für die Nutzung der Texte erbringen sollten. Diese sollte auch nicht in einer Pauschale, sondern einzeln für jeden zur Verfügung gestellten Text erfolgen.

„In Osnabrück wurde ein Testlauf durchgeführt und man kam zu dem Ergebnis, dass der Aufwand immens ist, sowohl technisch, als auch für die Dozierenden. Diese sind nämlich letztendlich in der Pflicht, zu ermitteln welche ihrer Unterlagen sie ins Netz stellen dürfen und für die Einzelabrechnung der VG Wort melden müssen“, erläutert Kellersohn.

Das Ergebnis des Testlaufs war, dass viel weniger Materialien bereitgestellt wurden, was für Studierende heißt, dass sie ihr Lernmaterial, wie in vordigitalen Zeiten mühsam zusammensuchen müssten. Daraufhin hatten die Landeshochschul-, die Hochschulrektoren- und die Landesrektorenkonferenzen Baden-Württembergs entschieden dem Vertrag nicht beizutreten. Damit war Baden-Württemberg nicht das einzige Bundesland: Neun Bundesländer traten dem Vertrag nicht bei.

Kurzfristige Lösung in Sicht

Durch die geschlossene Weigerung wollten die Lehreinrichtungen Druck auf die VG Wort und die KMK ausüben und sie so zurück an den Verhandlungstisch bringen. Dadurch liefen diese aber auch Gefahr, gar keine Texte mehr hochladen zu dürfen, die vom Urheberrecht betroffen sind. Und dies trifft auf alle Sprachwerke und deren Übersetzungen zu, die nach 1920 verfasst wurden.

„Wir können die Haltung der Uni nachvollziehen“, sagt Leon Grünig, Vorstandsmitglied der Studierendenschaft Freiburg. „Es ist nicht machbar für die Uni, da die bisherigen Kosten, die über die Pauschalabrechnung vom Land getragen werden nun auf die Uni zukommen würden, nur in beträchtlich höheren Summen.“

Doch der angestrebte Druck auf die VG Wort hat Wirkung gezeigt: Anfang Dezember 2016 wurde eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus dem Vorstand der VG Wort, der Kultusministerkonferenz und der Hochschulrektorenkonferenz gebildet. Diese verkündete schon am 23. Dezember 2016 in einer Pressemitteilung, „dass für Nutzungen nach Paragraph 52a Urheberrechtsgesetz an Hochschulen bis 30. September 2017 nochmals eine Pauschalvergütung gezahlt wird.“ Desweiteren würde man versuchen bis zum 1. Oktober 2017 eine einheitliche Lösung für die Abrechnung zu finden.

Veraltetes Urheberrecht als Grundproblem

Grünig bezweifelt, dass dies ausreicht: „Selbst wenn sich die VG Wort mit den Ländern und den Rektorenkonferenzen auf eine Pauschalabrechnung einigt, könnte jeder Autor Einzelabrechnungen für seine Werke fordern.“ Eine Lösung wäre für ihn eine Erneuerung des Urhebergesetzes. „Das Urheberrecht ist massiv veraltet, es stammt aus einer vordigitalen Zeit und es wird versucht, es auf neue Medien anzuwenden, passt aber nicht dazu.“ Auch Kellersohn hält eine Novellierung des Urheberrechts für nötig, glaubt aber auch, dass diese noch auf sich warten lässt: „Der Bundesjustizminister Heiko Maas hat schon einen Referentenentwurf auf dem Tisch liegen. Aber ich weiß aus den letzten Novellierungen, dass das ein Prozess ist.“  Ob eine Pauschalabrechnung also die endgültige Lösung bleibt, ist bis Anfang Oktober 2017 abzuwarten.

Info

Was ist eine Verwertungsgesellschaft?

Verwertungsgesellschaften dürfen Nutzungen von urheberrechtlich geschützten Werken in Rechnung stellen. Da eine VG nicht auf Gewinn ausgerichtet sein darf, kommen die Einnahmen den Urheberinnen und Urhebern der Werke zu Gute. Für die Sprachwerknutzung, also Texte, ist in Deutschland die VG Wort zuständig. Sie ist ein Zusammenschluss von Autoren und Verlagen, ihre Einnahmen gehen an die Autorinnen und Autoren.

Welche Texte dürfen digital bereitgestellt werden?

Laut Urheberrechtsgesetz dürfen kleine Teile und Teile von Texten in der Forschung und Lehre zur Verfügung gestellt werden. Das bedeutet konkret, dass entweder maximal 12 Prozent oder 100 Seiten beziehungsweise bei kürzeren Werken 25 Prozent oder 100 Seiten hochgeladen werden dürfen. Diese dürfen auch nur einer abgeschlossenen Gruppe für Lehrzwecke zur Verfügung gestellt werden, wie es bei Ilias über das Passwort für die verschiedenen Kurse geschieht.

Das ganze Urteil des Bundesgerichtshofs könnt ihr euch hier durchlesen, der für die Hochschulen relevante Paragraph 52a befindet sich auf den Seiten 23 und 24.

Den Referentenentwurf zur Änderungen des Urheberrechts findet ihr hier.

Mehr Informationen dazu könnt ihr auch auf der Seite des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz nachlesen.

Foto: Farina Kremer
Autoren:
Veröffentlicht am 25. Januar 2017

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