Comics gesellschaftsfähig machen

Bei Comics denkt man an Namen wie Superman oder Donald Duck. Dass Comics mehr zu bieten haben, beweist die Ausstellung comiXconnection in der UB. Gezeigt werden Independent Comics aus Südosteuropa. Warum man sich das unbedingt anschauen sollte weiß Kuratorin Beate Wild. Hinweis: Am 20.2.2017 findet ein Symposium zur Ausstellung statt.

Frau Wild, Sie sind Kuratorin am Museum Europäischer Kulturen in Berlin und dort verantwortlich für die Region Südosteuropa. Jetzt ist Ihre Ausstellung comiXconnection in der UB Freiburg zu Besuch. Batman oder Asterix und Obelix sucht man unter den ausgestellten Comics aber vergeblich. Was für Comics zeigen Sie?

Es gibt verschiedene Namen für die Art Comics, die wir ausstellen. Die einen sprechen von ‘Alternativen Comics’, während andere die Bezeichnung ‘Independent’ oder ‘No School Comics’ bevorzugen. Gemeint sind Arbeiten, die nicht auf Bestellung gezeichnet und nicht kommerziell produziert werden. Solche Comics werden, wenn überhaupt, nur in sehr kleinen Zahlen verlegt. Es geht hauptsächlich um künstlerische Ideen, weniger um den finanziellen Gewinn. Nur sehr wenige der Künstler können ausschließlich von dieser Kunst leben

Für mich selbst sind Comics vor allem ein Kommunikationsmedium, mit dem man sich verständlich machen kann. Das Format lässt sich für jede Art von Geschichte nutzen. Mit Comics kann man zum Beispiel auch Dinge thematisieren, die überhaupt nicht lustig sind. Denken Sie an die berühmte Graphic Novel ‘Maus’, in der es um den Holocaust geht.

Was wird in den Comics thematisiert?

Die ausgestellten Comics drehen sich um die unterschiedlichsten Dinge. Einige lassen sich als Science Fiction einordnen, andere sind Liebes- oder Beziehungsgeschichten. Mit manchen Werken verarbeiten Künstler auch ihre eigene Biografie. Zum Beispiel Nina Bunjevac, die ihre Großmutter von der Zeit als Partisanin unter Tito erzählen lässt und dabei zeigt, wie sehr das auch ihr Leben als Künstlerin beeinflusst.

Wir haben bewusst versucht, keine Anthologie zu zeigen, die Comics also nicht nach ihrem Herkunftsland zu ordnen, sondern Gemeinsamkeiten bei Motiv oder Technik zu finden und so Verbindungen über die Ländergrenzen hinweg zu schaffen.

Superhelden sind im Kino gerade überall. Die meisten stammen ursprünglich aus Comics. Gibt es in Independent Comics auch Superhelden?

Die alternative Comicszene portraitiert eher Antihelden als traditionelle Helden. So dreht sich zum Beispiel ein Comic des Künstlers Wostok um einen Obdachlosen. Ein anderes Beispiel wäre Lavanderman, der wie ein klassischer Superheld aussieht und seine Kraft aus dem Lavendel zieht. Seine Heldentaten sind aber oft zum Scheitern verurteilt. In den Comics von Helena Janečić tritt die lesbische Heldin Horny Dyke auf.

Wer sind die Autorinnen und Autoren?

Den typischen Comicautor oder die typische Autorin gibt es nicht. Einige von ihnen verstehen sich wirklich als alternativ, andere sind ein bisschen kommerzieller ausgerichtet. In der Ausstellung gibt es für jeden Autor und jede Autorin einen kleinen Text, der ihn oder sie vorstellt. Dafür haben wir Interviews mit den Künstlerinnen und Künstlern geführt, um herauszufinden, warum sie Comics zeichnen und wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Uns hat auch interessiert, für wen sie ihre Geschichten erzählen und was sie außer dem Zeichnen von Comics noch machen. Einige illustrieren zum Beispiel Bücher oder machen Street Art. Comics sind oft nur ein kleiner Teil im Werk dieser Menschen.

Diese Künstler und Künstlerinnen werden in ihren Heimatländern bisher nicht besonders hoch angesehen. Dadurch, dass sich eine deutsche Institution aus Berlin für Comics aus der Region interessiert, steigt natürlich die Wertschätzung der Comic-Künstlerinnen und Künstler dort.

Printmedien sind in den letzten Jahren unter Druck geraten. Haben Comics denn überhaupt eine Zukunft?

Ich sehe einen großen potenziellen Anwendungsbereich für Comics. Die Bild-Text Kombination ist eine sehr zugespitzte Art der Informationsvermittlung. Damit kann man Geschichten so intensiv darstellen, wie es mit Fotos gar nicht möglich wäre. Kinder wachsen heute mit dieser Kombination von Bild und Text auf. Sie treffen zum Beispiel im Internet sehr häufig auf solche Darstellungen und sind deswegen an den Stil gewöhnt. Das könnte man für Schulbücher oder Museen nutzen.

Ein Stadtmuseum in Frankreich hat diese Idee vor einiger Zeit aufgenommen und Manga-Künstler aus Japan engagiert, um die Stadtgeschichte in Comicform darzustellen. Ihre Zeichnungen wurden dann neben den normalen Texttafeln aufgestellt. Die Kinder haben das begeistert aufgenommen.

Auch Gebrauchsanleitungen ließen sich mit Hilfe kleiner Comicdarstellungen besser und praxisorientierter gestalten. Vielleicht könnte es auch Flüchtlingskindern helfen, Comics zu zeichnen. Oft fällt es ihnen ja sehr schwer, über das zu sprechen, was sie erlebt haben. Vielleicht ist es für sie leichter, ihre Geschichte zu zeichnen.

Deutschland ist in Sachen Comics bisher allerdings ein Entwicklungsland. Unser Ziel ist es, Comics in Deutschland gesellschaftsfähig zu machen. Ich würde mir wünschen, dass man sie hier irgendwann als ernstzunehmende Literatur- und Kunstform wahrnimmt.

Wie Sie sagten, verbindet man mit Comics eher Länder wie Frankreich, die USA oder Belgien. Warum zeigen Sie gerade Comics aus Südosteuropa?

Comics haben in der Region eine größere und längere Tradition, als in vielen anderen Ländern. Gerade im ehemaligen Jugoslawien gab es schon früh eine sehr ausgeprägte Comic-Kultur. Das hängt auch damit zusammen, dass Tito Comics sehr mochte. Er hat Comics importieren lassen und nicht verboten, wie es in anderen Ländern der Region geschehen ist. Ganze Generationen in Jugoslawien sind deswegen mit ihnen aufgewachsen. In den 80ern ist aus dieser Comictradition dann die alternative Szene entstanden, von der wir jetzt neuere Werke zeigen. In Rumänien und Ungarn bildete sich eine solche Szene erst nach dem politischen Umbruch 1989 aus.

Wir wollten mit der Ausstellung dazu anregen, über Grenzen nach- und hinweg- zu denken. Ein Beispiel dafür ist der Comic ‘Sisyphos verliert seinen Job’, der im fünften Stock der UB hängt. Er ist aus der Kooperation eines serbischen und eines bosnischen Künstlers entstanden. Über diese Zusammenarbeit auf künstlerischer Ebene freuen wir uns besonders.

Auf der Karte der Region, die in der UB zu sehen ist, sind bewusst keine Grenzen eingezeichnet. Neben der symbolischen Bedeutung hatte das aber auch einen praktischen Grund. Wir wollten in allen Ländern der Region ausstellen und die Tournee nicht durch politische Statements gefährden.

An wen richtet sich die Ausstellung?

Wir wollen mit unserer Ausstellung ein möglichst breites Publikum ansprechen, nicht nur das klassische Museumspublikum. Heute Morgen standen zum Beispiel einige Reinigungsfachkräfte vor der Südosteuropa-Karte und haben sich gegenseitig erklärt, woher sie kommen. Das hat mich sehr gefreut. Sie können die Comics ja sogar in ihrer Muttersprache lesen.

Es soll in der Ausstellung nicht ums ehrfurchtsvolle Konsumieren von Kunst gehen. Sie kann die Besucher zu der Erkenntnis bringen, dass jeder durchaus auch seine eigene Geschichte zeichnen kann.

Während der Tournee waren wir deswegen immer bemüht, Workshops anzubieten, um das Publikum in die Ausstellung einzubinden. Unsere Künstler haben zum Beispiel Kindern erklärt, wie man einen Comic schreibt. Die fantastischen Arbeiten, die in diesen Workshops entstanden sind, haben wir teilweise ebenfalls ausgestellt.

Ihr Projekt umfasst noch mehr als die Ausstellung in der Uni-Bibliothek. Was zeigen sie noch an anderen Orten?

In der Galerie des Kommunalen Kinos Freiburg zeigen wir Stühle, die von den Comic-Künstlern bemalt wurden. Außerdem werden dort Animationsfilme gezeigt, die ebenfalls von den Künstlern stammen, deren Comics auch in der UB zu sehen sind.

Wer Lust hat, nicht nur einzelne Kurz-Comics anzuschauen und stattdessen lieber in einem richtigen Comicband schmökern will, kann das im Institut für Medienkulturwissenschaft tun. Dort ist eine Bücherbox mit Comics aufgestellt.

Info

Die Ausstellung comiXconnection ist noch bis zum 9. März 2017 in der UB zu sehen.

Mehr Infos zur Ausstellung auf uniCROSS: (Nicht) Nur für Comic-Fans

Weitere Infos findet ihr unter www.comixconnection.eu/freiburg

Smposium am 20.2.2017

Beim Symposium diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Künstlerinnen und Künstler über Ästhetik, Ökonomie, Politik und aktuelle Entwicklungen in der Comicszene über nationale, kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg.

Was: Symposium
Wann: 20.2.2017, 9 Uhr bis 21.2.2017, 18 Uhr
Wo: UB
Wer: Die Veranstaltung richtet sich an alle Interessierten. Der Eintritt ist kostenlos. Die Vortragssprache ist Englisch.
Anmelden: Eine Anmeldung per E-Mail an Helga Goehring-Schneider ist erforderlich.
Programm: Hier gehts zum Programm

Foto: Porträt Beate Wild: © Velid Agović, Sarajevo 2015
Veröffentlicht am 1. Februar 2017

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