Grünkohlfahrt mit Pinkel und Kassler

Grünkohlfahrt mit Pinkel und Kassler

Das Grünkohlessen und die damit verbundene Kohlfahrt sind in Norddeutschland ein beliebter Brauch. Katja erklärt, woher die Kohlfahrt ursprünglich kommt, was sie überhaupt ist und was man benötigt, um eine Kohlfahrt zu starten.

Katja studiert Frankomedia im 4. Semester.

Katja, du kommst aus dem Ammerland, in der Nähe von Oldenburg, und Kohlfahrten gehören im Winter bei euch zur Tradition. Was ist denn eine Kohlfahrt?

Bei uns in Norddeutschland ist es Brauch, dass man, sobald der erste Frost da war, mit einem Bollerwagen loszieht. Genauer gesagt: Zwischen November und Ende Februar bis März. Die Grünkohlzeit geht bis Gründonnerstag, deshalb heißt der Tag auch so. Unterwegs werden Spiele gespielt und Glühwein oder das bei uns sehr traditionelle Korn getrunken, um sich bei den kalten Temperaturen aufzuwärmen. Am Ende der Tour kehrt man in ein Gasthaus oder Restaurant ein. Dort isst man dann seinen Grünkohl meistens mit Salz- oder Bratkartoffeln, Kassler und Pinkel. Pinkel ist eine grobe Wurst und Kassler ist Fleisch, das sehr rosa und zart ist. Der Kohl wird oft sehr fettig zubereitet und saugt den Alkohol dadurch gut auf, weshalb es das perfekte Essen nach so einer Kohlfahrt ist. Der Höhepunkt der Kohlfahrt ist die Wahl des Königspaars. Früher wurde das Königspaar so gewählt, dass alle vor der Kohlfahrt und nach der Fahrt gewogen wurden. Der und die, die dann am schwersten waren, also demnach am meisten gegessen hatten, wurden dann zum Kohlkönig beziehungsweise zur Kohlkönigin ernannt.

Jetzt wählen wir das Königspaar durch unterschiedliche Spiele. Wir machen das zum Beispiel am Ende der Kohlfahrt mit einer Schraube und einer Mutter. Jeder fasst in einen Topf und zieht entweder eine Mutter oder eine Schraube. Danach läuft man durch den Raum und muss das passende Gegenstück für seinen gezogenen Gegenstand finden. Da nur eine Mutter und eine Schraube richtig zusammenpassen, sind diese beiden dann der Kohlkönig und die Kohlkönigin. Das Königspaar muss im nächsten Jahr die Kohlfahrt organisieren.

Auf eurer Tour wird Sport gemacht und Spiele gespielt, bei denen Kugeln gerollt, Makkaroni in Spaghetti eingefädelt und viele Marshmallows gegessen werden.

Ein bei uns besonderer und traditioneller Sport ist das Boßeln. Wichtig ist hier die Boßelkugel. Die Kugel wiegt etwa 800 Gramm und ist aus Gummi oder Eisen. Das Spiel funktioniert wie folgt: Es gibt zwei Teams. Einer aus der Mannschaft versucht, die Kugel so weit wie möglich auf der Landstraße zu rollen. Dort, wo die Kugel liegenbleibt, ist dann der nächste aus der Gruppe dran. Die Gruppe, die die Kugel als erstes durchs Ziel gerollt hat, hat gewonnen. Das Spiel bietet sich bei uns total an, da die Landschaft ziemlich flach ist. Manche Straßen verlaufen mehrere Kilometer lang ohne eine einzige Kurve. In der Region Freiburg wird das Spiel jedoch eher schwierig zu spielen sein, da es nur wenig Straßen gibt, die lange genug nur geradeaus gehen.

Was auch immer witzig ist, ist das Boßelkugel-Suchen. Denn die Kugeln landen beim Boßeln oft in Gräben oder Büschen und müssen dann wieder gefunden werden.

Ein weiteres Spiel ist „Makkaroni und Spaghetti“. Man steht sich hierbei in zwei Reihen gegenüber. Die auf der einen Seite haben die Makkaroni und die auf der anderen haben die Spaghetti im Mund. Auf los müssen die Gegenüberstehenden versuchen, die Makkaroni in die Spaghetti einzufädeln.

Es gibt auch ein Spiel mit Marshmallows. Einer in der Gruppe muss so viele Marshmallows wie möglich in den Mund nehmen. Ein Anderer flüstert diesem ein Lied ins Ohr. Der mit den Süßigkeiten im Mund muss dann versuchen, das eben vorgesummte Lied der Gruppe vorzusingen und die muss es dann erraten. Nicht leicht, wenn man bedenkt, was für eine Konsistenz die Marshmallows haben.

Was benötigt man, um eine Kohlfahrt zu machen?

Es sollten schon mindestens zehn Leute sein. Man braucht einen Bollerwagen und etwas zu Trinken. Außerdem benötigt man ein Restaurant für das Grünkohlessen und ganz wichtig: Jemanden der die Kohlfahrt organisiert, denn das ist viel Arbeit. Man muss Geld sammeln, den Saal oder Tisch in der Gaststätte buchen, die Getränke einkaufen, sich eine geeignete Strecke für die Tour überlegen und die Spiele planen. Wenn das dann jedes Jahr dieselben machen müssten, dann gäbe es, glaube ich, nicht so viele Kohlfahrten – einfach weil es zu viel Aufwand ist.

Und natürlich benötigt man den Grünkohl, denn ohne ihn gibt es keine Kohlfahrt. In der Zeit zwischen November und März bietet jedes Restaurant und jedes größere Lokal bei uns in Norddeutschland Grünkohlessen an – und das mindestens ein Mal in der Woche. Allerdings muss man sich vorher bei dem Restaurant anmelden. Oft ist es total schwer noch einen freien Platz mit einer größeren Gruppe zu bekommen.

In Freiburg gestaltet sich das etwas schwieriger, weil die Restaurants kein traditionelles Grünkohlessen anbieten. Aus diesem Grund habe ich für meine letzte Kohlfahrt in Freiburg den Grünkohl importieren lassen. Den lasse ich mir dann fertig von meiner Mutter aus dem Ammerland schicken und muss ihn dann nur noch warm machen. Es ist relativ zeitaufwändig, den Grünkohl zuzubereiten, weshalb ich es selbst noch nie gemacht habe. Der Kohl muss lange kochen und am Ende wird er bestimmt trotzdem nicht so schmecken wie bei Oma.

Katja findet es schwierig, den Grünkohl selbst zuzubereiten. Aus diesem Grund schickt ihre Mutter ihr diesen aus Norddeutschland bereits fertig gekocht.

Woher kommt dieser Brauch?

Die Kohlfahrt entstand im Oldenburger Raum im 19. Jahrhundert. Damals fuhren wohlhabende Kaufleute in ihren Pferdekutschen von der Stadt aufs Land, um dort den Grünkohl zu essen.

Heute wird der Brauch hauptsächlich noch bei uns im Oldenburger Raum praktiziert. Dort wird die Kohlfahrt zum Beispiel von Vereinen, einem ganzen Dorf oder von einzelnen Personengruppen gemacht. Bei der größten Kohlfahrt, bei der ich bisher dabei war, waren wir 100 Leute. In Hannover kennt man die Kohlfahrt oft überhaupt nicht mehr. In Bremen meistens noch, aber außerhalb Bremens auch schon nicht mehr. Mir fällt aber auf, dass der Brauch auch nach außen getragen wird. Ich bringe ihn jetzt auch nach Freiburg.

Was verbindest du mit der Kohlfahrt?

Wenn es in Freiburg regnet, dann kommt bei mir zwar auch schon ein Heimatgefühl auf, aber als meine Freunde und ich letztes Jahr hier in Freiburg eine Kohlfahrt gemacht haben, war das für mich wie ein Stück Zuhause.

Wie isst du deinen Grünkohl am liebsten?

Meinen Grünkohl esse ich am liebsten mit wirklich nur dem Grünkohl. Mein Motto ist: So einfach wie möglich, ohne viel Schnickschnack.

Idee?

Ihr kennt auch einen Brauch, den ihr gerne auf uniCROSS vorstellen möchtet? Meldet euch bei uns unter redaktion-unicross@ub.uni-freiburg.de

Foto Katja Hackmann: Jasmin Bergmann
Foto Verpackung Grünkohl: Privat / Katja Hackmann
Veröffentlicht am 7. März 2017

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