Von bittersüßer Nostalgie und Freundschaft

Von bittersüßer Nostalgie und Freundschaft

Ob über Weihnachten, Fastnacht oder die bevorstehenden Feiertage, es zieht uns und unsere Freunde doch immer wieder zurück in die Heimat, wo sich endlich alle wieder vereint in die Arme fallen. Doch was, wenn wir stattdessen auf dem Boden der Tatsachen landen, der gesäumt ist von staubbedeckten Freundschaftsbekundungen während uns nostalgische Erinnerungen in der Nase kitzeln und wir uns fragen „Was hat es eigentlich mit Freundschaft auf sich?“

„Willst du meine Freundin sein, für immer?“ Ein zuckersüßer Satz herzzerreißender Liebesbekundung, den man so vermutlich schon kurz nach der Einschulung nicht mehr gehört hat. Diese ewige Freundschaft hielt meist allerdings nur so lange, bis das Gegenüber mal wieder über die Stränge geschlagen hatte. Darauf folgte in der Welt unserer vor komplizierten Beziehungen nur so florierenden Kindheit nämlich meist ein rotziges und vor Empörung strotzendes: „Ich bin nicht mehr deine Freundin!“ Schließlich hatte man in präfacebookschen Zeiten, was freundschaftliche Beziehungen angeht, nur begrenzte Kapazitäten.

Heute fragen wir, mal abgesehen von der über Anerkennung oder lebenslange Schmach entscheidenden Freundschaftsanfrage bei Facebook, nicht mehr, ob jemand Freund oder Freundin sein möchte – man lernt sich kennen, mag sich oder mag sich nicht, trifft sich wieder oder versucht dies zu vermeiden.

Zwischen Buddy und Nobody

Doch wie so oft im Leben wird diese schwarz-oder-weiß-, ja-oder-nein-, Freund-oder-nicht-Freund-Betrachtung der Realität nicht gerecht. Erst vor kurzem habe ich mich in einem Anfall nostalgischer Rückbesinnung gepaart mit einem Hauch kritischer Selbstreflexion auf eine Reise unter die Staubschichten analoger Schrank- und digitaler Festplattenleichen begeben. Ich fand mich umringt von Menschen wieder, die mich einst in den noch so verworrenen und verrückten Jahren meiner Kindheit und Jugend begleitet haben – es heute jedoch nicht mehr über die Freundesliste bei Facebook hinaus schaffen.

Menschen, denen man einst so nah war, mit denen man nicht nur das Pausenbrot, sondern auch ernsthafte Probleme und unglaubliche Erlebnisse geteilt hatte. Hängen diese Menschen, Kulissen und Erinnerungen vergangener Tage heute allerdings in großer Distanz zum aktuellen Geschehen, möglicherweise ähnlichen Gedanken nach? Zumindest ist es das, was man sich fragt, wenn man sie in einem ungewissen Schwebezustand dümpelnd zwischen flashbackartigen Erinnerungsfetzen mit einem kurzen Nicken und angedeuteten Lächeln aus weiter Entfernung grüßt – stets darauf bedacht, ein angemessenes Maß an Zuneigung zu zeigen. Was würde allerdings passieren, wenn man jetzt dieses angemessene Maß nur für einen winzig kleinen Moment überschreiten würde? Entsprächen diese Personen noch heute den einst schockgefrosteten Bildern, die wir in unserer Erinnerung immer wieder auftauen? Verdanken wir ihnen, dass wir heute sind wie wir sind?

Vom Vagabundieren und Bleiben

Von stetiger Rastlosigkeit und einem ständig wechselnden Umfeld getrieben, vagabundiere ich Zeit meines Lebens von einem Freundeskreis zum nächsten und erwische ich mich dabei, wie ich heute, umhüllt von bittersüßer Nostalgie die überpathetischen Ständchen zu ewiger Freundschaft von populären Popmusikern in Frage stelle.

„Man entwickelt sich eben weiter“, ist die Antwort der Meisten auf die Frage, warum einstige gute Freundschaften irgendwann auf ein „man kennt sich eben“ zurückgestuft werden. Doch vermutlich würden wir es trotz des Kommunikationszeitalters in dem wir leben, heute eh nicht mehr schaffen, auch nur einem Bruchteil dieser ehemaligen Freundschaften gerecht zu werden. Lediglich ein paar von ihnen haben es geschafft sich im Laufe der Zeit einen der streng rationierten Plätze, die wir in der Kindheit zwar häufig leichtfertig aber stets auf ihre Limitation bedacht vergeben haben, zu sichern.

Eingehüllt in dieses Gefühl der bittersüßen Nostalgie, von dem ich feststellen muss, dass mich mit ihm eine ähnliche Hassliebe verbindet wie mit der Vorfreude, das sich in diesem Moment mit Ungewissheit und einer Essenz von Traurigkeit paart, blicke ich in die Runde derjenigen, die heute das sind was andere früher einmal waren und frage mich: „Wer wird bleiben und wann ist es Zeit, weiterzuziehen?“

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und tut dies in ihrer Kolumne “Mein Senf” kund.

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und schreibt in ihrer Kolumne “Mein Senf” darüber.

 

 

 

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Foto: Samantha Happ
Autoren:
Veröffentlicht am 10. März 2017

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