Wie gut kennst du dein Gehirn?

Wie gut kennst du dein Gehirn?

In der UB findet vom 13. bis zum 15. März 2017 eine interaktive Ausstellung im Rahmen der weltweiten Aktionswoche „Brain Awareness-Week“ zum aktuellen Stand der Hirnforschung statt. uniCROSS hat mit Levin Sottru vom Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools über großformatige Kunstexponate, Cyborgs und neurologische Erkrankungen gesprochen.

Im Rahmen der interaktiven Ausstellung „Schaukasten Neurowissenschaft Freiburg“ mit insgesamt 17 Exponaten möchte das Bernstein-Center der Uni Freiburg zusammen mit dem Exzellenzcluster BrainLinks-Brain Tools Interessierten einen Einblick in den aktuellen Stand der Hirnforschung geben. Die beiden Einrichtungen beschäftigen sich mit der Erforschung von neuen Therapiemöglichkeiten bei neurologischen Krankheiten wie Epilepsie und Demenz.

Levin, du bist Zuständiger für die Wissenschaftskommunikation und organisierst die Ausstellung mit. Was genau erwartet die Besucherinnen und Besucher?

BrainLinks-BrainTools und das Bernstein Center sehen Freiburg als neurowissenschaftlich fest etablierten Standort an, der dem öffentlichen Publikum bei dieser „Brain-Awareness-Week“ etwas bieten möchte und einmal aus seinem Schneckenhaus hervorkommt. In der öffentlichen Debatte um Hirnforschung kursieren allgemein zwei extreme Meinungen. Die einen sagen, das Gehirn wird immer noch viel zu wenig verstanden, man kann zum Beispiel Krankheiten wie Demenz und Epilepsie noch nicht heilen. Auf der anderen Seite sagen einige, die Hirnforschung versucht uns zu Übermenschen zu machen. Sei es mit Medikamenten oder neurotechnologischen Gerätschaften, wie es bei BrainLinks-Brain Tools gemacht wird.

Bei unserer Ausstellung wollen wir daher zeigen: Was ist wirklich möglich? Was kann die Hirnforschung zum heutigen Zeitpunkt? Die einzelnen Arbeitsgruppen versuchen, die verschiedenen Themenbereiche anschaulich darzustellen und dies an den einzelnen Stationen zu zeigen. Die Stationen sind teilweise interaktiv, man kann also selber Hand anlegen.

Nach demselben Schema funktioniert auch die Kunstaustellung, bei der großformatige Ausschnitte, meist aus dem Mikroskop, zu sehen sind, die häufig Zellnetzwerke darstellen und sich zugleich auch als Kunstwerke interpretieren lassen.

Was genau kann man sich unter interaktiven Stationen vorstellen?

In erster Linie geht es um ein Kennenlernen des Gehirns. Für Kinder sind es zum Beispiel triviale Aufgaben, wie ein Gehirn aus Knetmasse zu formen und sich so mit der Struktur des Gehirns zu beschäftigen. Das ganze passiert natürlich unter Anleitung, die auch beinhaltet, den Kindern zu erklären, für was das Gehirn eigentlich zuständig ist im Körper.

Am Mittwoch lassen wir die Besucher und Besucherinnen an einer Station auch etwas mit Gedankenkraft schreiben. Dabei geht es darum, wirklich nur durch die gedankliche Konzentration Buchstaben auf Bildschirmen zu schreiben. Das Verfahren wird von einer unserer Arbeitsgruppen genutzt, um Schlaganfallspatienten, bei denen der Sprachapparat gestört ist, die Rehabilitation zu erleichtern.

Die Veranstaltung richtet sich nicht in erster Linie an Wissenschaftler. Welches Publikum möchte diese Ausstellung besonders ansprechen?

Wir rechnen natürlich erst einmal mit der Laufkundschaft innerhalb der UB, also mit Studierenden. Wir haben aber auch ganz gezielt verschiedene Schulen angesprochen, von denen sich auch einige Schulkassen schon fest angemeldet haben. Die Klassenstufen sind hierbei ganz gemischt, sowohl fünfte bis neunte Klassen der Gymnasien als auch Oberstufenklassen haben sich angemeldet.

Gibt es für die Schülerinnen und Schüler extra Programme?

Am Montag ab 12 Uhr können jüngere Besucher den Ausstellungsparcours erkunden und erhalten nach Abschluss aller Stationen Preise. Für die Schulen haben wir außerdem sogenannte Wissenschaftspaten engagiert. Das sind Projektleiter aus dem Bernstein Center und BrainLinks-Brain Tools, die sich bereit erklärt haben, für ein Expertengespräch zur Verfügung zu stehen. Das heißt also, dass die Klassen zu einem bestimmten Thema Fragen vorbereiten und diese in den Expertengesprächen ausführlich besprechen können.

Das heißt, diese Ausstellung ist auch wirklich für Nicht-Wissenschaftler verständlich?

Auf jeden Fall! Es geht darum, die Hirnforschung für ein Laienpublikum verständlich darzustellen und sie auch für diese Thematik zu sensibilisieren. Es geht eben nicht um die bloße Faktenvermittlung, sondern auch darum, dass Erwartungen klargestellt und möglicherweise korrigiert werden. Die meisten Menschen kommen mit diesen Themen durch persönliche Schicksalsschläge in Kontakt, wenn zum Beispiel die Oma einen Schlaganfall hatte und der Opa an Demenz erkrankte. Zurück bleibt hier häufig nur das Gefühl der Hilflosigkeit und der Hoffnungslosigkeit.

Wir wollen auch versuchen, dieses Misstrauen zu überwinden. Unser Ziel ist es, dass unsere Forschungsarbeit durch diese Ausstellung mehr an Transparenz gewinnt. Es sollen aber auch keine falschen Hoffnungen geweckt werden. Es soll keiner die Ausstellung verlassen und denken, er sei unsterblich.

Beschäftigt man sich etwas intensiver mit dem Exzellenzcluster BrainLinks-Brain Tools, das die Entwicklung von Medizintechnik, die direkt mit dem Nervensystem interagiert, zum Ziel hat, stellt man schnell fest, dass die Thematik sehr komplex ist. Wie ist der aktuelle Wissensstand auf dem Gebiet der Hirnforschung – können Krankheiten wie Epilepsie und Parkinson schon in absehbarer Zukunft heilbar sein?

BrainLinks arbeitet vor allem an der Forschung von technischen Geräten und nicht an pharmakologischen Möglichkeiten, diese Krankheiten zu behandeln. Gerade im Bereich Parkinson und Epilepsie gibt es zum Beispiel Möglichkeiten, durch sogenannte „closed loop-Stimulationen“, bei denen wirklich etwas unter die Schädeldecke eingesetzt wird, anzusetzen. Es werden beispielsweise Daten ausgelesen über die epileptischen Zentren, um einen bevorstehenden Anfall zu erkennen. Gleichzeitig können diese Areale durch leichte Elektrostimulationen beeinflusst werden. Letztendlich ist diese Art der Behandlung bis jetzt lediglich die Unterdrückung von Symptomen. Durch die Gewinnung von den Daten können wir aber zudem herausfinden, welche Therapiemöglichkeiten bei jedem Menschen individuell sinnvoll sind.

Die Idee hinter der Arbeit von BrainLinks-Brain Tools ist das Zusammenbringen der verschiedenen Bereiche, die bei der Erforschung von neuen Therapiemöglichkeiten bei Gehirnerkrankungen mitwirken können. Neuartige Therapiemethoden wie die Stimulierung mittels Elektroden benötigen Expertise aus den verschiedensten Bereichen: Ingenieurwissenschaften und Medizin, um nur einmal die zwei wichtigsten Fächer zu nennen.

Dass man etwas ins Gehirn implantiert, klingt fast wie aus einem Science-Fiction-Film, der auf einmal Realität wird.

Das Thema „Cyborg“, also der „cybernetic organism“, ein Mischwesen aus menschlichem Organismus und Maschine, steht bei BrainLinks-BrainTools häufig zur Diskussion, gerade weil es ein paar Forscher bei uns gibt, die sich auf Elektroden und Sonden spezialisiert haben, die möglichst lange unter der Haut bleiben sollen.

Der Cyborg wird bei uns vielfach diskutiert, aber nur von einer philosophischen Arbeitsgruppe tiefergehend erforscht. Sie beschäftigen sich beispielsweise mit Fragestellungen wie: Was wäre, wenn der Mensch einen dritten Arm implantiert hätte, der auch verbunden ist mit den Nerven und mit dem Gehirn? Was würde das für unsere Körperwahrnehmung und unser Selbstverständnis bedeuten?

Theoretisch scheint alles irgendwann möglich zu sein, allerdings ist das größte Hindernis immer der menschliche Körper selbst. So werden viele Materialien von ihm einfach als fremd erkannt und abgestoßen. Das ist dann kein Science Fiction mehr, sondern eine handfeste Entzündung!

Um also nochmal auf die Science-Fiction-Filme zurückzukommen: Glaubst du, dass es irgendwann möglich ist, dass Technik den Menschen beherrschen kann?

Ich halte es auf jeden Fall für möglich. Ich bin zwar kein Fachmann, weiß aber zumindest so viel: Es hat immer etwas damit zu tun, wie viel Spielraum man den Maschinen lässt beziehungsweise wo man die Grenze zieht. Bei der künstlichen Intelligenz zum Beispiel ist die Frage, welche Lernparameter man vorgibt und auf welche Daten die Maschine zugreifen kann. Es gibt auch Wissenschaftler, die die Meinung vertreten, dass Maschinen auch bei weit gefassten Lernmöglichkeiten und großen Datenmengen immer nur im Dienst der Menschen handeln werden – solange man ihnen keinen Überlebenswillen, wie der Mensch ihn hat, einbaut. Letztlich also auch eine philosophische Frage, wie ich finde.

Für viele wirkt die Hirnforschung fremd und abstrakt. Ist nicht genau das das Problem, weshalb es für viele so angsteinflößend wirkt?

Auf eine Art ist der Fortschritt, von dem ich gerade erzählt habe, schon längst da. Nimm einmal dein Handy oder mach den Computer an. Alltägliche Funktionen wie Suchmaschinen, Sprach- oder Bilderkennung basieren heute allesamt auf künstlichen neuronale Netzen, dem sogenannten Deep Learning. Damit setzen sich Informatiker, aber auch viele Hirnforscher auseinander.

Die Ausstellung soll die Berührungsängste, die viele Menschen in Bezug auf die Hirnforschung haben, mindern und gleichzeitig ein reales Bild von dem vermitteln, was erreicht werden kann.

Warum sollte man diese Ausstellung außerdem unbedingt besuchen?

Willst du wissen, was in dir vorgeht? Kennst du dein Gehirn wirklich? Finde es heraus in Interaktion und anhand von interessanten Experimenten und Gesprächspartnern!

Info

Was: Ausstellung „Schaukasten Neurowissenschaft Freiburg”
Wann: 13. – 15. März 2017
Wo: UB Freiburg
Wer: Die Veranstaltung richtet sich an alle Interessierten.
Eintritt frei, Anmeldung nicht erforderlich
Das Programm gibts hier als pdf

Veranstaltung: Am Mittwoch, 15.3.2017, findet im Veranstaltungssaal der UB das Café Scientifique #10 “Reha mit Hirnwellen? Einsatz von Neurotechnologie beim Training von Schlaganfallpatienten” statt. Das Café Scientifique ist eine Veranstaltungsreihe des Exzellenzclusters BrainLinks-BrainTools und des Bernstein Center Freiburg, das regelmäßig Wissenschaft in ungewöhnlichen Zusammenhängen präsentiert.

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Foto: Flyer Veranstalter

Veröffentlicht am 13. März 2017

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