Album der Woche: Father John Misty – Pure Comedy

Album der Woche: Father John Misty – Pure Comedy

Josh Tillman, alias Father John Misty, weiß, wie man Aufmerksamkeit erzeugt. In seiner, zuvor bei einem Saturday Night Live Auftritt der breiten Öffentlichkeit präsentierten Single “Total Entertainment Forever” besingt er direkt in der ersten Zeile Virtual-Reality-Sex mit Taylor Swift – dass es sich dabei um Kritik am entgleisten und geschmacklosen Konsumverhalten handelt: geschenkt. Aufmerksamkeit war ihm sicher. Das Albumcover gibt es als blinkendes GIF und Tillman, ehemalig Schlagzeuger der Fleet Foxes, schuf gleich einen 25-minütigen Film zum Album.

In Deutschland trat er im Neo Magazin Royale auf und bediente damit genau jenes Publikum, über das er sich gerne auch wenig dezent in seinen Texten beschwert: Weiße Akademiker. Das macht auch Jan Böhmermann gerne. Die beiden verbindet noch mehr: Sie bewegen sich in Medien, deren Mechanismen sie kritisieren, Teil dessen sie aber dennoch sind. Ironie ist ihr wichtigstes Werkzeug und beide haben den Hang zur großen Geste: bei Father John Misty äußert sich das in seiner Musik. Viel Pathos, Grand Piano, Streicher, Chöre. Bombastische Popsongs, sorgfältig arrangiert und liebevoll eingespielt.

Seine Texte stehen im krassen Gegensatz zu der fast schon kitschigen Musik. Misty besingt dystopisch anmutende Zustände der Gesellschaft, kritisiert die Oberflächlichkeit der Musikbranche und der Menschen allgemein und unkt, dass sich das menschliche Experiment dem Ende zuneige. Wütend reagiert er so auf den Gleichmut der Menschen, die sich von der Industrie mit Bedeutungslosigkeit und Pop füttern und von den Krisen der Welt ablenken lassen, indem er genau das liefert: Lupenreine Popsongs und das totale Entertainment durch eine Kunstfigur, bei der man nie weiß, wie ernst man sie in all ihrem Zynismus nehmen kann.

Es mutet beinahe dadaistisch an, wenn er im Album angehängten Essay und seinen Interviews davon spricht, dass die Menschheit von Bären aufgefressen werden wird. Mit Unsinn kritisiert er die Zustände, die Gesellschaft, das individualistische System des weißen, kapitalistischen Amerikas, das er verachtet. Tillman scheint es nicht nur darum zu gehen, Aufmerksamkeit um der Aufmerksamkeit Willen zu generieren. Bei all dem gelangweiltem Gehabe in Interviews, der Ironie, all dem Bombast und der Schaffung seiner Kunstfigur, steht dahinter durchaus dezidierte und tief empfundene Kritik an den gegenwärtigen Zuständen.

von Marie-Nella Hoffmann

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Mehr zur Platte erfahrt ihr am Dienstag, 04.04.2017, ab 19 Uhr im Soundcheck Magazin

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Veröffentlicht am 4. April 2017

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