Wenn der Inspektor kommt

Am Wochenende eröffnet die studentische Theatergruppe Arts Liberated mit ihrem Stück „An Inspector Calls“ nach J.B. Priestley den Theatersommer. Das neu gegründete Ensemble feiert mit diesem Projekt auch sein eigenes Debüt. Im Gespräch erzählt Regisseurin Laura von der nicht immer einfachen Probezeit und verrät, warum man das Stück auf keinen Fall verpassen darf. Gezeigt wird das Stück am 20. und 21.5.2017.

Laura, du studierst Liberal Arts and Sciences, kurz LAS, an der Uni Freiburg und führst dieses Semester gemeinsam mit einer Kommilitonin Regie bei Arts Liberated. Hast du vorher schon Erfahrungen mit Theaterarbeit gesammelt?

Meine Kommilitonin Sabine und ich sind Regisseurinnen. Darüber hinaus haben wir noch Lukas mit im Team, der als Produzent tätig ist. Ich habe schon am Gymnasium Theater gemacht. Auch in der Schule wurden wir nicht angeleitet, sondern hatten einfach einen Raum, den wir nutzen konnten. Ich habe dort einmal als Schauspielerin mitgewirkt und zweimal selbst Regie geführt.

Eure Gruppe gibt es erst seit letztem Jahr und ihr plant mit Arts Liberated nicht nur Theater zu machen.

Die Gruppe gibt es seit Mitte letzten Jahres, angefangen zu arbeiten haben wir allerdings erst im Wintersemester. Der Name der Gruppe, Arts Liberated, kommt daher, dass wir an den Studiengang LAS geknüpft sind. Da in diesem Studiengang viele Leute sind, die ein kreatives Talent haben, das sie gern zum Ausdruck bringen würden, wollen wir mit Arts Liberated einen Raum schaffen, in dem genau das möglich wird. Daher beschränken wir uns auch nicht aufs Theater, sondern wollen auch andere Projekte, wie Filme, Poetry Slams oder Kunstaustellungen realisieren.

Du hast ja schon gesagt, dass ihr mit dem Studiengang LAS verknüpft seid. Ist eure Gruppe dennoch offen für alle oder muss man an eurem Institut studieren, um mitzumachen?

Für unsere erste Produktion waren wir noch geschlossen. Das heißt, dass bei diesem Projekt auch nur LAS Studentinnen und Studenten mitarbeiten. Für unsere nächsten Projekte wollen wir durch offene Castings die Gruppe auch für Studierende aus anderen Fachbereichen zugänglich machen.

Wie lange habt ihr denn insgesamt an eurem jetzigen Stück geprobt?

Die Idee für unser Stück hatten wir schon vor dem letzten Sommer. Nach den Sommersemesterferien haben wir dann angefangen zu casten und Schauspieler zu suchen. Effektiv haben wir aber erst im Dezember mit den Proben begonnen und es wurde Januar bis wir intensiv am Stück arbeiten konnten. Wir hatten leider noch ziemlich lange keinen festen Probenraum, weshalb die Proben auf der Bühne erst nach den letzten Semesterferien starten konnten.

Was war das größte Hindernis, mit dem ihr in der Probenzeit zu kämpfen hattet?

Am Anfang hatten wir durch die Statik des Stücks und den Umstand, dass alle Leute sich aus dem Studiengang kannten, ein Problem damit, auf eine körperliche Ebene zu kommen und die sozialen Interaktionen, die die jeweiligen Rollen einem abverlangen, authentisch rüberzubringen. Das war wirklich schwierig. Wenn man sich gegenseitig gut kennt, ist es oft nicht so einfach ganz loszulassen und komplett in die Rolle einzutauchen. Das war auf jeden Fall eine Herausforderung, die wir inzwischen aber gemeistert haben. Vor allem durch aktive Gruppenbildungsübungen konnten wir diesem Problem gut entgegenwirken und durch die intensiven Proben ist die Gruppe inzwischen sehr eng zusammengewachsen.

Ihr seid eine englischsprachige Theatergruppe. War die Sprache für manche eine große Hürde?

Dadurch, dass wir alle auch auf Englisch studieren, haben wir schon ein wenig Übung. Daher war die Sprache kein wirkliches Problem. Wir haben einen Muttersprachler in der Gruppe und viele weitere, die längere Zeit im Ausland verbracht haben und dadurch sehr gutes Englisch sprechen. Durch die englische Sprache wollen wir unsere Gruppe offener und zugänglicher für internationale Studierende machen. Die zweite Regisseurin, Sabine, beispielsweise kommt aus Lettland und spricht gar kein Deutsch.

Am Samstag, 20.05.2017, feiert ihr mit eurem Stück „An Inspector Calls“ nach J.B. Priestley Premiere. Worum geht es?

Das Stück beginnt mit einer Familie, die Verlobung feiert. Als sie gerade glücklich am Tisch sitzen, klingelt es plötzlich an der Tür und ein Inspektor betritt die Bühne. Dieser bringt die Neuigkeit, dass ein Mädchen Suizid begangen hat. Er hofft bei der Familie Hinweise zur Klärung des Falls zu finden.

Warum habt ihr dieses Stück ausgewählt?

Wir haben dieses Stück gewählt, weil es sich intensiv mit sozialen Ungleichheiten auseinandersetzt. Außerdem wirft es die spannende Frage auf, welche Auswirkungen unsere Handlungen teilweise auch unbewusst auf andere haben können. Das ist auf jeden Fall ein Aspekt, der uns sehr wichtig ist.

Dass auch unbewusste beziehungsweise unbedachte Handlungen große Effekte bei unseren Mitmenschen erzielen können ist uns oft nicht bewusst. Wir arbeiten viel mit Musik und Licht, um diese Erinnerungen und Handlungen klar ersichtlich werden zu lassen.

Das Stück wurde in den 1940er Jahren, nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben. Ist eure Inszenierung eine moderne Neufassung oder seid ihr nah am Original?

Ich denke unsere Inszenierung bietet gewissermaßen eine Mischung. Beim Lesen haben wir gemerkt, dass einige Sachen nicht aus ihrer Zeit zu lösen sind, wie beispielsweise der vorhandene Sexismus oder der Rittertitel, den eine der Figuren verliehen bekommt. Aber wir haben schon versucht, das Stück zu modernisieren, indem wir einige Passagen umgeschrieben und die Sprache angepasst haben. So wollen wir es aus dem rein britischen Kontext lösen und es damit raum- und zeitloser machen.

Wie geht ihr mit dem von dir angesprochenen Sexismus um?

Unsere Herangehensweise war, den Sexismus teilweise sogar zu übertreiben, damit er noch klarer ins Auge sticht. Durch diese Herausstellung wird deutlich, dass so etwas heute nicht mehr so geschrieben werden könnte und wir uns auch davon distanzieren. Außerdem haben wir versucht, die Geschlechterrollen im Stück teilweise zu vertauschen, um zu zeigen, dass sie keine Rolle spielen.

Inszeniert ihr das Stück eher komödiantisch oder tragisch? Der Stoff gibt ja beides her …

Das ist schwer einzuschätzen. Bei unserer letzten Probe ist es gegen Ende noch sehr lustig geworden. Wahrscheinlich liegt das an der Familie, die zu Anfang noch in Harmonie schwelgt, dann aber beginnt sich im Verlauf des Stücks regelrecht zu zerfetzen. Aber ich glaube schon, dass wir vor allem die Tragik des Ganzen darstellen wollen.

Das Komödiantische ist für uns eher ein Mittel zum Zweck, das aufzeigt, wie lächerlich einige der Figuren sich machen, weil sie ihre Verantwortung nicht auf sich laden wollen. Man könnte fast sagen, dass wir das Stück als eine Tragikomödie inszenieren. Das Witzige und Komödiantische nutzen wir aber auch, damit die Schauspielerinnen und Schauspieler eine gewisse Distanz zum Dargestellten einnehmen können. Es bietet eine Art von Selbstschutz, der verhindert, dass das Publikum und wir zu weit in die Handlung hineingezogen und am Ende zu sehr mitgenommen werden.

Kannst du ein bisschen über eure Überlegungen zu Bühnenbild und Kostüm sprechen?

Ich will noch nicht verraten, wie genau die Kostüme aussehen. Aber wir haben uns schon bewusst etwas dabei gedacht und ich glaube, dass die Leute, die unser Poster gesehen haben, überrascht sein werden, wenn sie die tatsächlichen Kostüme sehen. Da gibt es nämlich schon eine Veränderung. Auch unser Bühnenbild könnte erstaunen, denn es ist nicht das, was man als Wohnzimmer einer sehr bourgeoisen Familie erwarten würde. Es ist ja ein Kammerspiel, das komplett in einem einzigen Raum spielt. Und da könnte man zunächst an ein sehr ansehnliches Speisezimmer denken … Da wird es auf jeden Fall einige Überraschungen geben. Das Bühnenbild wird am Ende des Stücks aber auf jeden Fall nicht mehr so aussehen wie zu Beginn.

Auf eurer Facebook-Seite findet man den Satz „The Arts Liberated committee is dedicated to pushing academic boundaries through artistic creation.” Was steckt dahinter?

Unsere Gruppe wird im Moment von dem Qualitätssicherungsgeld des Studiengangs LAS mitfinanziert. Gerade deswegen geht uns auch darum, gewisse Dinge, die wir im Studium lernen, auch praktisch-kreativ auszudrücken. Kritisches Denken und die Lösung komplexer Probleme sind definitiv zentrale Elemente unseres Studiengangs.

Wir suchen also nach praktischen Anwendungsmöglichkeiten, um unsere Gedanken, die durch das Studium angestoßen werden, auf einem anderen Weg zu verarbeiten. Das Stück bietet sich trotz seines hohen Alters dafür an, denn die behandelten Themen sind nach wie vor aktuell. Dass wir auf Englisch spielen bietet hier auch einen Vorteil, denn dadurch können wir unsere Ideen an mehr Menschen weitergeben.

Ihr habt auch einen sehr spannenden Trailer für euer Stück gedreht. Warum sollte man sich euer Stück anschauen?

 Wenn man gerne einen Theaterabend genießen möchte, der zum Nachdenken anregt und aufrüttelt, ist man bei uns genau richtig. Gerade in Zeiten wie unseren, in denen Mitmenschlichkeit wieder wichtiger wird, sollte man sich unser Stück auf jeden Fall anschauen. Und wer auf gute Musik und wilde Bühnenperformances hofft, wird auch nicht enttäuscht nach Hause gehen. Außerdem sind wir eine neue Gruppe, daher ist es sowieso spannend zu sehen, was wir zu bieten haben.

Info

Was: „An Inspector Calls“ nach J.B. Priestley, aufgeführt von Arts Liberated

Wo: TheaterFISTung, Friedrichstraße 39 (Keller des Rektoratsgebäudes)

Wann: Samstag, 20. und Sonntag, 21. Mai 2017, jeweils um 20 Uhr

Eintritt: 3 € für Studenten, 5 € regulär

Weitere Informationen auf der Facebook-Seite von Arts Liberated

Und so wars bei der Probe des Stücks:

Zum Vergrößern der Fotos bitte anklicken.

Fotos: Paul Koloseus
Autoren:
Veröffentlicht am 19. Mai 2017

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