Auf ein Interview mit: Wolfgang Möstl

Auf ein Interview mit: Wolfgang Möstl

Bereits seit 18 Jahren gilt Wolfgang Möstl als einer der umtriebigsten Figuren innerhalb der Österreichischen Musik-Subkultur. Was Anfang der nuller Jahre mit noisigem von Dinosaur Jr. und Sonic Youth beeinflusstem Garage-Sound begann, hat sich heute innerhalb seines Soloprojekts Mile Me Deaf zu experimentellem Psychedelic-Pop ausdifferenziert. Im Gespräch vor seinem Auftritt im Slow Club haben wir mit Wolfgang Möstl versucht zu rekapitulieren, wie dieser radikale Soundwandel vonstatten ging und wie Vaporwave und eine HipHop-Dokumentation aus den 80ern die Musik seines aktuellen Albums beeinflusst haben.

uniFM: Das erste Mal, dass ich auf deine Musik aufmerksam geworden bin war, als ich vor über zehn Jahren in meinem Jugendzimmer dem Radiosender FM4 lauschte, der in meinem Süddeutschen Heimatort gerade noch so terrestrisch zu empfangen war. Damals lief ein Song deiner ehemaligen Band Killed By 9V Batteries und als ich während der Recherchen zum heutigen Interview wieder auf diesen noisigen Song gestoßen bin, war ich doch sehr überrascht von der Diskrepanz zwischen dem Sound damals und dem, den du heute unter dem Pseudonym Mile Me Deaf veröffentlichst. Kannst du nachempfinden, wie es zu diesem Wandel kam?

Wolfgang Möstl: Es ist tatsächlich schwer nachzuvollziehen, wie das passieren konnte. Allerdings glaube ich, dass die Entwicklung bereits mit Killed By 9V Batteries begonnen hat. Da wir damals einfach noch sehr jung waren, haben wir immer das gemacht, was uns gerade in den Sinn kam. Mile Me Deaf hingegen war von Anfang an ein Soloprojekt, mit dem ich nie in eine Proberaumsituation gesperrt war. Dort war schon immer alles möglich. Die Musik live zu performen, war zunächst gar nicht angelegt, Synthesizer und programmierte Beats wurden interessant – So hat sich dann auch der Sound in eine völlig andere Richtung entwickelt.

uniFM: Glaubst du, dass du irgendwann an einem Punkt ankommen könntest, an dem du die musikalische Entwicklung als abgeschlossen erklärst?

WM: Das kann ich mir nicht vorstellen. Das sich Weiterentwickeln und das Experimentieren mit Neuem ist für mich eigentlich die wichtigste Komponente. Und auch wenn ich vielleicht nicht die besten HipHop-Beats produzieren kann, will ich es trotzdem ausprobieren. Ich mache einfach, was mir Spaß macht.

uniFM: Das neue Mile Me Deaf Album hat sich – vergleicht man es mit dem Vorgänger – deutlich von einer schmutzigen Noise- und Lo-Fi-Ästhetik verabschiedet. Dafür wird mit einer Kulturtechnik experimentiert, die man eigentlich eher mit dem HipHop-Kontext assoziiert. Nämlich mit Sampling. Woher kam der Impuls, mit Samples zu arbeiten?

WM: Eigentlich habe ich bei Mile Me Deaf schon immer Samples benutzt. Ich tendiere bei den Aufnahmen dazu, die Songs mit Spuren zu überfrachten. Seit fünf oder sechs Jahren, als wir begonnen haben, die Musik auch live umzusetzen, habe ich auf der Bühne deshalb immer einen Sampler dabei. Anders wäre das gar nicht umsetzbar gewesen, da wir am Anfang auch nur zu dritt waren. Ab einem gewissen Punkt habe ich dann bereits bei den Aufnahmen begonnen, Samples in die Songs einzubauen. Irgendwann haben wir auf Tour eine Dokumentation aus den 80ern über Oldschool-HipHop und Sampling-Kultur gesehen. Das hat mich so fasziniert, dass ich seither auch Material aus anderen Zusammenhängen in meine Songs einbaue und erneut verwerte.

uniFM: Man hört auf “Alien Age” neben musikalischen Loops auch Skits, also dekontextualisierte Gesprächsfetzen, die in den Songs auftauchen – manchmal auch verfremdet werden. Wo stammen die Originale her und welchen Bezug haben sie zum Thema des Albums?

WM: In Wien würde man zu meiner Arbeitsweise wahrscheinlich Kraut-und-Rüben-Methode sagen. Es ist einfach Material, das mich auf verschiedene Weise angesprochen hat und das sich sinnvoll in die Ästhetik des Albums gefügt hat. Meistens sind es wierde oder auch spacige Versatzstücke, die mich dabei am meisten angesprochen haben.

uniFM: In eurem Pressetext ist davon die Rede, dass Vaporwave auch ein musikalischer Einfluss für die Platte sein soll, ein sehr junges Genre, das sich als poststrukturalistisch versteht und seine Einflüsse aus Jazz, Ambient und der Videospielästhetik der 80er und 90er zieht. Ist diese Assoziation nur eine Erfindung eurer Plattenfirma oder war das Genre tatsächlich eine Art Inspiration für “Alien Age”?

WM: Ich habe im Vorfeld tatsächlich viel Vaporwave gehört. In den Übergängen, zum Beispiel zwischen den Songs “Headnote#2” und “Where Else” ist sogar ein Stück aus den 80ern zu hören, das von einem recht unbekannten Kanadischen Künstler, verarbeitet wurde. Dort kann man tatsächlich Vaporwave in seiner ursprünglichen Form hören – ein runtergepichter und verlangsamter Loop im Stile von Macintosh Plus. Bei den Songs selbst würde ich den Einfluss des Genres allerdings nicht überbewerten.

uniFM: Es war auch die Rede davon, dass die Platte eine Art Soundtrack zum diffusen Lebensgefühl der Postmoderne sein soll. In welcher Art spiegelt der Sound von Mile Me Deaf dieses Lebensgefühl wieder?

WM: Es war bei den Aufnahmen zur Platte zum ersten Mal so, dass ich mich an einem durchgehenden Thema abgearbeitet habe. Es geht im Grunde um die globalen Entwicklungen der letzten 1,5 Jahre. Phänomene wie Trump oder der überall aufkeimende Rechtspopulismus in Europa waren für mich einfach Themen, die schwer zu ignorieren waren. Ursprünglich war sogar ein Konzeptalbum über first-world-problems geplant, die Idee habe ich dann aber schnell wieder überworfen. Schlussendlich ist “Alien Age” ein Album geworden, das eine postapokalyptische Zukunftsvision zeichnet.

uniFM: Aufgenommen und produziert wurde die Platte ja nahezu komplett in Eigenregie. Jetzt, da ihr auf Tour seid, hast du auch eine Band um dich geschart. Wie schwer ist es gefallen, die Soundästhetik aus dem Studio in einen Performance-Kontext zu übersetzen?

WM: Es war zumindest schwerer als bei den vorangegangenen Platten. Allerdings hatte ich dieses Mal schon beim Schreiben im Hinterkopf, dass wir den Sound auch zu viert umsetzen können müssen. Das was wir live jetzt aber spielen, ist schon auch eine Art Eigeninterpretation der Band. Wir spielen das Album eigentlich komplett von vorne bis hinten durch, allerdings in diesem leicht abgewandelten Sound, der in der Live-Situation entsteht. Viele Besucher auf den Konzerten, die beide Versionen der Songs kennen, haben deshalb bereits nach einer Veröffentlichung der Live-Interpretationen verlangt.

Das gesamte Interview mit Wolfgang Möstl hört ihr am Dienstag (16.05.17) ab 19.00 Uhr im Soundcheck Magazin.

Das Interview führte Julian Tröndle
Fotos: Christian Benesch
Autoren:
Veröffentlicht am 16. Mai 2017

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