Internationally Challenged

Internationally Challenged

Alle Erasmusstudierenden feiern bloß die ganze Zeit? Von wegen! Während ich verzweifelt versuche all meinen Aufgaben gerecht zu werden, zieht das Semester langsam aber sicher an mir vorbei. Dabei hatte ich doch so viel vor …

Drei Essays, eine Klausur und eine 15-seitige Hausarbeit sind in den nächsten zwei Wochen fällig? Am besten ich fange mal eine neue Serie an und verbringe die folgende Woche damit alle sieben Staffeln in einer einzigen, von Tiefkühlpizza und Verdrängung geprägten Sitzung abzuarbeiten. Das ist normalerweise mein Studenten-Ich (Tut mir Leid Mama!) und ich bin mir sicher, dass sich mehr als der ein oder andere von euch in dieser Beschreibung wieder findet. Oder zumindest  hoffe ich es.

Ein Sonnenuntergang an der beeindruckenden Küste der Isle of Skye. Schafe gehören genau so zur schottischen Landschaft wie Wind und Seen.

Doch schon bei meiner Planung für dieses Auslandssemester beschlich mich die Vermutung, dass es während der fünf Monate in Schottland um einiges härter werden würde, mein typisches Prokrastinationsverhalten weiter zu führen. Als ich meinen Aufenthalt in Dundee plante, entschied ich mich aus verschiedensten Gründen für das Sommersemester, auch weil mein damaliger Freund zur selben Zeit ein Erasmus machen wollte. Die Beziehung hielt nicht, die Pläne für ein Auslandssemester offensichtlich schon. Zunächst war mir nicht bewusst, dass es organisatorisch ein Problem werden könnte, wieso auch? Nicht nur das Seminar für Wissenschaftliche Politik der Uni Freiburg teilt ihre Erasmusplätze in Winter- und Sommersemester auf, um so mehr Studierenden die Möglichkeit auf ein Auslandssemester zu ermöglichen.

Zwischen zwei Universitäten

Eilean Donan Castle ist nur eines von Schottlands wunderschönen Schlössern, die übrigens fast so häufig zu finden sind wie Schafe.

Als mir klar wurde, dass sich die Prüfungszeiten des Wintersemesters in Freiburg mit dem Semesteranfang in Dundee überschneiden würden, hatte ich massive Probleme überhaupt Kurse für mein Wintersemester zu finden, da kaum Dozierende bereit waren, mich meine Fehlzeiten durch andere Leistungen kompensieren zu lassen oder hatten haarsträubende ‘Lösungen’ wie ich an den Prüfungen teilnehmen könnte, wie “einfach für die Klausur zurückzufliegen, Schottland ist ja nicht so weit weg.” Na vielen Dank, ich bin ja nicht zum Studieren hergekommen, sondern mache lediglich ein bisschen Urlaub.

Schließlich fanden sich doch einige Dozierende, die mir echte Lösungen vorschlugen, wofür ich noch immer wirklich dankbar bin, denn sonst hätte ich ein komplettes Semester verloren. So aufregend es auch ist, das Sommersemester in Dundee zu verbringen, führte es auch dazu, dass ich letzten Endes zwei Semester gleichzeitig absolvieren musste. Das mag für einige möglich sein, für mich ist es das nicht, selbst wenn ich meine übliche ‘Das-kann-ich-auch-morgen-erledigen-Mentalität’ ablege.

Wenn Reiselust zu Reisedruck wird

Und zwischen diesem hin und her frage ich mich – wie schaffen es nur alle anderen internationalen Studierenden so viel zu reisen? Während ich das Gefühl habe bloß die UB gegen eine andere Bibliothek eingetauscht zu haben, ist mein Instagramfeed voll von Bildern aus Glasgow, London, Amsterdam, Barcelona… Nun gut, die wenigsten müssen noch etwas für ihre Heimatuniversität tun und viele meiner Freunde kommen aus den USA oder Kanada. Wenn man nicht nur das europäische Festland sondern gleich einen Kontinent verlassen hat, möchte man die Zeit natürlich nutzen, um so viel wie möglich vom fremden Europa zu sehen.

Dieses Foto musste ich einfügen, denn an diesem See hat Harry Potter im dritten Film (Der Gefangene von Askaban) mindestens hundert Dementoren abgewehrt. Expecto Patronum!

Und dann endlich tut sich ein Stück blauer Himmel in meinem von Essaywolken vernebelten Leben auf. Ab in die Highlands und zwar gleich für drei Tage! Plötzlich finde ich gute Gründe, meine Arbeit für kurze Zeit auf Eis zu legen: In den Highlands ist es wunderschön. Ich kann sofort verstehen wieso Hogwarts in dieser Gegend errichtet wurde (auch wenn ich mir nie sicher sein kann wo das Schloss genau steht). Unser Reiseführer mit dem wunderbar schottischen Spitznamen ‘Norrie’, (ihr müsst das r rrrrrollen), berichtet von Feen, Riesen die zu Stein wurden und natürlich dem berühmten Monster von Loch Ness.

Auf der Isle of Skye sehe ich die atemberaubendsten Landschaften und fast glaube ich auch schon an die Mythen, die man sich hier immer noch erzählt. Die Highlands sind das am wenigsten besiedelte Gebiet Europas und die berüchtigten Clanmitglieder, die noch immer Stoff für Bücher, Filme und Serien wie ‘Outlander’ geben, waren die letzten Menschen die in Europa in Stämmen lebten. Sie hielten sich nicht an schottische oder englische Gesetzgebung und existierten unter ihre eigenen, sehr gewalttätigen, Regeln.

Loch Ness fasst mehr Süßwasser als alle Seen Englands und Wales zusammengenommen. Viel Platz um mehr als ein urzeitliches Monster zu beherbergen.

Der berühmte Loch Ness ist schlichtweg riesig. Er enthält mehr Süßwasser als alle Seen Englands und Wales zusammen. Norrie berichtet, dass zwar niemand mit Sicherheit sagen kann das Nessie existiert, ausschließen könne man es aber auch nicht. Denn immer wieder stoßen selbst Wissenschaftler beim Vermessen des Sees mit Ultraschallgeräten auf Geräusche oder gigantische Massen, die sie nicht erklären können. Eine Theorie ist es, das unter dem Loch, (Loch ist das schottisches Wort für See), ein unerforschtes Tunnelsystem existiert, durch das ab und zu Wale ihren Weg in den See finden.

Ich persönlich möchte die Hoffnung auf ein uraltes, schottisches Seemonster noch nicht aufgeben. Am Ende der Tour gab es die Möglichkeit für ein paar  Wahnsinnige ins Loch zu springen. Mann, war das kalt, aber angeknabbert wurde ich nicht. Und einen weiteren Lichtblick gibt es: Bald ist mein letztes Essay fällig und dann kann ich meine Instagramfollower mit Fotos von meinen Reisen und vielleicht auch mit einem, natürlich verschwommenen, Bild vom Loch Ness Monster neidisch machen.

Mehr zum Thema auf uniCROSS

Alles halb so wild

ERASMUS in Barcelona

Fotos: Carly Munro (Teaser; Dementorensee), Farina Kremer
Autoren:
Veröffentlicht am 15. Mai 2017

Empfohlene Artikel