Die Freiburger Universität im Dritten Reich

Im Zuge der Ausstellung „Nationalsozialismus in Freiburg“, die gerade im Augustinermuseum gezeigt wird, hat sich uniCROSS mit der Rolle der Freiburger Uni in der NS-Zeit beschäftigt. Prof. Dr. Bernd Martin und Prof. Dr. Dieter Speck sprechen über die radikale Umgestaltung der Uni, den nationalsozialistischen deutschen Studentenbund und über die Aufarbeitung der Geschichte.

Mit der Geschichte der Universität im Nationalsozialismus steht zwangsläufig Martin Heidegger in Verbindung. Als berühmtester deutscher Philosoph trat er am 1. Mai 1933 demonstrativ der NSDAP bei und wurde erster nationalsozialistischer Rektor einer deutschen Universität. Heidegger veränderte in seiner Amtszeit die Universität grundlegend im Sinne der Partei. Bis dahin hatte sich das Amt des Rektors auf eine repräsentative Funktion beschränkt, Entscheidungen wurden im Senat getroffen. Heidegger setzte jedoch das „Führerprinzip“ der Nationalsozialisten auch in der Uni durch: Der Rektor, als Führer der Universität, war nun oberste Entscheidungsinstanz. „Das hat Schule gemacht“, sagt Bernd Martin, Professor emeritus am Historischen Seminar der Uni Freiburg. „Die Nationalsozialisten haben diese Veränderungen übernommen und alle deutschen Unis wurden nach dem Führerprinzip umgestaltet.“

Mit der Umgestaltung der Uni unter Heidegger wurden die Uni Freiburg sowie alle anderen deutschen Unis gleichgeschaltet. Prof. Dr. Martin ist sich sicher, dass das wahrscheinlich auch ohne Heidegger passiert wäre, jedoch niemals so schnell. Prof. Dr. Dieter Speck, Leiter des Universitätsarchivs und des Uniseums, sieht darin einen Signalcharakter, der sich auch außerhalb Freiburgs zeigte: „Egal ob man Heidegger als Nazi sieht oder versucht, seine Person zu differenzieren, diese Inszenierung Heideggers als neuer Rektor der Universität war publikumswirksam.“  Die NSDAP setzte auch nach dem Rücktritt Heideggers im Jahr 1934 nur Gefolgsleute in die Position des Rektors ein. Eine Wahl gab es nicht mehr.

Die Funktion der Uni während des Nationalsozialismus

Welche Rolle aber sollte Freiburg als nationalsozialistische Universität nach der Umgestaltung einnehmen? Freiburg sollte noch stärker als Grenzlanduniversität ausgebaut werden, im Westen die einzige, und sich mit Frankreich und vor allem mit dem Elsass auseinandersetzen. Im Laufe der Geschichte war das Elsass immer wieder stark umkämpft worden und nach dem ersten Weltkrieg zurück an Frankreich gefallen. An der „blutenden Grenze“ spielte sich das vor allem auf kultureller Ebene ab. „Studierende wurden aufgefordert, in das Elsass zu gehen und Bauern anzusprechen, um sie für das Regime zu gewinnen. Auch gab es Forschungsaufträge für die Uni, wie beispielsweise die Deutsche Geschichte des Elsass. Hier zeigt sich eine ideologisch sehr stark nationalistische Ausrichtung gegen Frankreich, wie das in Breslau gegen die Polen der Fall war“, sagt Prof. Dr. Martin.

„Viele Menschen hatten hier in Freiburg und in der Umgebung einiges vom ersten Weltkrieg mitbekommen. Die Kriegspathologie wurde in Freiburg entwickelt und es gab viele Lazarette. Die Folgen des Versailler Vertrags wurden wegen der neuen Grenze als besonders hart empfunden. Man versuchte, in dieser Zeit durch ein autoritäres Regime Hoffnung zu schöpfen. Man hoffte, dass es mit Deutschland wieder bergauf geht“, erklärt Prof. Dr. Speck.

Studierende waren wichtig bei der Durchsetzung des NS-Regimes

Gerade unter der jungen Bevölkerung in Freiburg war die Begeisterung für den Nationalsozialismus groß. Schon bei den Studentenratswahlen 1932/33 gab es eine starke Mehrheit, die rechtsaußen bis rechtsextremistisch war. Nach Prof. Dr. Martin wäre es jedoch verkürzt, nur Heidegger oder den nationalsozialistisch gesinnten Professoren die Verantwortung für die Umgestaltung der Universität zuzusprechen. „Es waren vor allem die Studenten, im wesentlichen die Männer, die auf diese nationale Revolution gedrängt haben. Heidegger hat sich immer wieder auf die Studenten und ihre radikalen Forderungen gestützt. Sie spielen eine wesentliche Rolle für die Durchsetzung des nationalsozialistischen Denkens an der Universität.“

Repräsentativ für die Durchsetzung des nationalsozialistischen Denkens unter den Studierenden steht in der Ausstellung „Nationalsozialismus in Freiburg“ im Augustinermuseum der nationalsozialistische deutsche Studentenbund. Eine dazu gehörende Armbinde – eine Leihgabe des Uniseums – ist in der Ausstellung zu sehen. Sie prägte die Bilder in der Freiburger Studentenzeitung und auch in offiziellen Broschüren. Sie war allerdings nicht speziell für Freiburg angefertigt worden, sondern überall in Deutschland gleich. Auch die Broschüre „Ich studiere“, die Studierende mit Fahnen und entsprechenden Armbinden zeigt, wird im Augustinermuseum gezeigt. Sie steht für die Gleichschaltung der Studierenden.

Es gab auch Widerstand gegen das NS-Regime

Es gab aber nicht nur Menschen, die dem Nationalsozialismus positiv gegenüberstanden. Durch Heideggers radikale Umgestaltung der Universität entwickelte sich eine Professorenopposition, die vorrangig protestantisch geprägt war. Die Kerngruppe dieses „Freiburger Kreises“ bildeten die Nationalökonomen Walter Eucken und Adolf Lampe, der Jurist und Theologe Constantin von Dietze und der Historiker Gerhard Ritter. Sie schrieben Denkschriften über ein anderes Deutschland nach dem Krieg, in dem Gerechtigkeit herrschen sollte. Für ihre Tätigkeiten saßen Dietze, Lampe und Ritter später in Gestapo-Haft in Berlin, für Dietze lag sogar ein Todesurteil vor, was aber nicht mehr vollstreckt werden konnte.

„Das soll nicht heißen, dass wir nicht auch eine schmutzige Vergangenheit an der Uni haben, aber diese Opposition war in der deutschen Unilandschaft einzigartig. Das hatte keine andere Uni zu bieten“, sagt Professor Speck. „Diese Leute spielten durch das Verfassen der Denkschriften mit ihrem Leben und setzten somit alles aufs Spiel“, betont auch Prof. Dr. Martin. „Jeder greift zu der Waffe, die er beherrscht. Wenn das nicht aktiver Widerstand war, was ist dann aktiver Widerstand?“

Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit erfolgte Ende der 80er

Die Schreibmaschine von Constantin von Dietze ist auch Teil der Ausstellung im Augustinermuseum. Nach Aussagen seiner Tochter habe Dietze nach den Treffen des „Freiburger Kreises“ seine Gedanken mit dieser Schreibmaschine niedergeschrieben. Die Schreibmaschine wurde ebenfalls vom Uniseum zur Verfügung gestellt. Das Universitätsarchiv verwahrt nicht nur Dietzes, sondern auch weitere Nachlässe von Mitgliedern des „Freiburger Kreises“.

Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit der Uni begann im Wintersemester 1988/1989 mit der Ringvorlesung „Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus“. „Diese Ringvorlesung hat einen ziemlichen Aufschrei verursacht, einerseits inhaltlich aber vor allem deswegen, weil die Akten aus dieser Zeit noch nicht zugänglich waren. Daraufhin bekam die Uni eine hauptamtliche Archivarstelle, die Herr Speck übernahm“, erzählt Prof. Dr. Martin.

„Vor dieser Ringvorlesung hatte man sich zurückgezogen und war der Annahme, Freiburg sei im Dritten Reich eine Insel der Glückseligen gewesen und die Uni völlig unbefleckt vom NS. Diese Vorlesung hat jedoch gezeigt, dass die Freiburger Uni genauso involviert war wie andere Unis auch und dass der Nationalsozialismus nicht an Freiburg vorbei gegangen war“, sagt Prof. Dr. Speck.

Für Prof. Dr. Martin ist klar, dass der Nationalsozialismus immer ein wichtiges Thema unserer Geschichte bleiben wird: „Wir haben die Geschichte abgehandelt, aber damit ist das Thema nicht geschlossen. Es wird weitere Generationen beschäftigen, auch wenn es vielleicht nicht mehr den Stellenwert haben wird, den es vor 20 Jahren hatte. Was aber erwähnt werden sollte: Die Freiburger Universität hat ihre Geschichte im Dritten Reich aufgearbeitet.“

Info

Wer sich für die Rolle der Albert-Ludwigs-Universität im Dritten Reich interessiert, kann hier weiter lesen:

Ausstellungskatalog: „Nationalsozialismus in Freiburg“, Freiburg i. Br. 2016/17

Eckhard John/Bernd Martin/Marcus Maximilian Mücke/Hugo Ott: „Die Freiburger Universität in der Zeit des Nationalsozialismus“, Freiburg i. Br. 1991

Bernd Martin: „550 Jahre Universität Freiburg : 1457 – 2007; ein historischer Überblick“, Freiburg i. Br. 2007

Karl-Heinz Leven: „Neuere Forschungen zur Medizin im Nationalsozialismus“, Freiburg i. Br. 2000

Professor Hans-Peter Herrmann beschreibt sehr detailliert in den Freiburger Universitätsblättern die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus an der Freiburger Uni nach 1957: Vom Umgang mit der NS-Vergangenheit. Der »Fall Eggebrecht«, die Universität Freiburg und die Etappen deutscher Erinnerungspolitik 1957-2005. In: Freiburger Universitätsbätter Heft 195, 1/2012, S. 75-113

Mehr zu “Nationalsozialismus in Freiburg” auf uniCROSS

Die Ausstellung „Nationalsozialismus in Freiburg“ im Augustinermuseum ist noch bis zum 7. Oktober 2017 zu sehen. Mehr zur Ausstellung findet ihr unter: archiv.unicross.uni-freiburg.de

Crossmedialer Beitrag: Heideggers schwarze Heft

Foto: Universitätsarchiv/Uniseum Freiburg
Veröffentlicht am 28. Juni 2017

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