Let’s be the „Pulse of Europe“!

Let’s be the „Pulse of Europe“!

Wenn das Sofa gegen die Europaflagge eingetauscht wird: Auch in Freiburg findet jeden ersten Sonntag im Monat auf dem Augustinerplatz die Demonstration „Pulse of Europe“ für die europäische Idee statt. Katja war dabei und hat erfahren, warum man selbst auch kommen sollte.

Es ist fünf vor zwei. Von weitem sieht man schon die Farben Blau und Gelb aus der Menschenmenge hervorstechen. Die Flagge der Europäischen Union. Manche tragen sie in der Hand, bei anderen kommt sie als Umhang zum Einsatz und natürlich darf sie auch nicht an den Fahrrädern fehlen. Groß, klein oder auch als Button am Oberteil befestigt – sonntags um 14 Uhr zeigt man auf dem Augustinerplatz Flagge.

Der Grund für dieses Zusammentreffen rund um die Säule der Toleranz, ist die Bürgerbewegung „Pulse of Europe“. Heute haben die Freiburger und Freiburgerinnen Glück, die Sonne scheint und es sieht so aus, als ob das Wetter bis drei mitspielen wird. Doch auch bei Regen haben sich in den letzten Wochen genügend Teilnehmende vom Sofa hochbequemt und setzten ein Zeichen für die Idee der Europäischen Union.

Im Januar war die erste „Pulse of Europe“-Demonstration in Freiburg

Seit November 2016 existiert die Bürgerbewegung „Pulse of Europe“, ins Leben gerufen von den Frankfurter Rechtsanwälten Sabine und Daniel Röder. Am 18. November 2016 bekam der Freiburger Markus Meyer eine E-Mail von seinem ehemaligen Schulkameraden Daniel Röder, in der er nach dem Brexit und der Wahl Trumps  zum Handeln appellierte. „Ich habe daraufhin direkt gesagt, dass ich die Organisation in Freiburg übernehmen werde“, sagt der Geschäftsführer eines Solarunternehmens. Zusammen mit dem Anwalt Moritz Pohle organisiert er jetzt schon seit dem Mitte Januar die „Pulse of Europe“-Demonstration in Freiburg auf dem Augustinerplatz.

„Als wir vor vier Monaten das erste Mal angetreten sind, wollten wir gucken, ob es überhaupt einen Bedarf für eine solche Bewegung gibt. Nach Erreichen unseres ersten Etappenziels, der Wahl in den Niederlanden, haben wir bemerkt, dass der Resonanzboden so tief war, so dass wir auf jeden Fall noch bis zur Frankreichwahl weiter machen wollten“, erklärt Markus Meyer.

Musik, Offenes Mikro und europäische Geschichten

Über 1.000 Leute blicken jetzt erwartungsvoll Richtung Bühne. Auf dieser Bühne befindet sich das „Offene Mikrofon“, welches von Interessierten – am besten nach kurzer vorheriger Anfrage per E-Mail bei den Veranstaltern – ergriffen werden kann.

Heute gibt es sogar ein musikalisches Highlight: Die deutsch-französische Jazz-Sängerin Cécile Verny sorgt für die passende Untermalung des Programms. Neben vielen Europa-Flaggen sieht man heute auch viele französische Flaggen. Es ist der Tag des zweiten Wahlgangs in Frankreich, der von vielen Europäern und Europäerinnen mit großer Erwartung verfolgt wird.

Cécile Verny spricht über ihre Familiengeschichte und unterstreicht, wie wichtig für sie ein toleranter Umgang der Kulturen in Europa sei. Sie wuchs an der Elfenbeinküste auf, kam mit zwölf Jahren nach Frankreich und zog acht Jahre später nach Freiburg. Sie wird heute drei Lieder auf drei verschiedenen Sprachen singen,auf Deutsch, Englisch und Französisch.

«Au soleil, sous la pluie
À midi ou à minuit
Il y a tout ce que vous voulez
Aux Champs-Élysées»

Als die erste Strophe ertönt und Cécile Verny zum Mitsingen aufruft, stimmen die meisten mit ein. Man lächelt sich an, tauscht Blicke aus und einige der älteren Anwesenden fühlen sich vielleicht bei dem Klassiker „Les Champs Elysées“ von Joe Dassin in das Jahr 1969 zurückversetzt.

Gegengewicht zu anti-europäischem Populismus

Aber warum ist die Demo „Pulse of Europe“ eigentlich nötig? Dr. Diana Panke ist Politikwissenschaftlerin an der Uni Freiburg und beschäftigt sich mit dem Phänomen des Populismus, der sich neuerdings gegen Europa richtet und nicht mehr nur gegen einzelne Parteien. „Grundsätzlich versteht man unter Populismus einen Dualismus zwischen dem einfachen Bürger und den Eliten, seien es wirtschaftliche oder politische Eliten. Der Grundtenor von populistischen Bewegungen ist dabei immer derselbe: Dem einfachen Bürger geht es schlecht, weil die Eliten nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Dieses Phänomen ist allerdings kein neues, es wird nur gerade vermehrt von uns wahrgenommen. Zudem hat sich Populismus dahingehend verändert, als das er sich jetzt deutlicher auf eine Abgrenzung der Europäischen Union bezieht.“

Den Grund für diese Neujustierung des Populismus sieht Dr. Panke in der Unzufriedenheit der Bürger und Bürgerinnen, die sich als klare Verlierer in der globalisierten Welt ansehen: „Es ist sehr einfach, diese unzufriedenen Leute zu motivieren, sich an populistischen Bewegungen zu beteiligen. Gemeinsam wird ein Verantwortlicher gesucht, der Schuld trägt an ihrer aktuellen Situation. Für sie sind es die Eliten in Europa, die von Brüssel vertreten werden.“

Zu früh um von einer dauerhaften Politisierung zu sprechen

Vermehrt werde die These von einer zunehmenden Politisierung, sei es links oder rechts, aufgestellt, die sich aber noch nicht bestätigen lasse: „Häufig sind populistische Strömungen sehr kurzlebig. Momentan haben wir zwei konstante Bürgerbewegungen in Deutschland, von der die eine anti-europäisch und die andere, die „Pulse of Europe“-Bewegung, pro-europäisch ausgerichtet ist. Ob man von einer dauerhaften Politisierung sprechen kann, wird sich erst in Zukunft zeigen“, sagt Panke

Doch gerade bei der „Pulse of Europe“-Bewegung, die immer mehr ins Zentrum medialer Aufmerksamkeit rückt, fragen sich Leute vermehrt: „Was wollen die eigentlich genau?“ Einige Bürger und Bürgerinnen gehen sogar so weit und halten diese Bewegung für unpolitisch, da sie keine klaren Forderungen stellten.

Bei dieser These muss Markus Meyer schmunzeln: „ Die Leute, die solche Behauptungen aufstellen, haben die Grundidee hinter „Pulse of Europe“ noch nicht verstanden. Wir wollen eine Begeisterung für Europa wecken und das Thema Europa, auch bei all seinen Schwächen, positiv besetzen.“ Dazu zähle auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Defiziten, die es in der europäischen Union gebe. Die Veranstalter möchten, dass Europa wieder zu einem Thema wird, damit es für Politiker wieder attraktiv wird, sich damit zu beschäftigen und sie verstehen, dass sich damit Wahlen gewinnen lassen.

Studierende sind beim „Pulse of Europe“ wenig vertreten

Mittlerweile ist es zwanzig  vor drei auf dem Augustinerplatz, die 17. „Pulse of Europe“-Veranstaltung geht ihrem Ende zu. Gerade trägt ein Schüler des Deutsch-Französischen Gymnasiums einen Poetry-Slam zur Geschichte Europas vor. Einige Spaziergänger bleiben kurz stehen und hören sich diesen Rückblick auf Europa interessiert an.

Bei den Demonstranten und Demonstrantinnen auf dem Augustinerplatz fällt auf, dass viele doch eher älter sind. „Meine Schwiegermutter war mit 80 auf ihrer ersten Demo für Europa, meine Eltern mit über 70“, sagt Markus Meyer. „Das ist doch das Tolle an „Pulse of Europe“. Da steht ein Anhänger der Antifa neben einem konservativen Anwalt. Auch viele Leute, die vorher noch nie demonstriert haben, erkennen jetzt, dass etwas passiert. Wenn wir als Europäer weiter leben wollen wie bisher, müssen wir hoch von unseren Sofas.“

Studierende seien leider noch zu wenig vertreten sonntags auf dem Augustinerplatz, sagt Meyer. Woran das liege, wisse er nicht. Gerade jungen Leuten müsse klar sein, dass es zu Europa keine Alternative gebe, wenn man ein Leben in Freiheit und Rechtsstaatlichkeit führen möchte. Ein Studierendenleben ohne Erasmus? Für viele Studierende unvorstellbar.

Die heutige Veranstaltung endet mit einer Menschenkette. Ein letztes spontanes Lied von Cécile Verny. Die Stimmung ist ausgelassen, alle lachen und singen laut mit. Das Blau der europäischen Fahnen verschwimmt mit dem klaren, wolkenlosen Himmel. Ein paar blau-gelbe Luftballons steigen langsam nach oben, bis sie nur noch als kleine Punkte zu erkennen sind.

Info

Jeden ersten Sonntag im Monat findet die „Pulse of Europe“-Demo auf dem Augustinerplatz statt. Wer gerne am „Offenen Mikro“ sprechen möchte, kann sich bei

Markus Meyer oder Moritz Pohle per Mail dazu melden: markus.79249@gmx.de

Mehr Infos zu Pulse of Europe gibt’s unter www.pulseofeurope.eu

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Foto: Katja Hackmann
Veröffentlicht am 29. Juni 2017

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