Album der Woche: Roger Waters – Is This The Life We Really Want?

Album der Woche: Roger Waters – Is This The Life We Really Want?

Seit sich David Gilmour und Roger Waters 1985 so stritten, dass Waters die Band Pink Floyd verließ und damit die künstlerische Relevanz einer der wichtigsten Rockbands des 20. Jahrhunderts und ihrer Folgealben auf einen Bruchteil reduzierte, was de facto das Ende von Pink Floyd einleitete, ist viel Zeit vergangen. Zeit, die Waters größtenteils für Gerichtsstreits mit seinem alten Bandkollegen Gilmour, der Vermarktung des Pink Floyd-Materials und politisch höchst fragwürdigen Projekten verbracht hat. Jetzt ist Waters mit einem neuen Soloalbum zurück, und die große Überraschung ist: Die Platte ist hervorragend!

“Is This The Life We Really Want?” ist zugleich Titel und Leitfrage des neuen Albums. Waters versucht sich an einer Bestandsaufnahme der heutigen Gesellschaft zwischen Trump, Fake News, politischer Instabilität und Terror. Entsprechend dystopisch sind die Texte fallen seine Texte aus. Sei es “The Last Refugee”, “Picture That” oder “When we were Young” – textlich lässt Waters keinen Zweifel daran, wie sehr er sich von der Gegenwart entfremdet hat. Dieser Fatalismus geht bei ihm mit einer mystischen Verklärung der Vergangenheit einher. Waters und das ist die Kehrseite der Medaille, fällt des Öfteren unfreiwillig in die Rolle des alten Mannes, der sich über das Heute echauffiert.

Musikalisch macht die Platte wenig Experimente, was jedoch nicht bedeuten soll, dass Waters seit 30 Jahren stilistisch auf der Stelle tritt. Der charakteristische Sound des Briten hat seit dem letzten Pink Floyd-Album “The Final Cut” eine Weiterentwicklung erfahren – es scheinen immer wieder Soundelemente durch, die auch auf “Wish You Were Here” zu finden sein könnten. Insgesamt ist der Sound allerdings weniger verspielt, kompakter und irgendwie auch “tighter”. Kurzum: Roger Waters hat sich musikalisch von seiner Rolle als Bassist bei einer der bedeutensten Bands der Geschichte emanzipiert, sein “Erbe” geschultert und ist in poppigere Gefilde aufgebrochen.

“Is This The Life We Really Want?” funktioniert und eigentlich ist das nicht verwunderlich. Eine kleine Prise Pink Floyd-Nostalgie, Roger Waters wunderschöne Stimme, kompakte Poparrangements und Themen, die Gefühle aufnehmen, die aktuell eine ganze Gesellschaft beschäftigen – das Rezept für ein Popalbum kann so einfach sein. Umso schöner, dass Waters mit “Is This The Life We Really Want?” es tatsächlich schafft das beste Post-Pink Floyd-Album des Jahrtausends zu veröffentlichen.

von Maximilian Heß

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Mehr zur Platte erfahrt ihr am Dienstag, 20.06.2017, ab 19 Uhr im Soundcheck 

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Veröffentlicht am 20. Juni 2017

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