Grün und lehrreich

Der Botanische Garten zeigt heimische und exotische Pflanzen und wie sich Industrie und Technik etwas von der Natur abschauen. Nun haben die Gewächshäuser neu eröffnet. Was sich verändert hat und warum der Botanische Garten auch einen Besuch lohnt, wenn man ein Geburtstagsgeschenk braucht, hat Annkatrin erfahren.

Dr. Friederike Gallenmüller und Prof. Thomas Speck – in einem der neu eröffneten Gewächshäuser.

Prof. Speck, Sie sind Direktor des Botanischen Gartens, Dr. Gallenmüller, Sie sind Kustodin. Gerade wurden die Gewächshäuser des Botanischen Gartens neu eröffnet. Was hat sich verändert?

Prof. Speck: Die Gewächshäuser sind bereits 50 Jahre alt – das heißt Heizung, Lüftung und Bewässerung waren marode. Nun hat das Universitäts-Bauamt die Gewächshäuser in den Sanierungsplan aufgenommen, weshalb circa eine halbe Million Euro zur Verfügung steht, die in die Erneuerung der gesamten Technik investiert wurde.

Dr. Gallenmüller: Das ehemalige Subtropenhaus wird derzeit noch umgebaut in ein Französisch-Guyana-Haus und wird hoffentlich kommenden Herbst eröffnet. Dort kommen Pflanzen aus einem 20 – 30 Quadratkilometer großen Gebiet in Französisch Guyana, in dem wir beide früher viel zu verschiedenen Themen aus dem Bereich der Biomechanik geforscht haben.

Prof. Speck: Ein Höhepunkt darin soll das Gezeitenbecken werden, in dem Ebbe und Flut simuliert werden und nicht nur Pflanzen wie etwa Mangroven, sondern auch Tiere wie zum Beispiel Vieraugenfische und Schlammspringer, eingesetzt werden. Außerdem wollen wir eine lebende Hängebrücke aus Gummibäumen gestalten, wie sie in Indien traditionell gemacht werden. Wir waren völlig fasziniert davon, als wir das gesehen haben.

Besonders toll ist auch, dass wir jetzt in allen Gewächshäusern einen Internetanschluss haben, was es uns ermöglicht, die Gewächshäuser mit Touchscreens interaktiv erlebbar zu machen und Informationen im Französisch-Guyana-Haus auch auf Französisch anzubieten, da wir viele Besucher aus Frankreich haben.

Die Hauptaufgabe des Botanischen Gartens ist Forschung und Lehre.

Prof. Speck: Wir sind sehr stolz darauf, dass wir heute für alle Kurse, die wir momentan anbieten, so gut wie keine Pflanzen mehr aus der Natur holen müssen, da wir alles Material im Garten selbst anbauen.

Vor allem nutzen wir den Garten auch für unsere Forschung in der Bionik. So können wir den Studierenden nicht nur Basiswissen wie Morphologie, Systematik oder Evolution der Pflanzen beibringen, sondern ihnen auch Einblicke in die aktuelle Forschung geben. So kommen sie schon früh in Kontakt mit der forschungsorientierten Seite des Faches, was ich für sehr sinnvoll halte. Besonders schön ist für uns auch, dass alle Leute, die hier promovieren oder ihren Master machen, durch unsere Kontakte zu anderen Instituten und Unternehmen später gute Chancen haben einen Job zu bekommen.

Der Botanische Garten und die Gewächshäuser stehen aber nicht nur den Studierenden, sondern auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Wir sehen den Garten als eine Schnittstelle zwischen Forschung und Öffentlichkeit. Da bietet so ein Botanischer Garten ganz viele Möglichkeiten: Zum Beispiel Führungen und spezielle Veranstaltungen für die Öffentlichkeit oder botanische Schatzsuchen für Schulklassen.

Frau Dr. Gallenmüller, Sie sind die Kustodin des Botanischen Gartens. Was verbirgt sich denn hinter dem Begriff?

Prof. Speck: Kustodin oder Kustos ist einer der wenigen alten Titel, die erhalten geblieben sind. Der Begriff bedeutet Wächter, Wächterin. Die Aufgabe war ursprünglich den Botanischen Garten vor Dieben oder wilden Tieren zu bewachen und zu schützen, sowie die Pflanzensammlung zu hüten.

Dr. Gallenmüller: Eine der Hauptaufgaben der Kustodin / des Kustos ist heutzutage die Lehre in der Botanik, Öffentlichkeitsarbeit und gemeinsam mit dem Direktor, die Leitung des Botanischen Gartens. Entscheidungen über die Gestaltung des Botanischen Gartens werden im Team mit dem Direktor, dem Gärtnermeister und der technischen Leiterin getroffen.

Woher kommen die Pflanzen im Botanischen Garten und in den Gewächshäusern?

Dr. Gallenmüller: Wir stehen im Austausch mit 400 Botanischen Gärten weltweit und bestellen entweder direkt oder über einen Samenkatalog Saatgut. Auch wir selbst sammeln und bieten Saatgut für andere Botanische Gärten an.

Wir versuchen immer die Wildarten zu bekommen, mit Ausnahme eines kleinen Bereichs, in dem wir Gartenpflanzen, das heißt auch Zuchtsorten, zeigen. Da sollen die Besucher und Besucherinnen sehen können, wo die typischen Garten- und Balkonpflanzen herkommen – nämlich in vielen Fällen nicht aus Europa.

Da unser Forschungsschwerpunkt die Bionik ist, bauen wir viele Pflanzen an, die für die Bionik wichtig sind. Für so eine Versuchsreihe brauchen wir schon mal 500 bis 5.000 Blätter oder Stängel einer Pflanzenart.

Welches sind denn Ihre Lieblingspflanzen?

Dr. Gallenmüller: Bei mir sind das im Moment die Moose oder die Luftwurzeln von tropischen Würgepflanzen, die ich neu entdecke über ein Forschungsprojekt. Bei Führungen liebe ich es zum Beispiel, die Panamahutpalme zu zeigen, weil es keine Palme ist und weil die Panamahüte auch nicht aus Panama kommen. Das ist vielleicht das größte Missverständnis in der Geschichte der Kopfbedeckungen.

Prof. Speck: Kinder lieben auch die fleischfressenden Pflanzen und sind ganz nervös, wenn zum Beispiel eine Venus-Fliegenfalle über ihrem Finger zuschnappt.

Was ich persönlich momentan total spannend finde, sind Früchte und Samen, die aus großen Höhen herunterfallen und dabei nicht kaputtgehen. Die Versuche dazu sind häufig wirklich witzig. Wir haben in der Bionik zwei große Projekte über Pomelo und Kokosnuss. Der von der Pomelo inspirierte technische Schaum wird momentan für ein Patent für Fahrradhelme genutzt.

Kommt es denn oft vor, dass Pflanzen aus dem Botanischen Garten entwendet werden?

Dr. Gallenmüller: Ja, das kommt leider immer wieder vor. Manchmal sind das auch seltene und wertvolle Pflanzen, die eigentlich eher unauffällig sind. Da ist dann ganz klar, dass das eine Art Auftragsdiebstahl ist von jemandem, der sich auskennt. Es ist besser geworden seitdem wir den Botanischen Garten um 18 Uhr abschließen lassen.

Ein Forschungsschwerpunkt der Biologischen Fakultät ist die Bionik – das Übertragen von Funktionsprinzipien der Natur auf technische Anwendungen. Es gibt im Botanischen Garten den Bionik-Lehrpfad. Was hat es damit auf sich und können auch ‚Nicht-Biologen’ Bionik erleben und verstehen?

Prof. Speck: Der Bionik-Lehrpfad besteht aus 15 Stationen, an denen Besucher verschiedene bionische Produkte und die Pflanzen, von denen sie inspiriert wurden, kennenlernen können. Außerdem gibt es immer wieder Projekte die Bionik und Architektur verbinden, zum Beispiel einen lebenden Pavillon oder andere bionische Konstruktionen.

Dr. Gallenmüller: Wir hatten einen lebenden Pavillon aus Weiden, den wir leider abbauen mussten, da die Weiden krank waren. Jetzt werden wir ihn neu aufbauen mit Buchen.

Prof. Speck: Der Bionik-Lehrpfad stellt auf jeden Fall auch eine wunderbare Möglichkeit dar, Laien einen Zugang zu Bionik zu verschaffen. Wir versuchen Forschung, die eigentlich sehr kompliziert ist, einfach darzustellen und – im wortwörtlichen Sinn – greifbar zu machen. Wir haben zum Beispiel einen technischen Pflanzenhalm entwickelt, der inspiriert ist von Bambus und Schachtelhalm. Bei uns kann man das alles anschauen und auch anfassen lassen. Das Angebot des Bionik-Lehrpfads wird von den Besuchern oder Leuten, die ihre Mittagspause im Botanischen Garten verbringen, auch super angenommen.

Wie wird der Botanische Garten finanziert?

Prof. Speck: Der Botanische Garten ist ein Teil der Biologischen Fakultät, ein eigenes Institut, und wird vollständig vom Land finanziert. Der Botanische Garten ist quasi ein Geschenk der Uni und damit des Landes, an die Bürger Freiburgs, weil er ja öffentlich ist.

Mein Institut selbst ist im Forschungsbereich überwiegend von Drittmitteln finanziert. Wir haben ein recht hohes Drittmittel-Aufkommen durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, verschiedene Ministerien, die Baden-Württemberg-Stiftung, aber auch sehr viele direkte Industriemittel. Wir arbeiten sehr eng mit verschiedenen Unternehmen zusammen und können so fast unsere ganze Forschung finanzieren. Das ist in fast allen Instituten im Bereich Lebenswissenschaften und Technik normal.

Dr. Gallenmüller: Eine weitere kleine Einnahmequelle mit der wir Aktionen für die Öffentlichkeit mitfinanzieren können stellt der Verkauf von Pflanzen dar. Wir bauen zwar keine Pflanzen speziell für den Verkauf an, aber wenn wir Überschuss aus der Anzucht haben, dann kann man diese Pflanzen für relativ wenig Geld bei uns kaufen. Da bekommt man auch mal Sachen, die es sonst nirgendwo gibt. Auch wenn ich noch dringend ein schnelles Geschenk brauche, gehe ich mal schauen, was es gerade gibt – momentan sind das übrigens mexikanische Wildtomaten.

Info

Der Botanische Garten befindet sich bei der Biologischen Fakultät und umfasst neben vier Gewächshäusern auch einen großen Freilandbereich. Insgesamt beherbergt der Botanische Garten knapp 6.000 Pflanzenarten. Sowohl der Freilandbereich als auch die Gewächshäuser sind während der Öffnungszeiten für Besucher frei zugänglich. Führungen für kleinere Gruppen oder Schulklassen sind auf Anfrage über das Kontaktformular auf der Website des Botanischen Gartens möglich. Unkostenbeitrag für Erwachsene 3 Euro, für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre 1 Euro.

Da sich die Zahl der für wissenschaftliche Versuche und Lehrveranstaltungen benötigten Pflanzen nicht immer genau abschätzen lässt, werden manchmal zu viele Pflanzen angezogen. Überschüssige Pflanzen werden dann im Eingangsbereich des Gewächshauses zum Verkauf angeboten.

Übrigens: Der Botanische Garten macht dieses Jahr zum ersten Mal bei der Langen Nacht der Museen mit und bietet neben Führungen und Ausstellungen auch einen Weinausschank im Grünen an.

Öffnungszeiten:

Freiland: Täglich 8 – 18 Uhr

Gewächshäuser: Mo – Do 12 – 16 Uhr, Sonn- und Feiertage 14 – 16 Uhr (letzter Einlass jeweils 15.45 Uhr)

Mehr Infos zum Botanischen Garten und den Führungen und Ausstellungen bei der Langen Nacht der Museen gibts auf der Website des Gartens.

Ein Spaziergang durch den Botanischen Garten

Zum Vergrößern ein Foto anklicken.

Fotos: Annkatrin Blessing
Veröffentlicht am 19. Juli 2017

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