Mein postpubertäres Alter Ego und das präadultische Mini-Me

Mein postpubertäres Alter Ego und das präadultische Mini-Me

Ob in illustrer Runde alter Vertrauter oder aber im Kreis jüngster Bekanntschaften – immer wieder aufs Neue zelebrieren wir die legendären Geschichten vergangener Lebensabschnitte. Samantha wundert sich, wieso wir den Menschen unserer Gegenwart ständig unser Alter Ego vergangener Tage präsentieren.

Es sind Geschichten von längst zurückliegenden Eskapaden aus wilden Zeiten – die wir zumindest aus heutiger Sicht als wild beschreiben würden: In denen Mut vor Verstand, Erleben vor Konsequenz und Spaß vor karrieristischer Selbstverwirklichung und strategischer Zukunftsplanung standen. Wie Fotoalben oder Briefmarkensammlungen werden sie in geselliger Gemeinschaft gezielt inszeniert, voller Stolz der aufmerksam lauschenden Runde präsentiert und in stetiger Wiederholung vor immer neuem Publikum dargeboten.

Angeregt von der Kneipentischromantik, von durch den Raum ziehenden Rauchschwaden und durch den Duft von schalem Bier werden offenbar Erinnerungen aus unbeschwerten und vor allem weniger verkopften Zeiten abgerufen: Als Entscheidungen über Partybesuche, Beziehungspartner oder aber über die Auswahl von Hobbys noch ohne Berücksichtigung des zukünftigen Ichs oder irgendwelcher Networking-Absichten getroffen wurden.

Durch die Zeit in die Vergangenheit

Doch wieso besteigen wir immer wieder diese Zeitmaschine und düsen mit Warp-Geschwindigkeit durch die Highlights postpubertärer, präadultischer Lebensphasen, halten mit unserer Telefonzelle Dr. Who-mäßig bei einzelnen Erlebnissen der guten, alten Zeit, zeichnen Bilder früheren Mini-Mes und kosten ein wenig von der „die Welt liegt mir zu Füßen”- Attitüde, die man damals (angeblich) konsequent an den Tag gelegt hat, ganz egal was diese Füße erlebt hatten und unter wessen Tisch sie sich befanden?
Wir schwadronieren über persönliche Eigenschaften und profilieren uns durch Erlebnisse die bereits zahlreiche Modesünden weit zurück liegen.

Rechtfertigung, wer wir heute sind

Rechtfertigen wir auf diesem Wege, wer wir heute sind und weswegen wir uns vielleicht nicht mehr einfach Hals über Kopf in jedes neue Abenteuer stürzen, aus Angst, es könnte einen Kopf und Kragen kosten? Oder ist das Aufwärmen alter Kamellen deswegen so wichtig und populär, weil sie wie Brotkrumen den Weg der Selbstfindung zeichnen – und so zumindest eine kurze Flucht aus hirnzermarternden Sinnierereien und psychoanalytischen Exkursen darstellen, in denen abenteuerliche Ausflüge aus dem Alltagstrott therapeutisch zerredet und auf ihre Integrationsfähigkeit in aktuelle und zukünftige Lebensmodelle geprüft werden?

Der furchtlose, unvernünftige und nach bloßem Vergnügen strebende Teil von uns droht schließlich ohne das Zelebrieren dieser Geschichten den neuen Bekanntschaften in unserem Umfeld völlig unentdeckt zu bleiben – trösten sie doch über die Momente im Leben hinweg, in denen wir ein Kater-Vorsorge-Wasser zum alkoholfreien Feierabendbier dem rebellischen und Parolen grölenden Punkrocker in unserem Inneren vorziehen. Und schließlich hat es noch niemandem geschadet, daran erinnert zu werden, wie viel Spaß man doch eigentlich fernab von Alltagsstress und Karriereplanung im Leben haben kann.

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und tut dies in ihrer Kolumne “Mein Senf” kund.

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und schreibt in ihrer Kolumne “Mein Senf” darüber.

 

 

 

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Foto: Samantha Happ
 
Autoren:
Veröffentlicht am 18. Juli 2017

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