Manche Alben funktionieren in jeder Lebenslage. Alben zu schreiben zu denen man heulen, arbeiten, Sex haben oder den Großputz machen kann, gelten gemeinhin als Königsdiziplin des modernen Pops. Dabei vergisst man allzu gerne, wie unglaublich toll Musik sein kann, die nur für eine Situation geschrieben ist. So verhält es sich auch mit dem dritten Album der belgischen Musikerin Melanie De Biasio, Lilies, welches am 06.10.2017 erschienen ist. Denn Lilies ist nicht mehr und nicht weniger als ein perfektes Album für Intimität.

Die Belgierin wurde für ihr letztes Album No Deal von Seiten der Kritiker mit Lob überhäuft. Endlich gäbe es mal wieder eine hoffnungsvolle, europäische, weibliche Stimme im Jazz der Gegenwart, die die Emanzipation des Jazz von seinen verhärteten Strukturen vorantreibt. Lilies folgt dieser Tradition durch den ambivalenten Umgang mit den klassischen Mitteln des Jazz. In vielen Momenten offenbart das Album seine stilistischen Wurzeln, oft driftet es jedoch ab, hin zu Spoken Word, minimalistischen Instrumentierungen oder auch kleineren Klangexperiementen, die dem jungen Sun Ra gefallen hätten.

Die große Stärke von Lilies ist aber eindeutig die unglaubliche Dichte der erzeugten Atmosphäre. Melanie de Biasio kreiert eine – im positivsten Sinne – einhüllende Düsterkeit, die den Zuhörer wie ein Bettlaken umschmiegt und ihn in die Kissen drückt. Ihre Stimme wirkt gleichermaßen beruhigend wie dynamisch und sorgt dafür, dass man die Wärme, in die das Album einen bettet, mit jemandem teilen möchte. Lilies ist etwas für dämmrige Stunden in stilvollen Altbauwohnungen in der Wiehre, kalten Neubauten in Betzenhausen oder alten Schwarzwaldhäusern in Littenweiler – also doch irgendwie ein Album für alle Lebenslagen. Zumindest für alle, die bei Dunkelheit stattfinden.

von Maximilian Heß

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Mehr zur Platte erfahrt ihr am Dienstag, 10.10.2017, ab 19.00 Uhr

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