Schatzi!

Schatzi!

Ob Kurzgeschichte, Liebesgedicht, Romanausschnitt oder Poetry-Slam Text – Lu liebt Literatur! Auf uniCROSS stellen euch Mitglieder der Uni ihre Texte vor. Heute: “Schatzi!” von Marianne Habichhorst.

Schatzi!

Heute nacht, ja heute Nacht ist eine gute Nacht, Vollmond, es ist soweit! Heute Nacht bist du fällig, dein letztes Stündlein hat geschlagen. Vielleicht erwürge ich dich oder ich ersticke dich mit deiner Feinrippunterhose.

Hörst du, und es tut mir nicht einmal leid. Du hast schließlich auch kein Mitleid mit mir. Du Heuschrecke im geflitzten Stringtanga. Du hast mich das letzte Mal genervt und einen Schreikrampf ausgelöst. Na, da schleck mir doch einer meine Kartoffelsuppe leer, spuckt der mir zum Xten Mal in den Topf und glaubt, ich weiß es nicht! Für wie bescheuert hält der mich eigentlich? Schau dich doch nur an du biertrinkendes, ekelhaftes Monster, du feinripptragender Schwabbelbauch.

Das war endgültig der letzte Tropfen auf dem heißen Stein! Mit diesem Gedanken bin ich endlich eingeschlafen. Plötzlich ein lauter Knall. Verwirrt und zu Tode erschrocken fahre ich im Bett hoch. Doch der Rums war echt, was war das? Schnüffel, was stinkt hier so? Ein zaghafter Blick auf die Bettdecke, was sehen meine entzündeten Augen: Eine schmierig stinkende Pantoffel? Seine schmierig stinkende Pantoffel, wah, was für ein Geruch! Es sind bekannterweise die kleinen Dinge des Lebens, die besondere Freude machen.

Ein Ächzen und Stöhnen neben dem Bett, ich rolle mich zur Seite und blicke unter dem Bett hinüber auf die Feindseite: Oh wer liegt denn da auf dem Boden? Mein einzig Geliebter, mein Fetti, ausgerutscht auf seinem eigenen Pantoffel. Und was dem Fass den Boden ausschlägt, damit hat mich dieser Lackaffe aus meinem Schönheitsschlaf gerissen.

Es wird immer schlimmer mit ihm, volltrunken nach der letzten TV-Sendung in die Kiste und beim Versuch nachts zu Pinkeln, den Schädel eingeschlagen, das wäre doch eine echte Schlagzeile! Pech, gehabt. „Ah du tust mir leid Schatzi, Zähne zusammen beißen, du weißt ja, alles was dich nicht tötet macht dich hart, es wird schon Schatzi, soll ich dir helfen?“

Die Gelegenheit beim Schopf gepackt, mit einem Sprung bin ich aus den Federn, sprinte weltrekordverdächtig über den Flur ins Bad. Fast hätten mich meine untrainierten Fleisch- und Muskelmassen aus dem Gleichgewicht gebracht, aber ich habe die Erdanziehungskraft überlistet und bin als Erste im Bad. Ja, ich habe es geschafft, „i am the champion of the world“, atemlos schließe ich die Tür hinter mir, hinter mir.

Ich ertrage ihn einfach nicht mehr, stundenlang ist das Bad besetzt, die Zahnpasta nicht zugedreht und klar, die Reste verschmieren das Waschbecken. Verdammt, fast wäre ich auf seiner Feinrippunterhose ausgerutscht, sie liegt wieder neben dem Waschkorb! Das letzte Toilettenpapier gewissenhaft verbraucht, und und und…. Ich bekomme jetzt gleich wieder meinen morgendlichen Schreikrampf, obwohl ich normalerweise die Ruhe selbst bin. Nichts, rein gar nichts bringt mich zum Ausrasten, außer natürlich Er.

Ein Griff in die Schachtel. Seit einiger Zeit leide ich an unbeherrschten Schreikrämpfen und wenn ich schnell rede, dann speichle ich währenddessen auch noch, das liegt bestimmt am Valium. Ein Blick in den Spiegel: Rot geschwollene Augen und dunkle Ränder. Danke Schatzi ! Bis das der Tod uns scheidet Schatzi ! Ah, ich liebe ihn. Verdammt, so gehe ich zugrunde, was soll ich bloß tun? Das Vergiften mit der Fliegenpilzhaut hat leider nichts gebracht, außer Dünnpfiff. Das war wohl nix Madame Klugscheißerin. Und der einmeterfünfzig tomatige Giovanni, dieser mafiotische Zungenlecker? Für „uno piccolo Gefallen“, hat er mir versprochen mich zur Witwe zu machen. Oh, Mamma mia, na ja wenigsten war die Pizza danach gar nicht so schlecht.

Komisch, seit 10 Minuten bin ich einsame Herrscherin unserer Wellness-Oase und kein Grunzen an der Tür? Da stimmt was nicht! Mit einem leisen Seufzer der nie eingeräumten Niederlage raus aus dem Bad und rein in die Höhle des Löwen. Holla was ist denn das? Komisch so verkrampft und bewegungslos, die Augen starren zur Decke, er wird doch nicht, so plötzlich? Du mieses Schwein. Jetzt habe ich das Rattengift umsonst gekauft. Das passt wieder echt zu dir, stirbt ohne mich zu fragen, ja das war ja klar. Typisch, du weißt, dass es mir heute wirklich nicht passt. Heute Nachmittag habe ich einen Termin bei der Kosmetikerin. Du verdirbst mir wirklich alles, was mach ich nur. Na ja, ich will mal nicht so sein, du möchtest Gesellschaft? Gut so soll es sein, einer geht noch in den Keller, aber danach muss wirklich fachgerecht verputzt werden.

Eingewickelt in den rosaroten Bettvorleger zerre ich ihn über die Treppen in mein geliebtes Reich, das er niemals betreten hat, den Waschkeller. Rhythmisch klopft sein Kopf von Stufe zu Stufe eine Melodie, die kenne ich doch: Die Fuge von Beethoven. Ja du warst schon immer ein Klassikliebhaber. Was ich nicht alles für dich tue, mit letzter Kraft ein Grab geschaufelt. Verdammt mein Nagel ist hin, na ja die Kosmetikerin wird’s schon richten. Adieu mein Schatzi und pass gut auf deine Vorgänger auf.

Autorin: Marianne Habichhorst

Info

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Veröffentlicht am 15. Dezember 2017

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