Kolumne: Oh du stille Weihnacht

Kolumne: Oh du stille Weihnacht

Von drauß vom Walde kommt sie her, denn all die Jahre wieder weihnachtet es sehr. Leise rieselt der Schnee vor dem Fenster, während wir die „Fröhliche Weihnacht überall“-CD von Last Christmas rauskramen, dazu Jingle Bells summen und beim Tannenbaumkauf ganz genau prüfen, wie grün sind seine Blätter. Was Samantha sonst noch zu Weihnachten einfällt und was sie sich für zukünftige Weihnachtsfeste wünschen würde.

„Morgen Kinder wird’s was geben“? – na das glaube ich gleich. Es hat noch immer etwas gegeben und wenn wir an monströse, benzinschluckende Allradriesen, nach Süßigkeiten quengelnde Kinder in gruseligen Kostümen zu Halloween oder feudale Hummer-Strechlimousinen in peinlich pupertärem Pink denken, die kreischende Teenies zu ihren Tanzkurs-, Schulabschlussbällen oder schlicht zum wöchentlichen Besuch in die Dorfdisko kutschieren –  dann kommen diese guten Gaben nicht selten aus den USA. Besonders deutlich wird der Einfluss der USA dieser Tage, aber eben nicht nur an dem vorweihnachtlichen Geschenk Trumps an seine Wähler.

Ein friedliches Chanukka- und Weihnachtsfest für die Bevölkerung in Nahost – das stand wohl nicht auf dem Wunschzettel des amerikanischen Enfant terrible im Weißen Haus. Mal abgesehen von den möglichen Folgen seines Handelns, die der weltweiten Bevölkerung nun so schwer im Magen liegen, wie schlecht gewordene Weihnachtsplätzchen aus dem letzten Jahr, finden wir gerade in der Vorweihnachtszeit immer mehr Spuren für einen Clash der Kulturen.

Team Christkind vs. Team Santa

Dank US-amerikanischen Weihnachtsfilmklassikern wie „Tatsächlich Liebe“ mit dem unschlagbaren Hugh Grant, der berühmten Jagd nach einem Hickory Honigschinken in „Verrückte Weihnachten“ oder den Verteidigungskünsten von „Kevin – Allein zu Haus“ scheinen US-amerikanische Festtagstraditionen – im Gegensatz zu denen aus anderen Ländern – zunehmend Einfluss auf unser Weihnachtsfest zu nehmen: Begonnen bei den erbitterten Kämpfen von Team Christkind vs. Team Santa, über die – wie ich finde tatsächlich verdrängenswerte – Tradition von Würstchen mit Kartoffelsalat in Kontrast zu Weihnachtsgans und Festtagsbraten, bis hin zu den übergroßen Strümpfen, die am Kamin baumeln oder den flippig bunten Lichtspielen an den Fenstern, die jedes zwielichtige Etablissement für bezahlbare Liebe in den Schatten stellen.

Stille (Nacht) … 

Steht zumindest in den amerikanischen Weihnachtsfilmen der vorweihnachtliche Trubel bis zur letzten Minute von Heilig Abend im Fokus, der dann nach zehrenden Szenen an Supermarktkassen, widrigen Witterungsverhältnissen auf winterlichen Straßen oder furchtbarem Familienkrach in einer riesen Party mit der ganzen Familie, Nachbarschaft und dem Appell für Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Vergebung gipfelt, neigt man bei uns am Heiligsten aller Abende doch eher zu stiller Besinnlichkeit – mal abgesehen von der Gier des Einzelhandels oder der Nervosität darüber, ob man auch wirklich die Kerzen auf dem Adventskranz ausgepustet hat. 

Oh du bedrückende Weihnacht! 

Statt fröhlich schmissiger Gospel Chöre gibt es verhaltene Brummelgesänge der jährlich an Heilig Abend auftauchenden U-Boot-Christen und der bloße Anflug von überschwänglicher Freude beispielsweise über die Geburt dieses einen entscheidenden Kindes, scheint gerne mal überschattet zu werden von Predigten über diejenigen, die Weihnachten nicht mehr mit ihren Liebsten verbringen können und natürlich der obligatorischen Erinnerung an das unglaubliche Leid in der Welt.

Zwischen Weihnachtsplätzchen und Christstollen nimmt der Abend, den man mit Adventskalendern und -kränzen so herbeigesehnt hat, dann seinen gewohnten Lauf: Zu viel essen, dann mit schlechtem Gewissen ob des Leides in der Welt ans Auspacken all der tollen Gaben unterm Weihnachtsbaum machen und dabei das übliche “Das wäre doch nicht nötig gewesen” an der richtigen Stelle fallen lassen oder mehr oder weniger schlagfertig bekämpfen. Wenn Santa am Morgen des 25. Dezembers dann in den USA die Geschenke gebracht hat und die Feierei erst so richtig beginnt, ist hier zu Lande eigentlich schon wieder alles vorbei. Der Ärger über potenzielle Fehlkäufe unterm Weihnachtsbaum ist schon fast verflogen und die schwerste Entscheidung auf Deutschlands Sofalandschaften scheint darin zu bestehen, welchen der Phantastillionen Sendetermine von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ man wählt, damit es zu keiner Überschneidung mit „Sissi –  Schicksalsjahre einer Kaiserin“ kommt. 

Alles in allem ein ziemlich rapides und irgendwie unspektakuläres Ende für eine Zeit im Jahr, in die so viel Geld, Energie und Holzbestand investiert wird. Anders als bei umweltverschmutzenden Autoriesen in peinlichen Farben oder noch peinlicheren und völlig skrupellosen Präsidenten, die nicht gerade zur Bekämpfung des Leides in der Welt beitragen, wäre das etwas fröhlichere, wohlgelaunte und vor allem ausgedehntere Zelebrieren des Weihnachtsfestes, wie etwa in den USA etwas, das man meiner Meinung nach wenigstens auch noch übernehmen könnte.   

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und tut dies in ihrer Kolumne “Mein Senf” kund.

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und schreibt in ihrer Kolumne “Mein Senf” darüber.

Mehr Kolumnen von Samantha auf uniCROSS

Der Gleichklang von Wahl und Qual – Zufall?

Der erste Schritt in ein neues Leben führt zur Altpapiertonne

Emotionen WECKen

Mein postpubertäres Alter Ego und das präadultische Mini-Me

Body shaming – how about no!

Jedem Wahnsinn seine Unordnung

Der reisende Geduldsfaden

Von bittersüßer Nostalgie und Freundschaft

DIY? I did it my way!

Taxi bitte!

Surprise, Surprise …

Gegen den Strom in den Mainstream

Sind Messer heute den Schurken vorbehalten?

Liebesgrüße aus der Ferne

Heute ganz sicher vielleicht

Bild: Samantha Happ
Autoren:
Veröffentlicht am 12. Dezember 2017

Empfohlene Artikel