„Tragt es aus und guckt was passiert!“

„Tragt es aus und guckt was passiert!“

Die AfD sitzt im Bundestag – und viele Menschen fragen sich wie sie mit Sympathisanten rechter Ansichten umgehen sollen. Für die studentische Initiative ‚diskursiv‘ steht als mögliche Antwort das private Gespräch im Zentrum. Mariam Haydeyan ist eine der Gründerinnen und erzählt, was sie in Gesprächen erlebt und wieso der politische Diskurs wichtig ist.

Mit der Gründung der Initiative diskursiv im April 2017 an der Uni Bayreuth wollen sich Studierende den wiederaufstrebenden rechtpopulistischen Strömungen in unserer Gesellschaft entgegenstellen.

diskursiv will Sympathisanten rechtspopulistischer Positionen zum kritischen und persönlichen Gespräch auffordern. Um Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu unterstützen bietet die Initiative auf ihrer Website Argumentationshilfen zu rechtspopulistischen Positionen und Strategien zur Gesprächsführung an. Durch die auf Facebook veröffentlichte Serie „Schlüsselfiguren“ werden zudem Erfahrungen aus Gesprächen der Community zugänglich gemacht.

Mariam Haydeyan, Mitgründerin von diskursiv, studiert Philosophie und Ökonomie in Bayreuth.

Mariam, mit diskursiv möchtet ihr Studierende dazu aufrufen „mit Rechtsgeneigten über rechtspopulistische Ansichten“ zu diskutieren.

Die grundlegende Idee ist, dass wir in unserem privaten Umfeld sicherlich mit Leuten in Kontakt kommen, die mit dem Rechtspopulismus sympathisieren. Wir glauben, dass man diese Leute bestmöglich erreichen kann, indem man sie direkt und persönlich anspricht und sich so kritisch und informiert mit den rechtspopulistischen Einstellungen auseinandersetzt.

Was sind deine Erfahrungen aus den Diskussionen mit Anhängern rechter Ansichten?

Zum einen ist es erstmal die Erkenntnis: Da ist eine Person die dir nahesteht und du stellst fest: “Oha, die hat aber wirklich politisch und gesellschaftlich ganz andere Einstellungen als ich!“ Das ist ein sehr sensibles Thema, da das wirklich privat ist. Es fällt mir extrem schwer zu versuchen, das aufzubrechen und da ein bisschen einzudringen. Ich habe aber auch festgestellt, dass mein Gegenüber, und das vergisst man vielleicht, auch Interesse hat darüber zu sprechen.

Das klingt als hättest du erfreuliche Erfahrungen gemacht?

Es gab angeregte Gespräche, da war nicht das Resultat: Es sind Weltbilder umgeschmissen worden, sondern es war einfach die Offenheit und das Interesse am Gegenüber, das extrem viel bewirkt hat. Weil man gemerkt hat, dass man sich wertschätzt. Dann hatte man am Ende auch mal ein hitziges Gespräch, aber man hat etwas angestoßen und wusste: “Ok, nächstes Mal geht’s weiter!“

Kam es bei deinen Gesprächen auch zu negativen Reaktionen?

Während eines Gesprächs dachte ich, dass es mich störe, dass die Argumente so flach waren und dass die Person einfach total uninformiert schien. Was mich aber eigentlich gestört hat habe ich erst im Nachhinein festgestellt: Ich habe mich einfach nicht akzeptiert gefühlt! Ich hatte immer wieder versucht, nach seiner Meinung zu fragen, letztendlich hat er mich aber nie gefragt, wie ich darauf komme, was ich sage. Das war dann viel schlimmer als schlechte Argumente oder eine nicht konsistente Gesprächsführung.

Was war in deinen Gesprächen für dich am schwierigsten?

Ich weiß, dass es wichtig ist, prägnant zu bleiben und strukturiert zu argumentieren. In der Umsetzung ist das aber manchmal nicht so einfach. Ich habe mich auch schon im Gespräch erwischt, wie ich die Fassung verliere, wie ich sehr emotional reagiere und dann nicht mehr so gut auf den anderen eingehe, weil ich der festen Überzeugung bin, dass sich jetzt irgendwas verändern muss in der Person.

Du hast auch schon mal ein Gespräch abgebrochen.

Einmal hatte ich es einfach nicht mehr ausgehalten und mir gedacht: “So, ich beende das jetzt!“, habe mich umgedreht und bin gegangen. Im Nachhinein habe ich mich natürlich geärgert, weil die Idee hinter diskursiv ist, dass man nicht so schnell aus der Fassung kommt. Aber Gespräche zu führen ist ein Prozess, man lernt sehr viel. Ich habe das später reflektiert und beim nächsten Mal will ich das anders machen.

Gespräche zu führen, heißt nicht, dass es immer perfekt klappt, weil es einfach wirklich von Situation zu Situation anders ist. Das ist etwas das wir als Learning für diskursiv rausziehen: Jede Situation ist eine andere und darauf muss man die Leute vorbereiten, damit sie nicht so schnell enttäuscht sind.

Was sind deine Tipps für jemanden der diskutieren möchte und vor seinem ersten Gespräch steht?

Man sollte den anderen nicht verletzten, sondern immer respektieren und einen offenen Umgang pflegen. So wird ein Gespräch ein wirklich gutes und so kommt man auf die Essenz, auf die grundlegende Meinung der Person, zu sprechen. Wirklich respektvoller Umgang auf Augenhöhe ist besonders wichtig. Nicht dagegen wettern, sondern auch versuchen sich zu öffnen und den andern zu öffnen, sich dann zu begegnen.

Ihr bietet auf eurer Website Strategien zur Gesprächsführung an. Wie kann eine Gesprächsstrategie helfen?

Die Gesprächsstrategie hat mir geholfen, vorsichtig miteinander umzugehen, auf Augenhöhe miteinander zu kommunizieren, dem anderen zu signalisieren: “Hey, ich möchte erstmal hören wie du überhaupt zu deiner Meinung gekommen bist. Ich bin nicht per se dagegen, sondern ich möchte deine Ideen mit aufnehmen. Aber ich habe eine ganz klare Vorstellungen von einer offenen Gesellschaft, von einer demokratischen Gesellschaft und ich möchte, dass du die AUCH hörst!“.

Wie schaffe ich es, den Gesprächspartner, die Gesprächspartnerin dann auch in eine Diskussion zu bringen?

Natürlich soll man den anderen auch herausfordern, wenn man das Gefühl hat, der andere hat eine sehr engstirnige Sichtweise. Ihn konfrontieren mit Aussagen, die der Person entgegenstehen und ihn dazu anhalten, darüber nachzudenken. Damit er hinterfragt, ob das was er aus seinem eigenen Umfeld so hört, wirklich richtig ist.

Wie kann man mit Fakten in einer Diskussion umgehen?

Über Fakten zu sprechen ist auf jeden Fall eine der Ebenen, aber nur diese eine Ebene funktioniert nicht. Wenn man im persönlichen Kontext arbeitet, ist es extrem schwer, Fakten, Daten und Zahlen zu verarbeiten. Da gehört noch mehr dazu: Die Befindlichkeiten, die Ideen, die Ambitionen des Anderen auf einer Art emotionalen Ebene zu thematisieren. Viele Leute arbeiten im Gespräch mit Fakten, doch viele präsentierte Fakten sind so nicht korrekt, die müssen in Kontext gebracht werden.

… so einfach kann die Antwort auf Rechtspopulismus nicht sein.

Was nimmt man aus solchen Gesprächen mit Sympathisanten rechter Ansichten an Erkenntnissen mit, die vielleicht helfen, unsere Gesellschaft als Ganzes besser zu verstehen?

Ohne einen konkreten Schluss auf die gesellschaftliche Situation zu ziehen, fällt auf, dass man viel seltener den Kontakt zu gegenteiligen Meinungen sucht, dass man sich eher distanziert, sich zurückzieht, sich nicht traut, das nicht macht. Es gibt viele Leute, die Anhänger rechter Ansichten in ihren eigenen Reihen haben oder gar der eigenen Familien. Oftmals ist dann die Haltung: „Da habe ich jetzt echt keinen Bock darüber zu reden!“ Natürlich entstehen dann Blasen. Dann sitzt die eine Gruppe in ihrer und die andere Gruppe in einer anderen Blase. Man merkt wie wichtig es ist, da wirklich mehr zu kommunizieren. Es wurde vernachlässigt, sich mit den eigenen Reihen kritisch zu unterhalten.

Sollte die Lehre daraus sein, sich als Gesellschaft offener mit anderen politischen Meinungen auseinander zu setzten?

Der inhaltliche Diskurs ist wichtig und der gehört zu einer politischen aktiven Gesellschaft dazu. Ich denke es ist wichtig, dass man miteinander kommuniziert und das ist schon etwas das man lernen kann. Tragt es aus und dann guckt was passiert!

Wie sollte man, mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf, mit der aktuellen Zunahme von AfD-Wählern umgehen?

Ich würde mir wünschen, dass dieser Entwicklung auf natürlichem Wege etwas entgegengesetzt wird, durch Überzeugung. Dass die AfD gewählt wurde lag auch an der Alternativlosigkeit und dem Bedürfnis der Menschen, etwas zu verändern. Ich würde mir wünschen, dass der inhaltliche Diskurs so stark wird und so gut, dass die Leute das Gefühl haben, dass die verschiedenen Parteien wirklich unterschiedliche Interessen haben, damit man sich in einer der anderen Parteien doch wiederfinden kann. Der Diskurs sollte nicht nur innerhalb der eigenen Reihen stattfinden, sondern reihenübergreifend müsste viel mehr miteinander kommuniziert werden.

In Talk-Shows und in der Öffentlichkeit stehen sich oft Politiker verschiedener Parteien gegenüber. In den resultierenden Diskussionen wird selten auf einander eingegangen, sondern häufig lediglich die eigene Meinung propagiert.  

Ich war mir nicht sicher ob auch während der Wahl klargemacht wurde, dass Kontroversen gut und wertvoll sind. Unsere Parteienlandschaft ist vielfältig, die Parteien haben unterschiedliche Ziele und das muss deutlich werden, damit die Leute genau wissen, wo sie sich zugehörig fühlen. Man müsste erkennen, dass in den Parlamenten das politische Gespräch stattfindet, verschiedene Meinungen auf der Tagesordnung sind und es wirklich eine politische Debatte gibt.

Ist der persönliche Ansatz, also mit einzelnen Menschen Gespräche zu führen, auch im großen Maßstab effektiv?

Wenn jeder einzelne aktiv wird und über Rechtspopulismus spricht, dann kann damit extrem viel verändert werden. Wir haben schon den Anspruch viele Leute zu erreichen – denn nicht nur die Politik schafft Veränderung wir können das auch mit unserer Initiative.

Welche Pläne habt ihr, um mehr Leute einzubeziehen?

Wir haben uns bisher auf das persönliche Gespräch bezogen, aber wir wollen auch gucken was man anders machen kann. Wir überlegen, auch öffentliche Gespräche zu führen. In verschiedenen Städten an Universitäten Veranstaltungen zu organisieren, bei denen man von dem Gespräch unter vier Augen erzählt, im größeren Format diskutiert wird und mit vielen Leuten so eine Art Marktplatz daraus macht.

Wie soll es mit diskursiv weitergehen?

Die politische Situation und Entwicklung bereitet uns in letzter Zeit echt Sorge. Sie motiviert uns aber auch, nochmal aktiv zu werden. Daher sind wir glücklich, dass wir in der Lage waren, dem Verein Tadel Verpflichtet! e.V. beizutreten und eine Kooperation mit der Initiative Kleiner 5 in die Wege zu leiten. Nach dem Ziel zu verhindern, dass die AfD in den Bundestag zieht bleibt Kleiner 5 aktiv und weitet die Arbeit stark aus, auch regional – das passt perfekt zusammen.

Mitmachen und Info

Die Website von diskursiv mit Argumenten und Gesprächsstrategien findet ihr unter www.diskursiv.net
Wer bei diskursiv mitmachen möchte, kann sich auf der Website informieren oder schreibt an kontakt@diskursiv.net

In Freiburg in den Diskurs gegen Rechts einsteigen

Dunya Ballout engagiert sich bei Kleiner 5.

Seit kurzem befinden sich diskursiv und Kleiner 5 in enger Kooperation. Neben viel Kampagnenarbeit setzt sich Kleiner 5, wie diskursiv, für das persönliche Gespräch mit Anhängern rechter Ideen ein. Dunya Ballout studiert in Freiburg Politikwissenschaft und ist zurzeit für Kleiner 5 in Freiburg aktiv. Sie setzt sich für die Verknüpfung von Kleiner 5 mit anderen Initiativen in Freiburg ein.

Dunya Ballout stellt unter anderem Kontakt zur Allianz für Werteorientierte Demokratie (AllWeDo) her. AllWeDo ist ein Freiburger Verein der lokal mehrere Initiativen verbindet und sich über Dialog und Aktionen für die Stärkung der Demokratie einsetzt.

Am 28. April 2018 wird es eine durch AllWeDo organisierte Veranstaltungen in Freiburg geben, an der auch diskursiv und Kleiner 5 beteiligt sind.

Die Website von Kleiner 5 findet ihr unter www.kleinerfuenf.de, Kontakt könnt ihr über mitmachen@kleinerfünf.de aufnehmen.

Fotos: Julius Hoffmann, Johanna Skowronski (Teaser)
Veröffentlicht am 13. Februar 2018

Empfohlene Artikel