Linguistik für die Schule

Linguistik für die Schule

Wie bringt man angehenden Lehrern bei, guten Unterricht zu gestalten, Feedback zu geben und Theorie und Praxis zu verbinden? Dr. Anna Rosen, Dozentin am Englischen Seminar, hat sich damit beschäftigt und ist für ihr Seminar mit dem Landeslehrpreis 2017 ausgezeichnet worden. Johanna hat sich mit ihr über Lernersprache, Linguistik im Schulunterricht und Besonderheiten beim Vermitteln einer Sprache unterhalten.

Für das Seminar „Applying Linguistics in the Foreign Language Classroom“ hat Dr. Anna Rosen, Anglistin und ausgebildete Gymnasiallehrerin, Tondateien und geschriebene Texte von Schülern und Schülerinnen an vier Freiburger Gymnasien gesammelt. Diese Daten haben Studierende im Rahmen der Lehrveranstaltung dann in eigenen Forschungsprojekten ausgewertet. Sie haben die Stärken und Schwächen der Englischlernenden analysiert und überlegt, wie die Bewertung und das Feedback gestaltet werden kann. So verbindet Dr. Rosen linguistische Theorie und praktische Anwendung in einem Seminar.

Dr. Anna Rosen unterrichtet am Englischen Seminar.

Frau Rosen, Sie wurden für Ihre Lehrveranstaltung „Applying Linguistics in the Foreign Language Classroom“ 2017 mit dem Landeslehrpreis ausgezeichnet. Was haben die Studierenden in diesem Seminar denn bei Ihnen gelernt?

Ich wünsche mir, dass die Teilnehmenden lernen, welche Teile der englischen Sprachwissenschaft sie für ihren späteren Lehrerberuf mitnehmen können. Dass sie wissen, inwiefern ihre sprachwissenschaftliche Ausbildung hilfreich ist und konkret Anwendung finden kann. Bei vielen Methoden im Seminar müssen die Studierenden selbst aktiv werden, reflektieren oder auf ihre eigenen Erfahrungen als Englischlernende und Sprachwissenschaftsstudierende zurückgreifen. Das Kernstück ist aber, dass die Studierenden sich selbst Lernersprache anschauen und dazu forschen. Sie durchlaufen quasi den ganzen Forschungszyklus, von theoretischen Vorüberlegungen, Fragestellungen und Hypothesen, Daten auswerten – in diesem Fall Schülersprache – und den Überlegungen, wie man das im Licht der neuesten Forschungsliteratur einordnen kann.

Die Studierenden lernen also, wie sie das Linguistik-Seminar auch in der Schule einbringen können?

Ja, oder auch welche Methoden und Werkzeuge aus der sprachwissenschaftlichen Forschung relevant sind für die Schule. Das muss nicht heißen, dass man das dann eins zu eins so unterrichtet – das wird im seltensten Fall so sein. Aber man kann trotzdem diese Dinge einsetzen, um zum Beispiel Schülersprache zu bewerten, Feedback zu geben und sich Übungen für den Unterricht zu überlegen.

Der Fokus Ihrer Veranstaltung liegt auf einer Verknüpfung von Theorie und Praxis. Sehen Sie generell an der Uni den Bedarf, dass das mehr gefördert wird?

Ich bin da manchmal selbst zwiegespalten. Ich denke die vorrangige Aufgabe der Uni liegt nicht darin, eine praktische Berufsausbildung zu liefern, das können die Unterrichtenden hier an der Uni nicht leisten und das wollen wir auch gar nicht unbedingt. Ich glaube, der Schwerpunkt sollte, zumindest in den Geisteswissenschaften, darauf liegen, die Kompetenzen zu vermitteln und zu fördern, die später im Beruf wichtig sein werden.

Trotzdem denke ich, dass es gerade bei den Lehramtsstudierenden wichtig ist, den Schulbezug nicht aus den Augen zu verlieren. Viele kommen ja auch mit dem ganz klaren Ziel hierher, dass sie gerne später an der Schule unterrichten möchten und dann ist es auch schade, die nirgends abzuholen. Oft fehlt, glaube ich, nur dieses Quäntchen an Verständnis, warum man etwas lernt. Viele Lehrenden können das vielleicht auch nicht leisten, weil sie wenig Einblick in den Schulalltag oder die Bedürfnisse des Lehrerberufs haben. Daher kommt das oft zu kurz.

Was ist beim Vermitteln einer Sprache denn anders als bei anderen Fächern?

Der Gegenstand einer natürlichen Sprache ist etwas, das lebendig ist und das einem Wandel unterliegt. Englisch ist eine Sprache, die weltweit gesprochen wird, sowohl von Muttersprachlern aber noch viel mehr von Nicht-Muttersprachlern und für die es verschiedene Standards gibt. Für mein Seminar ist wichtig, dass man nicht immer klar sagen kann, so ist es richtig und so ist es falsch, weil es auch ganz viel dazwischen gibt.

Die Sprache wandelt sich und etwas, was man selber noch in der Schule gelernt hat, wird jetzt von Muttersprachlern nicht mehr so verwendet oder nicht mehr so eng gesehen. Beim Unterrichten einer Fremdsprache kommt auch noch dazu, dass der Unterricht Schüler dazu befähigen soll, zu kommunizieren und sich interkulturell angemessen bewegen zu können, das sind Aspekte die nicht so klar umreißbar sind wie zum Beispiel in der Mathematik oder bei einem Modell in der Biologie.

Was bereitet Ihrer Erfahrung nach Lehramtsstudierenden die meisten Schwierigkeiten?

Beim Referendariat wird man in den Einführungswochen ins kalte Wasser geworfen und soll Unterricht planen, Zeitmanagement und Methodenvielfalt haben und ich glaube, das ist sehr überwältigend am Anfang. Die Studierenden haben zwar viel gehört wie guter Unterricht aussehen soll, aber dann müssen sie ihn plötzlich planen. Bei den Sprachreferendaren kommt dann noch dazu, dass manche sich in der Fremdsprache sehr wohl fühlen und vorzügliche Sprachkenntnisse haben, andere aber nicht so sehr. Für die ist das dann zusätzlich noch schwierig.

Und wie waren die Rückmeldungen der Studierenden für das Seminar?

Die waren schon sehr gut und haben auch das hervorgehoben, was Sie vorher angesprochen haben, dass die Studierenden vor allem das Gefühl schätzen, etwas zu machen, das für ihren späteren Beruf wichtig ist. Da wurde deutlich, dass meine eigene Zielsetzung für den Kurs auch so wahrgenommen wurde.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Veranstaltung?

Ich würde mir wünschen, dass diese Art von Kurs auch für die anderen Fachwissenschaften, also Kultur- und Literaturwissenschaft entwickelt wird. Der Dialog zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik sollte enger geknüpft und weitergeführt werden und auch in die Umstellung auf Bachelor und Master für Lehramt hineingerettet werden. Ich finde, dass das nicht verloren gehen sollte, weil ich glaube, dass das eine wirklich wichtige Komponente des Lehramtsstudiums ist.

Über den Landeslehrpreis hat uniFM mit Dr. Rosen gesprochen

Info

Der Landeslehrpreis wird alle zwei Jahre für hervorragende Lehre und Didaktik vom baden-württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst verliehen. Ausgezeichnet werden herausragende Lehrveranstaltungen und Lehrkonzepte, bei einzelnen Preisträgern auch langjährige exzellente Lehre. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Das Preisgeld würde Dr. Rosen gerne dafür einsetzen, das Seminar auch in Zukunft weiterzubringen, zum Beispiel mit einer erweiterten Sammlung von Daten, die die Studierenden auswerten können.

Text / Fotos: Johanna Skowronski
Audio: Sebastian Müller-Runte
Veröffentlicht am 15. Februar 2018

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