Ganz viel Frauenpower

Ganz viel Frauenpower

Beim Projekt „kick for girls“ des Instituts für Sport und Sportwissenschaft der Universität Freiburg und der step stiftung betreuen Studentinnen Mädchenfußball-AGs an Freiburger Schulen. Warum Sportförderung gerade für Kinder mit Migrationshintergrund wichtig ist und wie das Projekt den DFB-Integrationspreis 2018 gewonnen hat, weiß die Bildungsreferentin Kathrin Freudenberger.

„kick for girls“ ist ein Projekt des Instituts für Sport und Sportwissenschaft der Universität Freiburg und der step stiftung Freiburg. 2009 wurde „kick for girls“ mit der ersten Mädchenfußball-AG an der Albert-Schweitzer-Hauptschule in Freiburg-Landwasser ins Leben gerufen.

Ziel des Projektes ist es mehr Mädchen, insbesondere mit Migrationshintergrund und aus sozial schwächeren Familien, einen Zugang zu Sport zu ermöglichen. Mittlerweile gibt es über zehn Fußball-AGs an Freiburger Grund-, Werkreal- und Realschulen.

Zusätzlich findet jährlich im Sommer ein großer „kick for girls“-Mädchenfußballtag statt – mit einem Fairplay-Turnier und buntem Rahmenprogramm zum Thema Fußball und interkultureller Vielfalt. Beim Mädchenfußballtag 2017 auf dem Sportgelände des PTSV Jahn haben 18 Freiburger Schulen teilgenommen, sowie die SC-Spielerinnen Myriam Krüger und Rosalie Reichert als Interviewpartnerinnen in der Talk-Runde.

Deutschlandweit haben sich 168 Projekte beim DFB-Integrationspreis beworben. „Kick for girls“ hat sich durchgesetzt und nun den 1. Preis in der Kategorie „Freie und kommunale Träger“ gewonnen.

Kathrin Freudenberger ist Bildungsreferentin bei „kick for girls“.

Frau Freudenberger, Sie sind wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sportinstitut der Uni sowie Bildungsreferentin bei „kick for girls“. Warum haben Sie sich mit dem Projekt beim DFB-Integrationspreis beworben?

Wir haben uns beworben, weil es uns gut gelingt die Zielgruppe Mädchen aus sozial benachteiligten Lebenslagen durch integrative Sportangebote zu erreichen. Das Konzept orientiert sich dabei am aktuellen Stand der Wissenschaft und wird fortlaufend durch das Sportinstitut wissenschaftlich evaluiert und aktualisiert. Das Projekt lebt von den hochmotivierten AG-Leiterinnen und den fantastischen Kindern und Jugendlichen. An elf Partnerschulen leiten wir mittlerweile Mädchenfußball-AGs mit wöchentlich über 100 Mädchen. Auch unser jährlicher Mädchenfußballtag ist sehr groß und bekannt geworden. Über 200 Teilnehmerinnen im Alter zwischen 6 und 16 Jahren nehmen daran pro Jahr teil. Alle Freiburger Schulen sind zu dem Sportfest eingeladen und es gibt ein großes Rahmenprogramm, damit die Schülerinnen auch wirklich miteinander in Kontakt kommen.

Warum ist gerade Sport so wichtig für die Förderung von Kindern?

Bewegung und Sport gehört zum natürlichen Bewegungsverhalten von Heranwachsenden. Durch die zunehmende Nutzung von modernen Medien, Kürzungen von Sportunterricht in den Schulen usw. wird das aber eingeschränkt. Gleichzeitig hat die Bewegungsförderung einen großen Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit von Kindern. Bei außerschulischen Sportangeboten besteht eine große Bildungsmöglichkeit. Kinder können viel durch Sport lernen, wie etwa Fairplay, Durchhaltevermögen oder mal verlieren zu können. Aber auch das Gewinnen gehört dazu, das stärkt das Selbstbewusstsein.

Außerdem werden durch unseren „kick for girls“-Mädchenfußballtag Kinder gezielt miteinander in Kontakt gebracht, die ansonsten durch die frühe Aufteilung in verschiedene Schulen, Schulformen und Klassen kaum Kontakt haben.

Beim Mädchenfußballtag werden Mädchen sowohl von Grund-, Werkreal-, Realschulen als auch von Gymnasien eingeladen. Die Gruppen werden durchgemischt, um über diese Separierung hinwegzukommen. So kann sich dann zum Beispiel ein Mädchen selbstbewusst positionieren, das schulisch vielleicht nicht so stark ist, dafür aber fußballerisch. Deshalb heißt unser Motto auch: „Vielfalt. Begegnung. Fairplay.“

Warum wurde Fußball als Sportart für die AGs gewählt?

Die Sportlehrerin an der ersten Partnerschule kam damals auf uns zu und fragte, was man machen kann, wenn die Mädchen sich gar nicht mehr bewegen können und wollen. Wir haben dann beschlossen, eine Sport-AG zu starten. Durch eine Umfrage unter den Schülerinnen haben wir dann herausgefunden, dass sie am liebsten Fußball spielen würden.

Vor zehn Jahren spielte Frauenfußball in Deutschland noch kaum eine Rolle und es war schwer für fußballinteressierte Mädchen ihr Hobby auszuleben. Durch die Weltmeisterschaft der Damen in Deutschland 2011 begann langsam ein Umschwung im Denken, welcher uns und vor allem den Mädchen zugutekam.

Die Übungsleiterinnen der AGs sind ausschließlich Studentinnen.

Am Anfang waren es auch Studenten. Wir wollen aber, dass die Übungsleiterinnen auch als Vorbilder für die Mädchen fungieren. Die meisten von ihnen spielen selbst aktiv Fußball. Teilweise haben auch sie bereits die Erfahrung gemacht, in Jungengruppen zu spielen, weil es keine Mädchenteams gab, oder auch, dass sie sich gegen Ablehnung der Sportart wehren mussten. Das hilft natürlich, um sich in die Mädchen hineinzuversetzen.

Ist es schwer immer wieder Studentinnen zu finden, die sich engagieren wollen?

Ja, dieses Jahr war es schwer ausreichend AG-Leiterinnen zu finden. Wir suchen fortlaufend, weil das Projekt mittlerweile groß geworden ist. Wir haben 20 AGs, 11 davon sind reine Mädchen-AGs. Bei uns engagieren sich Studentinnen, die sowohl fußballinteressiert, als auch kulturell sehr aufgeschlossen sind und sich gerne für Kinder und Jugendliche engagieren. Viele von ihnen gehen aufgrund dieser Interessen auch ins Auslandssemester, was uns ein Anliegen ist, damit sie sich weiterqualifizieren. Unsere AG-Leiterinnen sind sehr wissbegierig und kulturell offen, weshalb wir aber leider eine hohe Fluktuation im Team haben.

Engagieren sich die Studentinnen auch nach Beendigung ihres Studiums weiter für „kick for girls“?

„kick for girls“ ist im Moment noch ein sehr studentisches Projekt. Wir haben viele Lehramtsstudierende, die nach dem Studium ins Referendariat gehen. Andere verlassen nach dem Studium Freiburg. Dadurch müssen wir immer wieder neue Engagierte schulen, aber so bekommt man natürlich auch neuen Input. Zum Beispiel haben wir jetzt eine neue Studentin, die einen Freiwilligendienst in Marokko gemacht hat und dort ein Frauen-Fußballteam geleitet hatte.

War es leicht, die Schulen und Lehrkräfte dazu zu bringen, mitzumachen?

Sowohl Trainerinnen als auch Schulen zu finden war anfangs sehr herausfordernd. Was uns geholfen hat, war vor allem der Mädchenfußballtag Die Schulen empfinden die Veranstaltung oft als sehr positiv und meist wollen nach dem Mädchenfußballtag weitere Schulen eine kick-AG an ihrer Schule. Geholfen hat auch, dass an allen Schulen in Freiburg Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter eingesetzt werden. Unsere Erfahrung zeigt, dass diese und auch Lehrkräfte das Projekt sehr unterstützen. Teilweise wechseln sie die Schulen und wollen dann auch an ihrem neuen Arbeitsplatz eine AG aufbauen. Mittlerweile haben wir ausreichend Schulen und brauchen wirklich neue engagierte AG-Leiterinnen.

Sportförderung ist gerade an Schulen mit vielen Kindern mit Migrationshintergrund wichtig.

Die Förderung von Kindern Sport zu treiben, ist für alle wichtig. Jedoch zeigen Studien, dass vor allem weibliche Jugendliche aus unteren sozialen Schichten deutlich in Sportvereinen unterrepräsentiert sind. Die MoMo-Studie konnte nachweisen, dass die Kinder, welche nicht durch Vereine erreicht werden, deutlich besser über Schul-AGs erreicht werden.

Durch die AGs an den Schulen haben wir bei den Eltern einen Vertrauensvorschuss. Die „Vereinskultur“ ist etwas sehr typisches für Deutschland. Die Kinder, an die wir uns richten, bleiben oft außen vor, weil sie und ihre Eltern die Bedeutung von Vereinen im gesellschaftlichen Leben nicht kennen.

Wie sieht die Rückmeldung von Seiten der Schülerinnen und auch der Eltern aus?

Das Projekt wird von allen Seiten sehr positiv wahrgenommen. Die Eltern kommen zu den Turnieren und unterstützen die Mädchen. Auch Schulleiter und Schulleiterinnen haben mich angesprochen, um sich zu bedanken, weil die Rückmeldung von den Schülerinnen so positiv ausfiel. Gerade der Aspekt, dass wir keine Leistungsförderung wollen, sondern der Fokus auf dem sozialen Lernen und dem Miteinander liegt, spielt eine wichtige Rolle. Das wirkt sich positiv auf Verhaltensweisen im Schulalltag aus.

Inwiefern kann das Projekt auch Chancen für Schülerinnen im Fußballbereich eröffnen?

Viele Trainerinnen spielen in Vereinen, weshalb wir einen guten Kontakt zu den lokalen Vereinen, wie z.B. dem SvO Rieselfeld, dem PTSV Jahn Freiburg und dem PSV Freiburg haben. Die Mädchen, die Interesse haben, in einem Verein zu spielen, werden dann von unseren Trainerinnen in das Vereinstraining vermittelt. Auch zu den Mädchenfußballtagen laden wir Vereine ein, damit sie ihr Sportangebot vorstellen und die Mädchen dieses kennen lernen können.

Eine Schul-AG wechselte fast vollständig in einen Verein. Das wurde vor allem dadurch möglich, dass die AG-Leiterin auch Trainerin im Verein war. Dadurch wird Integration erleichtert, wobei Integration ein Prozess ist und Zeit braucht.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Projekts?

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass sich weiterhin so tolle AG-Leiterinnen für die Kinder und Jugendlichen engagieren. Davon lebt das Projekt. Und natürlich, dass die AGs den Kindern und Jugendlichen weiter große Freude bereiten und sie viel durch das Fußballtraining lernen, was ihnen auch außerhalb des Fußballplatzes hilft.

Außerdem wünsche ich mir die Fortsetzung der guten Kooperation mit den Lehrkräften, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern sowie mit den Vereinen. Da wir uns durch Spenden finanzieren, wünsche ich mir, dass wir weitere Geldgeber von unserem wichtigen gesellschaftlichen Engagement überzeugen können und noch andere Unterstützer und Unterstützerinnen finden.

Info

Informationen zum Projekt gibt es auf der Website: www.kick-for-girls.de

Wer Interesse hat sich beim Projekt „kick for girls“ zu engagieren, kann sich bei Kathrin Freudenberger (M.A., Bildungsreferentin, kathrin.freudenberger@kick-for-girls.de) melden. Ein Engagement ist in vielfältiger Weise möglich, zum Beispiel durch das Leiten einer AG, durch das Verfassen von Berichten über die Sportgruppen oder durch das Erstellen von Filmen über die Projekte.

Fotos: Anna Greule
Autoren:
Veröffentlicht am 29. März 2018

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