Was wäre wenn …

Was wäre wenn …

Studierende engagieren sich ehrenamtlich bei Bildung für alle e.V.: Der Verein bietet Deutschunterricht für Geflüchtete an, die aufgrund ihrer Herkunft nicht finanziell gefördert werden.

Auf der grünen Schultafel steht zwischen verschmierten Kreidestrichen: „Sie sind PräsidentIn/KanzlerIn“ – was würden Sie tun? „Wenn ich Präsident wäre, würde ich viele Wohnungen bauen“, antwortet einer der Teilnehmer des Kurses. Eine andere Deutschlernende scheint noch zu überlegen, bis sie schließlich sagt: „Wenn ich Präsidentin wäre, dann würde ich Deutsch einfacher machen!“ Ein Schmunzeln geht durch die Runde.

In den Räumen der Friedrich-Weinbrenner Gewerbeschule nahe des Eschholzparks im Stühlinger finden an diesem Donnerstag, wie beinahe jeden Abend, mehrere Deutschkurse des Vereins Bildung für alle e.V. parallel statt. Die Ehrenamtlichen Moritz, der nach seinem Soziologiestudium momentan Soziale Arbeit studiert, und Simone, die einen Psychologie-Bachelor abgeschlossen hat und nun mit dem Master beginnen möchte, wiederholen heute mit ihren Schülerinnen und Schülern den Konjunktiv II.

Mithilfe von Übungen wie dieser, wollen sie die Deutschlernenden dazu anregen, ihre Kenntnisse aktiv im Gespräch zu festigen und auch die Unterrichtssprache der Kurse sei durchweg Deutsch.

Statusunabhängige Deutschkurse

Die Entstehung des Vereins ist der Idee eines Freiburger Arbeitgebers zu verdanken: Ein neuer Auszubildender stammte aus Gambia, die fehlenden Deutschkenntnisse jedoch beeinträchtigten seine Lernfortschritte. Aufgrund seiner Herkunft stand dem Gambier keine staatliche Förderung für einen Deutschkurs zu. Anfang 2015 kam durch dessen Chef die Initiative zustande, auf welche der heutige Verein zurückgeht.

„Wir wollen genau diejenigen beim Deutschlernen unterstützen, die sich einen privaten Unterricht nicht leisten können und wegen ihres Status in Deutschland nicht gefördert werden“, sagt Moritz, der neben seiner freiwilligen Lehrtätigkeit auch im Vorstand des Vereins aktiv ist. Die unentgeltlichen Deutschstunden richten sich somit an all diejenigen, die in Deutschland Fuß fassen wollen und zu diesem Zwecke profunde Deutschkenntnisse erwerben müssen – und das statusunabhängig.

Mittlerweile ist die Initiative zum unabhängigen Verein avanciert. Insbesondere private Stiftungen und in Teilen ebenso die Stadt Freiburg, unterstützen Bildung für alle e.V., mithilfe dessen neben Lehrbüchern und weiterem Schulmaterial, auch Regiokarten für die Teilnehmenden sowie Schulungen für die unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer finanziert werden.

Kulturtransfer im Sprachunterricht

Viele der Ehrenamtlichen von Bildung für alle e.V. sind Studierende. Sie betreuen die Kurse in Lehrerinnen- und Lehrer-Tandems: Durch das bereitgestellte Lehrmaterial wird der Deutschunterricht durch Texte und Aufgaben zu Sprache und Kultur unterstützt. Hierdurch werden den Kursteilnehmenden neben der Grammatik des Deutschen auch kulturelle und landeskundliche Aspekte nahegelegt. Die Kurse werden gemäß des Europäischen Referenzrahmens mithilfe entsprechender Tests nach Sprachniveaus von A1 bis B1 gegliedert. Der Verein bietet des Weiteren grundlegende Kurse zur Alphabetisierung an.

Die Deutschlernenden erfahren heute auch, wie sie etwas „durch die Blume“ sagen können. Es handelt sich um eine Klasse der Niveausufe B1, in welcher grammatikalische Grundlagen im regen Dialog wiederholt und vertieft werden.

Auf Deutsch erzählt ein teilnehmendes Paar von einer bevorstehenden Reise, sie möchten sich mit spezifischem Vokabular auf die Situation am Flughafen vorbereiten. Sie werden nach Istanbul fliegen und dort ihre Familie nach drei Jahren wiedersehen. Auch Geschichten wie diesen zuzuhören, sagt Moritz, sei ein Bestandteil der ehrenamtlichen Arbeit im Verein. Dass seine Schülerinnen und Schüler sie auf Deutsch erzählen können, sei zudem ein Erfolgserlebnis für Lehrende und Lernende.

Praxisnahes Lernen

Im Nebenraum findet ein weiterer Deutschkurs des Vereins statt. Eine junge Iranerin sitzt in der hinteren Reihe und brütet stirnrunzelnd über der Aufgabe in ihrem Arbeitsheft. Im Iran habe sie ein IT-Studium absolviert: Diese Ausbildung anerkennen zu lassen erfordere jedoch sehr gute Deutschkenntnisse. Hier gefalle ihr vor allem, dass der Kurs nicht so theoretisch, sondern eher praxisorientiert sei: „Das macht es viel einfacher für mich, Deutsch auch zu sprechen.“ Zudem fügt sich ebenso der thematische Rahmen der Aufgaben ihrer Situation: An diesem Abend werden geläufige Höflichkeitsphrasen während eines Vorstellungsgesprächs besprochen.

Hinter dem Verein Bildung für alle e.V. steckt die Idee, jeder und jedem Neuankommenden in Deutschland eine gleichwertige Chance zu geben. Die Ehrenamtlichen setzen sich dafür ein, unabhängig vom politisch reglementierten Herkunfts-Status Deutschkenntnisse zu vermitteln, die der Ausgangspunkt für eine Arbeitsstelle und die soziale Integration sein können. Durch ihre Tätigkeit fragen sie durch die Blume: Was wäre, wenn jeder die Möglichkeit bekäme, Deutsch zu lernen? Und was würde geschehen, wenn diese Option nicht länger im Konjunktiv stünde?

Info

Der Verein Bildung für alle e.V. ist immer auf der Suche nach neuen Ehrenamtlichen, die sich als Lehrerinnen und Lehrer in den Deutschkursen engagieren möchten. Eine Fortbildung sowie Treffen unter den Helferinnen und Helfern ermöglichen, dass sich alle Freiwilligen ohne bestimmte Vorkenntnisse im Verein einbringen können.

Interessierte können sich auf der Website des Vereins informieren.

Mehr Infos zu Initiativen und Vereinen die sich für Geflüchtete einsetzen auf uniCROSS

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Foto: Verena Schieber
Veröffentlicht am 19. April 2018

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