„Alles in mir ist gehüpft“

„Alles in mir ist gehüpft“

Leistungssport auf Weltspitzenniveau und parallel ein Psychologiestudium? Anna-Lena Forster zeigt wie’s geht: Bei den diesjährigen Paralympics gewann sie gleich zwei Gold-Medaillen. Annkatrin hat mit ihr über verrückte Gefühle, das Feiern danach und ein Leben zwischen Uni und den Bergen gesprochen.

Anna-Lena, du bist sitzende Monoskifahrerin und hast bei den Paralympics 2018 gleich zweimal Gold gewonnen – in der Superkombination und im Slalom. Wie fühlt es sich an, an der Weltspitze zu stehen?

Ich hatte das Gefühl, ich stehe neben mir. Vorher hatte ich meistens Silber oder Bronze gewonnen, aber Gold bei einem Großereignis war noch nicht dabei. Als es dann soweit war, dachte ich, ich habe das geschafft, worauf ich die ganzen Jahre hingearbeitet habe. Alles in mir ist gehüpft. Ein ganz verrücktes Gefühl: Man ist aufgewühlt, euphorisch und kann es gar nicht so richtig begreifen.

Was war dein nervenaufreibendster Moment während des Wettkampfes?

Ich war nach dem Super-G Vierte in der Kombination. Die Startreihenfolge wird für den Slalom dann umgedreht, das heißt die Erste aus dem ersten Durchgang startet als Letzte im zweiten Durchgang. Also bin ich im zweiten Lauf vor den Favoriten gestartet und musste im Ziel warten bis die drei Führendenunten waren. Ich wusste, der Slalom ist meine Disziplin und dass ich da etwas rausholen kann.

Trotzdem war es enorm spannend, den anderen zuzuschauen. Man hofft ja nicht, dass jemand einen Fehler macht oder garrausfliegt, aber man möchte natürlich eine Medaille. Als dann die Zeit bei der Führenden rot wurde, sie also langsamer war als ich, dachte ich: „Das gibt es doch nicht, das kann doch nicht wahr sein.“ Ich konnte mich gar nicht mehr halten.

Wenn man gleich zweimal Gold gewinnt, hat man gleich zweimal Grund sich zu freuen. Wie hast du deinen Sieg gefeiert?

Der Slalom war ja am letzten Wettkampftag, da war dann unsere Abschlussfeier. Danach sind wir noch ins Alpenhaus gegangen und haben gefeiert. Es war eine lange Nacht …

Als ich wieder daheim war, kamen dann die ganzen Empfänge. Zwei Wochen lang jeden Tag einen Termin. Da habe ich auch zum ersten Mal gecheckt, wie viele Leute meinen Wettkampf mitverfolgt haben, wie viele Leute auch extra nachts aufgestanden sind, um sich das Rennen anzuschauen. Das war einfach überwältigend.

Du hast deine Goldmedaillen auch mitgebracht. Wo bewahrst du diese Erinnerung an deinen Sieg auf?

Das ist eine gute Frage. Bis jetzt waren sie noch viel mit mir unterwegs, ich habe also noch gar keinen festen Platz. Ich werde sie irgendwo für mich sichtbar aufstellen, damit ich mich auch immer wieder daran zurückerinnern kann. Ich denke, man hat nicht so viel davon, wenn man sie in den Tresor einschließt.

Hinter so einer Leistung steckt enorm viel Training und lange Vorbereitung. Gleichzeitig studierst du hier an der Uni Psychologie –  auch das erfordert viel Zeit. Wie schaffst du es, deine sportliche Karriere mit deinem Studium zu vereinbaren?

Ich studiere nicht in der Regelstudienzeit, sondern nehme mir die Zeit, die ich auch brauche. In sechs Semestern hätte ich das niemals geschafft – auch, weil ich im Winter so viel fehle und die Sachen im Sommer nachholen müsste.

Bevor ich angefangen habe zu studieren, habe ich mich mit dem Laufbahn-Berater des Olympia-Stützpunktes hier in Freiburg und der Uni zusammengesetzt. Er kümmert sich darum, dass die Sportler dual Karriere machen können, also Ausbildung oder Studium und Sport unter einen Hut bekommen.

Für die Uni war es von Anfang an klar, dass sie mich dabei unterstützt. Da habe ich wirklich Glück, dass die Uni und der Olympia-Stützpunkt so gut zusammenarbeiten und mich jeder unterstützt.

Wie sieht das Team hinter deinem Erfolg aus?

Wir haben zum einen das Team der Nationalmannschaft, mit denen wir immer Training in den Bergen haben. Es gibt einen Chef-Trainer, der das hauptberuflich macht, und viele Trainer zusätzlich, die immer rotieren. Immer dabei sind außerdem ein bis zwei Skitechniker und ein Physiotherapeut.Bei einem Großereignis wie den Paralympics werden dann nochmal deutlich mehr Trainer und Betreuer mitgenommen, damit wirklich alles rund läuft.

Dann gibt es noch das Team hier in Freiburg, zum Beispiel meinen Trainer am Olympia-Stützpunkt, mit dem ich einmal pro Woche trainiere. Für den Monoski habe ich eine Firma und ein Sanitätshaus, die mir helfen.

Wenn man das ganze Team zusammenzählt, dann sind das echt enorm viele Leute, auf die man zählt und auf die man auch ein Stück weit angewiesen ist, damit alles klappt.

Wie sieht dein Training im Winter aus?

Wir sind immer an verschiedenen Orten, damit wir eine möglichst große Variabilität an Pisten haben. Wir sind meistens in der Schweiz oder in Österreich, zum Beispiel in Saas-Fee,Hintertux oder im Stubaital. Ab und zu fahren wir auch nach Sulden in Südtirol.

Wir sind immer vier bis fünf Tage vor Ort, dann eine Woche daheim und dann wieder unterwegs … Das ist der Rhythmus, den wir meistens ab September haben. Da sitzt man viel im Auto und ist viel unterwegs – das ist auf die Dauer wirklich anstrengend.

Und im Sommer?

Auch im Sommer trainiere ich insgesamt sechsmal die Woche – immer abwechselnd Ausdauer, Kraft und Koordination. Dafür erstellt mir der Cheftrainer einen Trainingsplan. Einmal pro Woche trainiere ich mit meinem Trainer vom Olympia-Stützpunkt, weil man manche Trainingseinheiten oder Übungen nicht alleine machen kann.

Dort trainiere ich immer Kraft und Koordination, das heißt hauptsächlich Bauchmuskeln, Rumpfmuskulatur, Arme und Schultern. Ich sitze zum Beispiel auf einem Gymnastikball und wir werfen uns Bälle zu, sodass ich das Gleichgewicht halten muss. Also Dinge, die ich alleine nicht trainieren kann.

Die anderen Trainingseinheiten führe ich in Eigenregie durch. Für das Ausdauertraining setze ich mich zum Beispiel aufs Handbike oder gehe Schwimmen.Ich trainiere immer ungefähr zwei bis drei Stunden am Tag und das sechs Tage die Woche – ich habe also einen Tag pro Woche frei.

Kannst du oder würdest du in Zukunft gerne von deiner Sportkarriere leben?

Das ist für mich eher keine Option. Früher dachte ich, das wäre so cool, Leistungssport als Hauptberuf zu machen. Aber mittlerweile sehe ich das Ganze auch realistisch: Zum einen werde ich niemals von dem Leistungssport leben können und zum anderen möchte ich auch eine Perspektive für nach dem Sport haben.

In unserer Sportart ist man zwar vom Alter her relativ unbegrenzt – wir haben auch Leute dabei, die schon Mitte 40 sind. Aber irgendwann hat man, glaube ich, auch nicht mehr so die Motivation, dranzubleiben. Dann hat man vielleicht ja auch andere Pläne mit Familie oder Beruf.

Ich werde mich auf jeden Fall darum kümmern, dass ich danach eine Perspektive habe. Wenn ich mein Psychologiestudium dann fertig habe, stehen mir ja hoffentlich viele Türen offen.

Info

Beim Ski Alpin bei den Paralympics gibt es fünf Disziplinen, die alle ihre Besonderheiten haben: Abfahrt und Super-G sind die Speed-Disziplinen, Slalom und Riesen-Slalom sind eher technische Disziplinen. Bei der Superkombination setzt sich die Wertung aus Super-G und Slalom zusammen. Je nach Behinderung werden die Athleten unterschiedlichen Klassifizierungen zugeordnet: Stehend, sitzend oder blind. Innerhalb dieser Klassifizierungen gibt es dann noch verschiedene Zeitfaktoren, je nach Schwere der Behinderung.

Anna-Lena fährt sitzend Monoski. Sie sitzt fest in einer Sitzschale, die auf einem Gestell befestigt ist. Die Sitzschale ist genau auf sie angepasst und muss so gut passen wie ein Ski-Schuh. Das Gestell steht in einer Bindung auf einem einzelnen normalen Ski. Im Gestell selbst befindet sich ein Dämpfer (bei Anna-Lena ein Mountainbike-Dämpfer), der Schläge abfedert – das, was bei Skifahrern ohne Behinderung die Knie ausgleichen. Zusätzlich hat sie noch zwei kurze Krückenskiin der Hand, mit denen sie die Balance hält.

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Foto: Annkatrin Blessing
Veröffentlicht am 3. Mai 2018

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