Luisa ist hier

Luisa ist hier

Sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen ist unter anderem durch die #metoo Initiative wieder in den Fokus gerückt. Jetzt soll eine neue, deutschlandweite Kampagne dafür sorgen, dass Frauen sich im Nachtleben frei bewegen und sorglos feiern können. Seit einem halben Jahr gibt es “Luisa ist hier” auch in Freiburg.

Der Bass wummert, die Tanzfläche ist voll und die Stimmung ausgelassen – ideale Voraussetzungen für eine Nacht im Club, aber auch für unangenehme Situationen. Was tun, wenn man plötzlich eine fremde Hand am Po fühlt oder ein “Nein” nicht akzeptiert wird? Die Schwelle, sich zu überwinden und Tür- oder Barpersonal zur Hilfe zu holen, ist meist relativ hoch. Schließlich ist nie klar, ob und wie das Personal reagieren wird. In Freiburger Clubs soll die Kampagne “Luisa ist hier” dieses Problem angehen.

Ein sicherer Rückzugsort

“Die Kampagne ist eine Sensibilisierungsstrategie”, sagt Pia Kuchenmüller. Sie ist verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit bei Frauenhorizonte, die Frauenberatungstelle, die die Kampagne in Freiburg betreut und umsetzt. “Luisa ist hier” wurde im Oktober 2017 vom Frauen-Notruf Münster e.V. initiiert, mittlerweile machen 42 Städte aus Deutschland und der Schweiz mit. Wer sich in einer unangenehmen oder bedrohlichen Situation wiederfindet, kann sich mit der Frage “Ist Luisa hier?” ans Personal von teilnehmenden Clubs oder Bars wenden. Dieses bringt die betroffene Person zu einem separaten Rückzugsort, wo sie sich um ihre Bedürfnisse kümmern: Braucht sie ein Taxi, soll eine Freundin oder Freund geholt werden oder müssen drastischere Maßnahmen getroffen werden?

Hauptsächlich richtet sich die Kampagne an erwachsene Frauen, die sich im Nachtleben bewegen. “Es kann natürlich auch ein Mann betroffen sein, auch wenn das sehr selten ist”, sagt Kuchenmüller. Sie schätzt, dass 98 Prozent der Betroffenen weiblich sind.

Vor allem Frauen sind von sexueller Gewalt und Belästigung betroffen

Nach Initiativen wie #metoo und Skandalen von sexueller Belästigung und Missbrauchs, nicht nur in der abgekapselten Sphäre Hollywoods, ist das Thema wichtiger und präsenter denn je. Statistiken zeigen, dass 8.102 Fälle von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung in der Bundesrepublik innerhalb eines Jahres polizeilich untersucht wurden. In 7.622 Fällen davon waren Frauen betroffen. Die Zahl der nicht angezeigten Fälle ist wesentlich höher, denn Fakt ist: Jede siebte Frau wurde Opfer sexueller Gewalt, jede zweite schon einmal sexuell belästigt.

Pia Kuchenmüller ist verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit und das Fundraising der Fachberatungsstelle ‘Frauenhorizonte – gegen sexuelle Gewalt’ in Freiburg.

Das Anzeigen von Vorfällen sexueller Gewalt und Belästigung sind jedoch nicht das Ziel von “Luisa ist hier”. “Das Wichtigste ist, das es immer um die Frau geht”, betont Kuchenmüller. “Die Polizei sollte nur eingeschaltet werden, wenn die Frau das will.”

Denn je nach Vorfall, kann eine Aussage einen Offizialdelikt nach sich ziehen. Das bedeutet, der Situation wird von Amtswegen nachgegangen und nicht auf Antrag der betroffenen Person, und zieht unweigerlich ein Verfahren nach sich, ob die betroffene Person das möchte oder nicht. Auch das Studierendenwerk Freiburg ist sich der Bedeutung des Themas bewusst und macht bei der Kampagne mit. “Ich glaube gerade durch die #metooo-Bewegung wurde jede Bürgerin und jeder Bürger darauf sensibilisiert und auch wir haben die Problematik erkannt”, sagt Hardi Hänle, Chef der MensaBar. “Es muss für Frauen möglich sein, um Hilfe zu rufen.”

Initiative von oben

“Luisa ist hier” wird  von Frauenhorizonte umgesetzt und wurde vom ‘Runden Tisch für Sicherheit im Nachtleben’ in Freiburg eingeführt. “Die Clubs, die jetzt dabei sind, waren die, die spontan hinter der Idee standen”, sagt Kuchenmüller. Dietmar Ganzmann, ehemaliger Besitzer des El.Pis, war auch sofort von der Idee überzeugt und setzte die Kampagne sogleich um. “Ich halte es für eine sinnvolle und gute Sache. Man sollte allen Betroffenen helfen und gerade Frauen, die sich in der Situation möglicherweise nicht wehren können, einen sicheren Rückzugsort bieten”, sagt Ganzmann. Es sei ihm zudem wichtig, dass sich alle wohl und sicher fühlen.

Die Teilnahme ist kostenlos, Clubs bekommen Aufkleber und Plakate der Kampagne gestellt, mit Hilfe derer sie darauf aufmerksam machen können, dass sie teilnehmen. Auch eine kostenlose Schulung gehört dazu, in der das Personal eingewiesen wird. “Wir haben bemerkt, dass die Teams, die geschult sind, anders gucken, anders auf sich achten”, sagt Kuchenmüller und betont, wie wichtig die Gespräche mit den Mitarbeitenden seien: “Schon die Schulungsgespräche sind Prävention. Wir merken vor allem an jungen Männern, dass ihre Aufmerksamkeit sich steigert und sie wollen, dass Frauen sich in ihrer Gegenwart und im Club wohl fühlen.”

Bequeme Sitzhöhe: Ein Aufkleber mit Informationen zur Kampagne auf der Damentoilette in einem Freiburger Club.

Nicht jeder erkennt die Brisanz des Themas

Doch nicht alle Clubs sehen die Notwendigkeit für die Kampagne. Bisher machen in Freiburg lediglich neun Etablissements mit. “Es gibt ein paar gestandene Clubs, die nicht mitmachen”, sagt Kuchenmüller. Einige geben als Grund an, eigene Konzepte in diese Richtung umzusetzen. “Das können wir nicht überprüfen. Andere sehen die Notwendigkeit nicht, was vielleicht einer gewissen Naivität geschuldet ist, einem blindmachen wollen oder weil sie die Thematik auf dem Tisch als nicht so wichtig erachten, wie sie ist.” Angst vor falschen Anschuldigungen sei kein Grund, die Kampagne nicht umzusetzen: “Weder wird unsere Hotline missbraucht, noch die Kampagne. Das Thema eignet sich nicht so sehr für falsche Anschuldigungen, wie es manchmal von den Medien hochstilisiert wird”, sagt Kuchenmüller. Natürlich sei es wichtig, auch die andere Seite zu hören, falsche Anschuldigungen kämen in der Realität aber selten vor.

Nun ist die Kampagne ein halbes Jahr alt und die Clubs und Mitarbeitenden haben erstes Feedback gegeben. Der Ton ist grundsätzlich positiv, auch wenn eine Frage nicht fiel: “Ist Luisa hier?”. Damit hat Kuchenmüller auch nicht gerechnet und sieht es sogar als positives Zeichen. “Wir glauben, es funktioniert, weil eben nichts passiert.” Die Schulungen und der Austausch mit Mitarbeitenden und Plakate die deutlich kennzeichnen, dass hier die Kampagne präsent ist, würden eine sichere und entspannte Atmosphäre schaffen, die sexuelle Belästigung präventiert.

Info

Wohin kann ich mich in Freiburg wenden, wenn ich sexuelle Belästigung erfahren habe?

Unter frauenhorizonte.de findet ihr alle Informationen, die ihr braucht, eine Online-Beratung und die Notruf-Hotline ist 24/7 für euch unter 0761 285 85 85 erreichbar.

Die Universität Freiburg hat zwei Ansprechpersonen für das Thema sexuelle Belästigung und Stalking: gleichstellungsbüro.uni-freiburg.de

Alle wichtigen Infos zu “Luisa ist hier” findet ihr auch unter luisaisthier.de

Hilfe an der Uni Freiburg

“Es geht um Grenzüberschreitungen”

Quellen

Der Jahresbericht 2017 von Frauenhorizonte gibt euch einen Überblick und Statistiken zur Arbeit der Organisation und zum Thema sexuelle Belästigung (in Freiburg).

Das BKA und das BMFSFJ bieten bundesweite Statistiken zu sexueller Belästigung und Gewalt – bundesweit oder nach Bundesländern.

Unter dejure.org könnt ihr euch über die Gesetzeslage zu sexueller Belästigung informieren.

Alle Mitglieder und Aufgaben des ‘Runden Tischs für Sicherheit im Nachtleben’ gibt es hier.

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Fotos: Farina Kremer
Autoren:
Veröffentlicht am 11. Mai 2018

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