Album der Woche: Jamie Isaac (04:30) Idler

Album der Woche: Jamie Isaac  (04:30) Idler

Vieles an der Musik des aus London stammenden Produzenten und Songwriters Jamie Isaac klingt, als sei sie das Resultat geschmackssicherer Sample-Collagen. Bassa Nova Beats werden hier von federnd-jazzigen Klavierakkorden flankiert, die allesamt aus J Dillas Vinyl-Fundus stammen könnten. Doch wenn sich wie in der Single „Wings“ plötzlich Synthie-Klänge dynamisch zu gefährlichen Schwärmen verdichten, wird einem bewusst: Diese Musik ist nicht die Arbeit eines eremitenhaften Schlafzimmerproduzenten – Hinter ihr steckt eine Band aus Fleisch und Blut.

Doch Jamie Isaac zeigt auf seinem neuen Album nicht lediglich die Unzulänglichkeiten des Digitalen auf. Seine Musik ist paradoxerweise progressiv und konservativ zugleich. So bleibt es letztlich uneindeutig, ob er mit seiner Band versucht, digitale HipHop-Beats mit analogen Instrumenten nachzuempfinden oder ob seine Arrangements doch eine tiefe Verneigung vor der Virtuosität des Jazz darstellen. Hierfür spräche, dass er als eine der Haupteinflüsse der Platte Stan Getz und João Gilberto nennt, in deren Musik er sich während der Aufnahmen in San Francisco verliebt hat.

Es ist ein brillantes Verwirrspiel, das Isaac auf „(04:30) Idler“ veranstaltet. Während er auf dem Debüt Analoge Sounds noch mittels Software imitierte, ist auf dem Nachfolger nicht nur die Ästhetik, sondern auch die Stofflichkeit durch und durch organisch. Sein Drummer operiert mit der chirurgischen Lakonie von Questlove und die Piano-Akzente eröffnen Klanghorizonte, wie man es sonst nur aus Explosions In The Sky Tracks gewohnt ist. Und um hier keine Verwirrung aufkommen zu lassen: Mit Post-Rock hat „(04:30) Idler“ rein gar nichts zu tun. Dass ich hier dennoch diesen abwegigen Vergleich anstrenge, zeigt jedoch, dass man Jamie Isaac mit den gängigen Begrifflichkeiten des (Neo-)Souls und R&Bs nur bedingt gerecht werden kann.

von Julian Tröndle

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Mehr zur Platte erfahrt ihr am Dienstag, 05.06.2018, ab 19.00 Uhr

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Veröffentlicht am 6. Juni 2018

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