Selbstbewusst durchs Tanzen

Selbstbewusst durchs Tanzen

Menschen erzählen gerne Geschichten. Eine besondere Ausdrucksform des Erzählens ist der Tanz. Deshalb hat Christina Plötze, Tanzdozentin an der Uni Freiburg, gemeinsam mit Studierenden, dem Showteam Matrix und ORSOphilharmonic, ein gewaltiges Tanzprojekt mit Kindern und Jugendlichen auf die Beine gestellt, das am 16.6.2018 im Konzerthaus zu sehen ist.

Am 16. Juni 2018 findet eine außergewöhnliche Aufführung im Konzerthaus Freiburg statt: Unter dem Titel „Danse Générale – Mythen in Bewegung“ bringen insgesamt rund 80 Tänzerinnen und Tänzer eine riesige Perfomance auf die Bühne. Dabei wirken sowohl das weltspitzen Showteam Matrix mit, als auch Sport-Studierende mit dem Schwerpunktfach Tanz sowie rund 40 Kinder und Jugendliche. Darunter: Mädchen aus Schul-AGs des Projektes ‘kick for girls‘, sowie Schülerinnen und Schüler der Wentzinger Realschule.

Musikalisch wird die Performance vom Orchester und vom Chor von ORSO begleitet. ORSOphilharmonic ist der offizielle Veranstalter des Projekts. Christina Plötze, Choreographin und Tanzdozentin an der Uni Freiburg und Kathrin Freudenberger, Bildungsreferentin bei ,kick for girls‘, über eine beeindruckende Kooperation und die Verantwortung der Studierenden.

Gemeinsam mit Studierenden haben Christina Plötze und Kathrin Freudenberger  das Tanzprojekt realisiert.

Frau Plötze, wie kamen Sie auf die Idee, ein so großes Projekt auf die Beine zu stellen?

Plötze: Solche Projekte entwickeln sich immer sehr langfristig. Ich trainiere schon seit 2004 das Showteam Matrix und außerdem machen wir mit ORSO bereits seit 2010 jedes Jahr eine große Tanzproduktion im Konzerthaus. 2013 hatten wir ein ähnliches Projekt mit einem Turnverein und ich fand, dass wir das noch einmal machen müssen. Als Choreographin reift die Idee dann in mir über Jahre hinweg.

Die Wentzinger-Realschule macht mit, weil eine gute Freundin dort Lehrerin ist. Durch eine Kollegin am Sport-Institut habe ich von ,kick for girls‘ erfahren und fand, dass es toll wäre, sie mit in das Projekt einzubeziehen.

Die Veranstaltung trägt den Titel „Danse Générale“. Was steht dahinter?

Plötze: Wir setzen beim Projekt den sogenannten Community-Dance Ansatz, nach Royston Maldoom, um. Und Danse générale ist ja genau das: Ein Tanzen für jedermann. Auch mit Laien kann man Tanzkunst machen. Man entwickelt als Gruppe eine Choreographie und bringt das auf die Bühne. Es geht darum, dass man nicht zum Selbstzweck oder als Therapie tanzt, sondern tatsächlich um gemeinsam Kunst zu machen. Deshalb haben wir auch die Kinder in den Proben intensiv in die Entwicklung der Choreographie mit eingebunden.

Warum wurde als Thema „Mythen in Bewegung“ gewählt?

Plötze: Das hängt auch mit Community-Dance zusammen. Man beschäftigt sich gemeinsam mit einer Idee, einem Grundgedanken, in unserem Fall eben dem ,Erzählen‘. Das Thema ,Mythen und Märchen‘ war für mich schnell klar. Geschichten erzählen wir nämlich alle, in allen Kulturen, egal ob in Syrien oder in Freiburg. Es ist auch sehr wichtig, seinen Kindern Geschichten zu erzählen. Geschichten sind Teil unseres kulturellen Selbstverständnisses.

Mythen verbinden?

Plötze: Auf jeden Fall. Viele Märchen unterscheiden sich nicht groß zwischen den Kulturen. Die Urängste der Eltern sind überall die gleichen, daraus ziehen wir unsere Gemeinsamkeit. Und das betont auch Royston Maldoom. Gerade in diesen Community-Dance-Projekten, wenn man versucht unterschiedliche Menschen zusammenzubringen: Man muss die Gemeinsamkeiten, nicht die Unterschiede betonen. Das ist allgemein auch ein wichtiger Ansatz für Integration.

Freudenberger: Man muss viel offener sein, sich von der Perspektive der Unterschiede und der Abgrenzung entfernen und sich über die Gemeinsamkeiten definieren. Die sind nämlich größer als man manchmal denkt.

Plötze: Und die große Gemeinsamkeit ist ja der Tanz. In jeder Kultur wird getanzt.

Wie genau sind die Studierenden in das Projekt involviert?

Plötze: Die Studierenden haben in Gruppen die Choreographien der Kinder- und Jugendgruppen selbst entwickelt und die Kinder trainiert. Ich habe sie in einem Kurs an der Uni begleitet, der schon seit Oktober läuft, also weit vor Probenbeginn im Februar. So haben sie einen Teil der Aufführung, die fünf Märchen, vollkommen eigenständig choreographiert. Außerdem haben die Studierenden ja auch noch einen eigenen Teil in der Aufführung, „Daphnis und Chloé“, wo sie selbst tanzen, als Abschluss des Schwerpunktfachs Tanz an der Uni.

Freudenberger: Das Projekt ist studierendenorientiert. Die Studierenden werden zukünftige Lehrkräfte  und durch das Projekt können sie das, was sie theoretisch lernen auch direkt anwenden. Ihnen wird damit in einem geschützten Rahmen Verantwortung übertragen. Studierende werden befähigt, auf einer sehr hohen pädagogischen Basis etwas auszuprobieren.

Aber auch die Kinder haben ihren Beitrag zu den Choreographien geleistet.

Plötze: Ja, die Studierenden haben sie angeleitet, selbst Gefühle, Emotionen im Tanz auszudrücken. Zum Beispiel das Gefühl des Verlorenseins. Das ist ja etwas, was jedes Kind kennt. Es handelt sich um ein gemeinsames Gefühl, das aber jeder anders mit seinem Körper ausdrückt. Sie konnten dadurch ihre eigene Art der Körpersprache entwickeln und die Choreographie wird nicht von außen auf sie übergestülpt.

Freudenberger: Die Vielfalt unter den Kindern wird so wahrgenommen und wertgeschätzt. Es ist nicht so, dass sie alle die gleichen Bewegungen machen müssen, sondern sie drücken dieses Gefühl des Verloren seins individuell aus.

Die Probenphase hat erst im Februar angefangen. Damit war sie sehr kurz und mit der Aufführung ist das Projekt beendet. Welche Wirkung hat es auf die Kinder und Jugendlichen?

Freudenberger: Häufig wird bei einer Projektarbeit kritisiert, dass es nichts Nachhaltiges sei, aber das sehe ich in diesem Projekt nicht gegeben. Das wird ein wahnsinnig prägendes Erlebnis sein, vor circa 1.600 Zuschauern auf der Bühne zu stehen. Und nicht nur das: Die Aufführung ist das Schlussresultat, das alle wahrnehmen, aber das was wir eben auch miterleben und was ich wirklich faszinierend finde, sind die Proben vorher und die Entwicklung der Kinder. Ich habe mit einer Mutter gesprochen, die sagt, wenn ihre Tochter tagsüber in der Probe war, kommt abends ein, im positiven Sinne, verändertes Kind nach Hause. Der Weg bis zur Aufführung ist viel spannender als letztlich das Resultat. Auch die Kinder merken das selbst. Sie nehmen wahr, wie sie sich extrem verbessern und das fördert das Zutrauen und Vertrauen in sich selbst.

Plötze: Sie merken auch, wenn man etwas mit einer Passion macht, dann sieht das toll und glaubwürdig aus. Ich fordere diese Stärke und Größe auf der Bühne zu stehen ein. Man muss ihnen eine Herausforderung geben. Das ist auch das was an Erfahrung mitgenommen wird. Sie können daran nur wachsen. Der Weg ist letztlich unser Ziel. Diese Persönlichkeitsbildung, dieses Wachsen daran, sich für etwas Neues zu öffnen, für die klassische Musik und andere Kulturen, das ist unser eigentliches Ergebnis.

Info

Die Aufführung ist am 16. Juni 2018 im Konzerthaus Freiburg. Ermäßigte Tickets gibt es ab 17,65 Euro, Tickets zum Normalpreis ab 32,35 Euro.

Die Tickets bekommt man über die Website von ORSO.

Gründer und Dirigent Wolfgang Roese und die Choreographin Christina Plötze im Audio Interview von uniFM gibt’s hier.

Foto: Anna Greule
Autoren:
Veröffentlicht am 14. Juni 2018

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