Album der Woche: Tirzah – Devotion

Album der Woche: Tirzah – Devotion

In einem Sommer wie diesem wird selbst das Musikhören zu einer kathartischen Erfahrung. Wer schon einmal in einer auf 50-Grad aufgeheizten Dachgeschosswohnung mit lokalem Gangster-Rap konfrontiert war, weiß wovon ich spreche. Während man sich also durch diese nicht abebben wollende Flut an Unzumutbarkeiten quält, stößt dann plötzlich auf diese unwahrscheinlich entrückte Musik, die einem dann doch noch den Tag rettet.

„Devotion“ heißt dieses seltsame Album und stammt von der öffentlichkeitsscheuen Tirzah. Auf ihrem Langspieldebüt kombiniert die aus Essex stammende Musikerin modernsten R&B mit minimalistischem UK-Garage-Sound. Was dabei entsteht, ist eine Musik voller Leerstellen, die – freigelegt zwischen Lo-Fi-Beats, Voice-Samples und disharmonischen Synthesizern – eine Atomsphäre voller unruhiger Intimität erzeugt. Auch nach dem x-ten Durchlauf wurde mir nicht klar, wo im Song „Gladly“ die idealen Stellen zum Atmen sein sollen.

Die befreundete Produzentin Mica Levi tut ihr Bestes, diese Atmosphäre ja nicht in etwas Greifbares zu verwandeln. Mit ihrem Soloprojekt Micachu hat sie bereits mehrfach ihre Abneigung gegen konventionelle Arrangements bewiesen. Und im Sci-Fi-Film „Under The Skin“ untermalte sie die männermordenden Ausflüge eines von Scarlett Johansson gespielten Aliens mit klaustrophobisch-nervtötenten Dissonanzen. Nein, wer solche Freunde engagiert, kann es mit Charts-Ambitionen wirklich nicht allzu ernst meinen. Doch bei uns wird so viel Mut zum kommerziellen Selbstmord selbstverständlich mit dem Titel Album der Woche belohnt.

von Julian Tröndle

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Mehr zur Platte erfahrt ihr am Dienstag, 31.07.2018, ab 19.00 Uhr

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Veröffentlicht am 31. Juli 2018

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