Die Fantastilliarden-Feste

Die Fantastilliarden-Feste

Frühling und Sommer sind immer auch die Hochphasen freudenbringender Festivitäten, die heute gerne mal zu völlig feudalen Ereignissen werden. Warum die Globalisierung kultureller Bräuche und Traditionen wie Junggesellenabschiede nicht immer zwingend positiv ist, darüber macht sich Samantha dieses Mal Gedanken.

Abschlussbälle, Hochzeiten, Geburtstage: Schnöde Sektempfänge oder mit Häkeldeckchen verzierte Kaffee- und Kuchen-Tafeln sind im gesellschaftlichen Leben heute so selten wie der köstlich umherziehende Duft von frisch gebrühtem Kaffee aus der Filtermaschine in einer Welt von Vollautomaten.

Mit (zumindest scheinbar) steigendem Wohlstand und der ständigen wie ein Damoklesschwert über einem schwebenden Angst, das Leben womöglich nicht jede Sekunde in vollen Zügen zu genießen, kombiniert mit dem Wettbewerb dekorationswütiger-DIY-Fanatiker und den kulturellen Nachwehen einer globalisierten Welt, in der die bunte Farbpulverschlacht des indisch-religiösen Frühlingsfestes bereits zum Animationsangebot in Cluburlauben zählt, hat sich die Art und Weise des Lebens, vor allem was die Ansprüche beim Feiern diverser Anlässe betrifft, im Vergleich zu dem unserer Elterngeneration doch entscheidend gewandelt.

Junggesellenabschied vs. Polterabend

Längst ersetzen amerikanische Trends wie etwa Junggesellinnen- und Junggesellenabschiede mit Blumenkränzen und Krönchen im Haar, mit Superheldenverkleidungen oder klassisch unformierenden Gruppenshirts, die durch die Innenstädte ziehen, wie einst die Ratten durch Hameln, den klassischen Polterabend, der sich in Teilen Europas immerhin mit Ach und Krach ohne einen Sprung zu bekommen aus dem finsteren Mittelalter bis in die Postmoderne gerettet hat, um nun vor einem Scherbenhaufen des Seins zu stehen.

Kleine Weltreisen ins Eheglück

In Fällen strikter Verweigerung von Bauchläden und Nippesverkauf stürmt man stattdessen mit einwöchigen Fernreisen an tropische Sandstrände, in Shopping-Metropolen oder zu blattvergoldeten Wellnesswochenenden (die Kosten der Braut werden natürlich übernommen) den Gipfel von Dagobert Ducks Fantastilliardenberg. So sind einstige Hochzeiten in verrauchten Dorfgaststätten am Marktplatz mit Eiche-rustikal-Ausstattung und holzvertäfeltem Partysaal heute mit Junggesellinnen- oder Junggesellenabschied, standesamtlicher – und freier oder kirchlicher Trauung in allen Herrenländern – längst zu kleinen Weltreisen mutiert und selbst Geburtstagsfeiern gewinnen zunehmend an Umfang, wie Bruce Banner, wenn er wütend wird.

Als Student oder Studentin zwar mit Studijob aber trotzdem im stetigen, sorgenbereitenden Soll bei der Bank ziehen einem schon Geburtstagsfeiern mit Restaurant-Bar-Club-Geschenke-Kombi, ganz abgesehen von einer Woche Städtetrip oder ähnlichen Trends, mal eben für einige Monate die vitaminreiche Kost vom Teller – zwischen Spaghetti al burro und dem traurigen Anblick von Senf und Licht im Kühlschrank nimmt man so beim Eintreffen von Save-the-Date-Karten, Geburtstags-Einladungen und dem Aufpoppen neuer WhatsApp Geburtstags- und Junggesellenabschiedsgruppen gerne mal den technisierten Rechenschieber zur Hand während man Früherkennungsmerkmale für Herzinfarkte und die Adressen von nahegelegenen Schuldnerberatern googelt.

Der wohlverdiente Jahresurlaub

Nach Abzug aller zusätzlich benötigten Kleidungsstücke, Geschenke, Reise- und Unterkunftskosten sowie der verbrauchten Urlaubstage kann man sich dann auf seinen wohlverdienten und hart erarbeiteten Jahresurlaub freuen – zwei Tage am Flückiger See in Freiburg. Und die anschließende Diashow wird ein fantastilliardenlanges Vergnügen für all jene, die im Übereifer ihres nahenden Eheglücks oder Älterwerdens keinen Gedanken daran verschwenden, dass sie zum Einen für gewöhnlich nicht die einzigen Freunde sind, die heiraten oder altern und zum Anderen, dass man sich eben einfach nicht auf Dauer von Vitaminen und selbstbestimmten Urlaubszielen oder –zeiten trennen möchte.

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und tut dies in ihrer Kolumne “Mein Senf” kund.

Samantha findet wunderliche Dinge bemerkenswert und tut dies in ihrer Kolumne “Mein Senf” kund.

 

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Foto: Samantha Happ
Autoren:
Veröffentlicht am 5. September 2018

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