Gute Nacht liebe UB

Gute Nacht liebe UB

Seit dem 1. Oktober 2018 ist die UB von 24 bis 7 Uhr geschlossen. Lara und Katharina waren dabei, als die UB zum ersten Mal seit der Eröffnung die Türen schloss.

Montag, 1. Oktober 2018

Heute schließt die UB zum ersten Mal ihre Türen: Seit dem 21. Juli 2015 war die UB Freiburg 24 Stunden an 7 Tagen die Woche geöffnet.

22.00 Uhr

Es ist eine kalte Herbstnacht. Wir stehen vor der Bib und schauen uns die Fassade an. Das Licht leuchtet aus den Fenstern und erhellt die Straße. Alles sieht aus wie immer, nur stehen weniger Fahrräder herum als tagsüber. Von draußen kann man nicht erahnen, dass hier und heute die erste Nachtschließung stattfinden wird.

Während wir auf das warme Licht der Fassade schauen fragen wir uns: Wie soll man bloß die Drehtüren abschließen? Oder werden diese die ganze Nacht vom Sicherheitsdienst bewacht?

„Es gab eine Vielzahl von organisatorischen und baulichen Vorkehrungen, die vor der ersten Nachtschließung vorgenommen werden mussten“, sagt Ralf Ohlhoff, Leiter des Dezernats für Benutzung und Informationsdienste der UB. Dazu gehörte unter anderem, dass die Nutzer und Nutzerinnen rechtzeitig informiert wurden und die Beschriftung der Öffnungszeiten an den Außentüren geändert wurde.

Noch sieht es im Foyer aus wie immer, außer dass an der Haupteingangstür drei statt wie üblich zwei Sicherheitsmitarbeiter stehen. Im Laufe des Abends werden es noch mehr werden. Sie sollen dafür sorgen, dass um Mitternacht das Gebäude leer sein wird.

22.04 Uhr

Als wir unsere Sachen in ein Schließfach räumen, erklingt eine Durchsage. „Achtung es handelt sich um eine Testdurchsage. Die UB schließt um 24 Uhr. Wir bitten Sie alle das Gebäude rechtzeitig zu verlassen.“ Die Studierenden, die Sicherheitsmitarbeiter und wir lauschen der Durchsage. Irgendwie komisch, wie diese Stimme durch die UB hallt und alle zum Schweigen und Innehalten bringt. Spätestens jetzt ist klar, dass es wirklich Realität wird und die UB schließt.

22.10 Uhr

Die leeren Gänge im Untergeschoss der UB.

Wir wollen schauen, wie viele Studierende um diese Zeit noch in der UB sind. Wir gehen treppauf, treppab und zählen die Studierenden in den Lesesälen und im Parlatorium. Wir kommen auf 98, mit uns sind also noch 100 Studierende in diesem Gebäude. Nicht viele, wenn man bedenkt, dass das bei 1.700 Leseplätzen gerade mal eine Belegung von circa 6 Prozent bedeutet. Doch was tut dieser harte Kern noch so spät abends in der UB?

22.20 Uhr

Bei den Schließfächern treffen wir auf Martin. Martin studiert Jura und schreibt gerade an einer Hausarbeit. Er kam regelmäßig spät in die UB. Wie findet er es, dass die UB ab heute nachts geschlossen sein wird? „Während der Vorlesungszeit finde ich es in Ordnung, während der vorlesungsfreien Zeit aber nicht. Normalerweise bin ich am Abend gekommen und habe dann bis um zwei oder später meine Hausarbeit durchgeschrieben. Ich bin nicht der Nachtlerner, aber wenn man die neuen Auflagen der Bücher haben will, dann muss man entweder morgens um sechs Uhr auf der Matte stehen oder erst sehr spät kommen. Es gibt 2 Bücher für 300 Studierende, die die gleiche Arbeit schreiben und das zwang mich, nachts zu kommen.“

Ab 22 Uhr sind nicht nur jede Menge Sitzgelegenheiten, sondern auch jede Menge Schließfächer frei.

22.25 Uhr

Während sich die UB immer mehr leert, treffen wir am Snackautomaten auf Stella, die Psychologie studiert. Zur Nachtschließung sagt sie: „Nachts waren nie Leute hier. Ich persönlich war nur zweimal nach null Uhr da.“

22.30 Uhr

Viel Platz für uns zum Notizen machen.

Wir setzen uns in den dritten Stock des Parlatoriums und auch auf dieser Etage ist kaum ein Platz belegt. Am Fenster sitzt ein Student und schaut sich etwas auf Netflix an. Im Foyer unterhalten sich ein Mann und eine Frau. Ihr Gespräch hallt durch das ganze Parlatorium. Ansonsten ist es sehr still. Wir flüstern automatisch, weil es irgendwie komisch wäre, sich in normaler Lautstärke zu unterhalten. Die Neonröhren summen, Kleider rascheln leise, das Bing des Aufzugs tönt um die Ecke. Die Atmosphäre ist ruhig und entspannt, fast schon einschläfernd.

22.40 Uhr

Wir gehen nach draußen um ein bisschen frische Luft zu schnappen.  Vor der Tür stehen verschiedene Grüppchen von Studierenden. Sie rauchen, unterhalten sich, dann verabschieden sie sich und gehen nach Hause. Sie werden nicht dabei sein, wenn die UB zum ersten Mal ihre Türen schließt.

22.50 Uhr

Das Café Libresso ist fast ausgestorben.

Zurück in der UB merken wir: Langsam herrscht Feierabendstimmung, alles ist entspannt und ruhig. Bis jetzt ist es nicht anders, als an anderen Abenden, nur dass inzwischen vier Sicherheitsmitarbeiter vor der Haupteingangstür stehen und sich leise unterhalten.

Im Libresso wartet Eva auf ihren Zug nach Berlin, sie hat vor drei Jahren Umweltwissenschaften in Freiburg studiert und sagt zur Nachtschließung: „Gerade wenn ich an die Angestellten denke, dann finde ich es gut, dass die UB nachts geschlossen wird. Als Studentin war ich zwar auch manchmal nach zwölf in der Uni, aber ein gesunder Tag- und Nachtrhythmus ist ja auch sehr wichtig.“

22.55 Uhr

Außer Eva sitzen im Café Libresso noch Radovan und Lisa. Sie machen eine Lernpause und unterhalten sich über die anstehende Hausarbeit. „Ich bin normalerweise immer nachts hier“, sagt Radovan. „Deshalb finde ich die Schließung nicht gut. Ich lerne nachts einfach besser und ich bezweifle, dass tatsächlich so viel Geld eingespart wird, wie angekündigt.“ Lisa ergänzt: „Ich habe auch immer nachts meine Hausarbeiten geschrieben, weil mehr Bücher zur Verfügung waren, die tagsüber verliehen sind.“

23.20 Uhr

Wir gehen noch einmal los, um durchzuzählen. Im Untergeschoss sitzt noch eine Studentin, die vorhin auch schon da saß. Tapfer, dass sie es alleine da unten so lange aushält. Im Stillarbeitsbereich sind insgesamt noch 20 Studierende, die meisten sitzen im zweiten Stock im Juridicum. Im Parlatorium sind insgesamt noch 23 Studierende. Das macht 43 Leute, 45 mit uns und damit eine Belegung der Arbeitsplätze von 2,53 Prozent. Und dabei ist es noch nicht mal Mitternacht.

23.30 Uhr

Der vierte Stock des Parlatoriums – so leer wie tagsüber nie.

23.42 Uhr

„Achtung. Die UB schließt um 24 Uhr. Wir bitten Sie alle, das Gebäude rechtzeitig zu verlassen.“

Die ersten Studierenden folgen der Aufforderung. Sie packen ihre Sachen zusammen und verschwinden nach draußen in die Nacht. Die Sicherheitsmitarbeiter besprechen sich und auch wir haben unsere Sachen schon mal aus dem Schließfach geholt.

23.43 Uhr

Der Eingang zur Milchstraße ist schon geschlossen –  abgesperrt, mit drei schwarzen Türen, die von außen angebracht sind. So wird auch der Haupteingang für die Nachtschließung präpariert werden.

23.48 Uhr

Die Türen, mit denen der Haupteingang der UB nachts verschlossen wird, warten auf ihren ersten Einsatz.

Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes rollen die Türen für den Haupteingang heran. Die Drehtür wird angehalten.

Ab jetzt können die Studierenden die UB nur noch durch den Eingang des Café Libresso verlassen. Zwei Mitarbeiter beginnen die Türen zu montieren.

23.53 Uhr

Die Nachtschließung an der UB wird nun auch von höchster Stelle begleitet: Rektor Schiewer kommt, leger in Freizeitkleidung und mit einem Buch in der Hand. Er stellt sich zu den Sicherheitsmitarbeitern und unterhält sich mit ihnen.

23.55 Uhr

Immer wieder kommen Studierende, laufen zur Drehtür, schauen verdutzt die schwarze Barrikade an, die das Hinausgehen verhindert und werden dann vom Sicherheitspersonal angewiesen, die UB durch den Eingang am Café Libresso zu verlassen.

23.58 Uhr

So langsam fühlen wir uns ein bisschen unwohl, da wir quasi die letzten sind …

0.00 Uhr

Time to say goodbye.

Eine letzte Durchsage ertönt: Wer die UB jetzt nicht verlasse, der begehe Hausfriedensbruch und das könne zur Anzeige gebracht werden.

Da machen wir uns lieber auch auf den Weg und gehen mit einem letzten verbliebenen Studenten zum Ausgang. Ein Sicherheitsmitarbeiter folgt uns. Ein weiterer wartet an der Tür zum Café Libresso. Wir gehen nach draußen in die kühle, dunkle Nacht. Hinter uns wird die Tür abgeschlossen.

0.02 Uhr

Durch die beleuchteten Fenster sehen wir, wie die Sicherheitsmitarbeiter die einzelnen Stockwerke durchlaufen, um sicherzugehen, dass sich niemand mehr im Gebäude befindet. Wir machen uns auf den Weg zu unseren Fahrrädern. Wer vergisst sein Fahrrad bis 24 Uhr aus der Fahrradgarage zu holen, muss bis zum nächsten Morgen um 7 Uhr warten.

0.04 Uhr

Alles zu, alles leer … die Türen der UB sind zum ersten Mal seit der Eröffnung geschlossen.

Wir schwingen uns auf die Fahrräder und fahren nach Hause.

Gute Nacht liebe UB!

Hintergrund

Das Rektorat begründet seine Entscheidung, die UB nachts zu schließen, in einer Pressemitteilung damit, dass „die Kosten für Strom, Wärme und Wasser [..] in den vergangenen Jahren […] deutlich gestiegen“ seien. Hinzu komme der vermehrte Besucherstrom, der die Kosten ebenfalls steigen ließ und die Kosten für den Sicherheitsdienst „in den Nachtstunden und aufgrund der sehr hohen Auslastung des Neubaus auch über Tag.“

Durch die Nachtschließung sollen jährlich 300.000 Euro gespart werden. Diese will das Rektorat laut Pressestelle „nutzen, um sie an anderen Stellen bedarfsgerechter und effektiver einzusetzen und neue Freiräume zu schaffen.“

Schaut man sich die Auflistung der Bewirtschaftungskosten des Gebäudes genauer an, so sind die Reinigungskosten mit 685.000 Euro jährlich der größte Kostenfaktor. Auch diese Kosten erklärt die Pressestelle der Universität mit den gestiegenen Entsorgungs- und Lohnkosten und der gesteigerten Besucheranzahl. „Die Reinigungskosten lassen sich, konstante Betriebszeiten und Besucherzahlen vorausgesetzt, nicht senken, ohne zugleich die hygienischen Standards abzusenken. Dies ist für die Universität keine Option – im Interesse der Besucherinnen und Besucher der UB.“

Mehr zur Nachschließung mit Zahlen, Daten, Fakten findet ihr in der Pressemitteilung vom 13.9.2018:

www.pr.uni-freiburg.de/pm/2018/nachhaltiger-umgang-mit-ressourcen-erfordert-nachtschliessung-der-universitaetsbibliothek

Fotos: Lara Wehler und Katharina Tippmann
Veröffentlicht am 12. November 2018

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