Studium mal anders

Studium mal anders

Soziales Engagement mit universitärem Lernen verknüpfen – das war das Ziel des BOK-Kurses „Service Learning“, der im vergangenen Sommersemester zum zweiten Mal anlief. Dabei konnten sich Studierende in ausgewählten Initiativen rund um das Thema Interkulturalität einbringen. Vier Studierende erzählen was sie in ihren Projekten erlebt haben.

Überschrieben mit dem Thema Interkulturalität und Migration, wollte der neue BOK Kurs  im Sommersemester 2018 das Engagement von Studierenden auch an der Universität verankern. Wer sich nicht bereits ohnehin in einem Projekt engagierte, hatte die Auswahl zwischen verschiedenen Kooperationspartnern: Von Hochschulgruppen wie „Uni für Alle“, Vereinen wie „zusammen leben e.V.“ bis hin zu Projekten der Stadt. Begleitet wurde diese Praxistätigkeit von Workshops wie Projektmanagement, Mediation, Interkulturelle Kompetenzen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Reflexionsveranstaltungen im Kurs.

 Carla und Maria, 7. Semester Ethnologie

Bildunterschrift: Carla und Maria engagieren sich in einem Projekt des Freiburger Vereins “zusammen leben e.V.

Carla und Maria engagieren sich bei „zusammen leben e.V.“. Ziel des Freiburger Vereins ist es, mit Projekten wie ihrem Gemeinschaftsgarten oder dem „zusammen Café“ auf dem Grethergelände Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenzubringen. Über Service Learning fanden Carla und Maria, beide Ethnologiestudentinnen im siebten Semester, zu dem Projekt „zusammen kartoffeln“. „Dabei treffen wir uns ein bis zwei Mal die Woche, bauen gemeinsam mit Geflüchteten Kartoffeln an und stellen daraus dann Pommes und eigene Soßen her“, erklärt Carla das Projekt. Das fertige Produkt in selbst gestalteter Verpackung haben sie bereits auf verschiedenen Straßenfesten verkauft.

Von Anfang an wichtig war den beiden, etwas Praktisches und Handwerkliches zu machen. Nicht nur weil das eine Abwechslung zur Uni sei, sagt Maria. Ein gemeinsames, praktisches Projekt schafft für die beiden zudem auch kein solch starkes Gefälle zwischen den Teilnehmenden. „Wir sind im Projekt nicht diejenigen, die helfen. Stattdessen bringt jeder seine Fähigkeiten ein und so ist es vielmehr ein Treffen auf Augenhöhe.“

Vertraut wurde die Gruppe schnell miteinander. „Ich denke, es ist einfach die Atmosphäre“, sagt Maria. „Dass man dort zusammen sitzt, Beete umackert oder Verpackungen gestaltet und gemeinsam an etwas arbeitet.“ Carla nickt. „Man wird eigentlich ohne viele Worte miteinander vertraut.“

Gleichzeitig konfrontierte sie ihr Projekt auch mit der Realität vieler Menschen mit Fluchterfahrung. Carla erinnert sich vor allem daran, dass viel mehr Geflüchtete das Projekt anfangs begonnen hatten. „Mittlerweile wurden allerdings sehr viele nach Donaueschingen ‘verlegt’ – wie es offiziell heißt.“  Sie zuckt etwas hilflos die Schultern. „Und das ist natürlich irgendwie krass und für uns auch das erste Mal, direkt mitzuerleben, wie die Menschen im System stecken und teils einfach keine Chance haben, Asyl zu bekommen.“

Ihr Projekt war für beide letzlich jedoch sehr besonders. „Einfach weil es den Menschen eine Möglichkeit gibt, zusammen zu kommen“, sagt Maria. „Und man dadurch auch das Gefühl hatte, man hört nicht immer nur Nachrichten und füllt seinen Kopf mit irgendwelchen Utopien, sondern tut tatsächlich etwas. Und es hat auch einfach viel Spaß gemacht.“

Antonia, 2. Semester Liberal Arts and Sciences

Antonia hat bei der step-stiftung ein eigenes Projekt initiiert, das Geflüchteten und Deutschen ermöglichen möchte, Fußball-AGs gemeinsam zu leiten.

Antonia, Liberal Arts and Sciences Studentin im zweiten Semester, ist seit einem Jahr Trainerin bei der step-stiftung Freiburg. Ziel der Stiftung ist es, Kindern über Fußball-AGs wie „kick for girls“ oder „kick for refugees“ einen einfachen Zugang zu Sport zu ermöglichen. Während des Service Learning Kurses hat Antonia dort ihr eigenes Projekt entwickelt und durchgeführt: „kick tandem“.

Während ihrer Zeit als Trainerin bemerkte sie, dass es hautpsächlich deutsche Studierende waren, die den Kindern Fußball beibrachten. „Ich dachte dann, dass sicher viele Leute, die neu in Deutschland sind, ebenso kompetent wären, diese AGs zu leiten.“ „kick tandem“ will deshalb Deutsche und Geflüchteten-Coaches zusammenbringen, um AG-Leitungen auch als Tandems möglich zu machen.

Sechs Coaches mit Trainererfahrung hat sie mittlerweile gefunden, die sich vorstellen können, eigene Gruppen zu übernehmen. Sie stammen aus Gambia, Mazedonien, Syrien oder dem Kosovo. „Ich glaube, Fußball ist einfach etwas, das Menschen von überall verbindet“, sagt Antonia. „Das kann jeder machen und bedarf keiner großen Sprachkenntnisse oder irgendeiner formellen Bildung.“

Ihr Projekt setzt damit dort an, wo für Antonia teils noch viel fehlt. „Aus meiner Wahrnehmung gibt es zu wenige Plattformen, auf denen sich Menschen, die neu hier sind und die schon länger in Deutschland sind, einfach begegnen können.“ Ein Kurs an der Uni, der ihr die zeitlichen Kapazitäten gegeben hat, ein solche Plattform aufzubauen, sei deshalb sehr wertvoll gewesen. „Das Projekt hätte ich wahrscheinlich auch so durchgeführt, aber der Kurs hat vor allem zeitlich nochmal vieles erleichtert und in den Workshops nochmal neue Impulse gegeben.“

Mit ihrem Projekt ging es ihr jedoch letzlich auch darum, die Sicht auf geflüchtete Menschen zu überdenken. „Vor kurzem sagte mir einer der neuen Coaches, dass ja nicht nur wir als Trainer etwas geben, sondern wir genauso von den Kindern lernen“, erinnert Antonia sich. Das Erlebnis brachte für sie auf den Punkt, wie eindimensional die Sicht auf Geflüchtete oft ist: „Menschen mit Fluchterfahrung sind nicht nur die ‘Bedürftigen’, für die Angebote geschaffen werden, sondern genauso Leute, die sich selbst sozial engagieren, etwas gestalten und anderen beibringen können.“

Marc, Sportwissenschaften im 8. Semester und BWL im Nebenfach

Marc ist in ehrenamtlichen Projekten des SC Freiburgs und beim Jugendhilfswerk aktiv.

Marc, Sportstudent im achten Semester, verknüpft ebenfalls sein langjähriges Hobby mit sozialem Engagement. Seit vier Jahren ist er Athletik-Trainer für die Fußballer des SC Freiburg und dort auch in vielen sozialen Projekten aktiv.  Während des Service Learning Kurses fand er jedoch auch zum Jugendhilfswerk, wo er sich als Leiter in einer Nachmittagsbetreuung einbringt, die Hausaufgabenbetreuung mit Sport verknüpft. Ziel des Jugendhilfswerks ist es, die Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit von arbeitsmarktfernen Jugendlichen aus verschieden Nationen zu erhöhen.

Mit Kindern zu arbeiten hat Marc schon immer viel Spaß gemacht. „Bevor ich meine erste Ausbildung gemacht habe, wollte ich eigentlich Kindergärtner werden”, sagt er. Auf dem Land war das jedoch weniger gerne gesehen und so orientierte er sich um. Er machte eine Ausbildung zum Physiotherapeuten, begann seine Arbeit als Athletik-Trainer und schließlich auch das Sport-Studium. Dass es das eigene Hobby ist, das er mit sozialem Engagament verbindet, ist für ihn unabdingbar. „Sonst werde ich nicht glücklich in meiner Arbeit“, sagt er über seine Motivation sich zu engagieren. „Ich habe immer gute Erfahrungen mit Sport gemacht, vor allem im Jugendalter.“ Das will er auch ein Stück weitergeben.

Wenn er an besondere Momente mit den Kindern denkt, erzählt er vom Füchsle-Camp, einer Fußball-Freizeit des SC Freiburgs für Kinder. „Viele Jungs im Camp haben oft eher wenige Bezugspersonen gehabt. Wenn die dann jemanden finden, der ihnen Aufmerksamkeit schenkt, entsteht schnell eine sehr enge Beziehung.“ Manchmal sei das fast schon mehr, als man im Moment in seiner Rolle geben könne, doch genau wegen solcher Chancen, die Projekte wie diese bieten, engagiere er sich.

Dass der Service Learning Kurs Universität und Engagement verknüpft, findet er wichtig. Dennoch fehlen ihm an der Universität mehr Raum und Zeit für soziales Engagament. „Man muss sich eben primär selbst die Zeit nehmen. Von der Uni kommt da nicht unbedingt viel Wertschätzung und Anerkennung“, kritisiert Marc. „Vielleicht müsste es ein Fenster geben, wie bei Erasmus auch, in dem man sich einfach frei sozial einbringen kann und das dann auch honoriert wird.“

Info

Unter Vorbehalt der Sicherung der finanziellen Mittel, ist der BOK-Kurs Service Learning auch für das kommende Sommersemester 2019 geplant. Einsatzfelder sind in diesem und voraussichtlich im kommenden Semester Interkulturalität und Migration, Umwelt und Nachhaltigkeit und Politische Interessensvertretung. Weiterhin ergänzt wird der Kurs durch eine Supervision, Workshops und Reflexionsveranstaltungen. Insgesamt können sechs ECTS Punkte erworben werden.

Mehr Infos auf der Website: www.zfs.uni-freiburg.de/de/service-learning

Fotos: Mona Zeuner
Autoren:
Veröffentlicht am 13. November 2018

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