Das Senfglas ist leer …

Das Senfglas ist leer …

Anders als Herr Lohse in Pappa ante portas kauft man seinen Senf für gewöhnlich nicht in hundertfacher Ausführung. Gerade in einem Singlehaushalt kann so ein Senfglas so schon mal zum Lebensabschnittsgefährten werden. Wenn der Lebensabschnitt dann plötzlich zu Ende geht, kommt das meist überraschend. Samantha über die Bedeutung eines leeren Senfglases.

Ganz entgegengesetzt dem eigentlichen Ankunftsgedanken, der dem Weihnachtsfest in seiner Beschaffenheit als Geburt schließlich seit je her – oder schätzungsweise seit 7 – 4 vor Christus – zugrunde liegt (#itsaboy), wird die Vorweihnachtszeit, wenn man sie mal mit nüchternem, vom Glühwein ungetrübten Blick betrachtet, allerdings doch in immensem Maße von Abschieden, Abschlüssen und Endzeitstimmung überschattet. Seien es betriebliche Jahresabschlüsse, die Vollendung unliebsamer oder offener Projekte vor dem Jahreswechsel oder das bis heute viel zu eherne Vorhaben, sich am Silvesterabend mit großem Knall und Tamtam aus dem vergangenen Jahr zu verabschieden, indem man tonnenweise Schwarzpulver und Kohle verpulvert.

Weder einen großen Knall mit Tamtam noch eine betriebswirtschaftliche Bewandtnis hat es allerdings für meinen Entschluss gebraucht, das Ende einer Ära von nun mehr zweieinhalb Jahren mal mehr, mal weniger wortgewitzter Würze einzuläuten.

Wie auch in Partnerschaften ist das Ehelichen eines Versprechens, wie etwa in wiederkehrenden Abständen Erzeugnisse zu generieren, die anderen Freude bereiten und sie bestenfalls zum nachhaltigen Nachdenken bezüglich Nachhaltigkeit, Nächstenliebe und Nonkonformismus anzuregen, eine Beziehung, die niemals leichtfertig eingegangen noch dauerhaft konfliktfrei verlaufen kann. Denn die Basis all dieser Beziehungsformen ist ein ganz entscheidendes Element: Die Emotion. Wie es dem Bauer sprichwörtlich an Wille fehlt, die Diversität des Ernährungsspektrums auf seinem Teller zu erweitern, so funktioniert das „Kolumnieren“ eben nur dann, wenn man sich emotional in Ärgernisse des Alltags, Ungerechtigkeiten umweltbedingter Umbrüche und unhaltbarer Umgangsformen sowie sonderbar seltsamer oder aber auch frohlockend-freudiger Ereignisse reinsteigern kann.

Das kann sehr anstrengend sein, vor allem unter dem metronomischen Ticken einer verstreichenden Deadline, die an einem Pferdehaar über einem schwebt wie ein Damoklesschwert, in stetiger Ungewissheit darüber, wann das letzte Löffelchen Senf in feinster Akribie aus dem Glas gekratzt wurde, während man tief in sich hinein hört, Erlebtes erfühlt, durchdenkt und – als ob das noch nicht schwierig genug wäre – dann auch noch bestenfalls in anregender Form zu Papier bringt. Gleichzeitig ist es ein therapeutisches Aufarbeiten und Aufbereiten von Themen und Temperamenten, eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Vorstellungen und Werten, eine Form der reflektierten Selbstoptimierung und Weiterentwicklung für die es zwar zumindest keiner teuren Therapiestunde bedarf, doch bei der Halbherzigkeit und Stillstand ebenso verwerflich wären, wie sich in der heutigen Zeit für Antisemitismus und Fremdenhass einzusetzen.

In jeder Beziehung gibt es die Phasen des Zweifelns, der Unzufriedenheit und des Umbruchs – und genau aus diesem Grund ist es nun an der Zeit, eine Auszeit zu nehmen, besagten Umbruch zu wagen, neue Wege zu gehen und die unglaublichen Weiten der Senfregale dieser Welt zu erkunden, um dann vielleicht eines Tages, mit einem neuen Glas zurückzukehren und wieder mit pikanter Würze oder völlig exotischen Komponenten aus dem Vollen schöpfen zu können.

Mein Dank geht an alle, die sich mir in den letzten Jahren bei dieser Reise angeschlossen haben, die im Alltag nicht auf „Mein Senf“ verzichten wollten, auch wenn sie im Gegensatz zu meinem Umfeld die Chance dazu gehabt hätten, weswegen es mir jetzt aus tiefster Rührung anmutet, als hätte ich versehentlich einen zu großen Löffel vom extra scharfen Senf genascht.

Ich wünsche allen eine schöne und erholsame Weihnachtspause und einen guten Start ins neue Jahr 2019, was auch immer es uns bringen mag!

Samantha Happ findet wunderliche Dinge bemerkenswert und tut dies in ihrer Kolumne “Mein Senf” kund.

Samantha findet wunderliche Dinge bemerkenswert und hat diese zunächst zum letzten Mal in ihrer Kolumne “Mein Senf” kundgetan. Sie wird sich nun voll und ganz dem Abschluss ihres Studiums widmen, ein kleinen Teil der großen Welt bereisen und fände dann einen Doktortitel vor dem Senf nicht uninteressant. Trotzdem ist sie sich sicher, dass sie dem Journalismus nicht nur aus wissenschaftlich-theoretischer Perspektive treu bleiben wird.

 

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Foto: Julia Nestlen
Autoren:
Veröffentlicht am 18. Dezember 2018

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