Zusammen ist man weniger allein

Zusammen ist man weniger allein

Ein Schwabentor im badischen Freiburg, eine Baden-Württemberg-Stadt mitten im Bundesland und eine verlorene Landeshauptstadt. Eine Hassliebe – aber wie heißt es doch so schön? Was sich liebt das neckt sich. Oder etwa nicht?

Der Legende nach, versuchte einst ein schwäbischer Kaufmann mit Fässern voll Gold Freiburg aufzukaufen und handelte sich so schallenden Spott und Gelächter ein. Wie sich dann auch noch herausstellte, war die geizige Ehefrau wenig begeistert von der Idee und befüllte die Fässer mit Sand und Steinen, statt mit Gold. So entstand eine heimische Anekdote, die einem badischen Wehrturm einen schwäbischen Namen gab und dazu führte, dass mitten in Baden ein Stadttor kurzerhand zum Schwabentor getauft wurde.

Ob das Geschehen im Mittelalter wohl der Anfang aller Klischees und Streitigkeiten zwischen Badenern und Schwaben war?

Zunächst einmal muss wohl gesagt werden, dass man fälschlicherweise von Schwaben spricht, und dabei doch eigentlich Württemberg meint.
Baden und Württemberg sind dynastische Begriffe, Alemannen und Schwaben hingegen Stammesbegriffe“, erklärt Werner Mezger, der an der Universität Freiburg Professor für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie ist und seinen Schwerpunkt auf südwestdeutsche Regionalkultur gelegt hat. 

Die Witze, die Badener so gern und oft über ihre Nachbarn machen, seien jedoch meistens Einbahnstraßen. Der liebevoll kultivierte Konflikt zwischen den beiden, habe sich erst nach der Einigung zu einem gemeinsamen Südweststaat herausgebildet. Hinter all den Klischees und Späßen stecke ein Gefühl des Zukurzgekommenseins seitens der Badener erklärt Prof. Dr. Mezger. „Bei der Gründung des Bundeslandes 1952 hat Baden mit Karlsruhe seine Hauptstadt verloren. Auch wenn man versuchte den Verlust mit einer Münzprägeanstalt oder bundesweit relevanten Rechtsinstanzen aufzuwerten, ersetzt all das jedoch keine Hauptstadt eines ehemals selbstständigen Landes.“

Badener führend in der Gastronomie

Quantitativ gab es zur Zeit der Gründung des Bundeslandes mehr Württemberger, welche von Beginn an dafür waren, die Länder zu fusionieren. Auch das hat zum Unterlegenheitsgefühl der Badener beigetragen, da sie zahlenmäßig unterlegen waren. „Wenig hilfreich dabei ist auch die Tatsache, dass sich der industrielle Schwerpunkt Baden-Württembergs um die Landeshauptstadt Stuttgart konzentriert. Die Badener haben hingegen im Bereich der Gastronomie die Nase vorn“, sagt Prof. Dr. Mezger.

Auch wenn die Badener vornehmlich die Klischees gegenüber ihren „geliebten“ Nachbarn pflegen, so lassen es sich die Württemberger hin und wieder auch nicht nehmen eine spitze Zunge zu haben. So lautet der Werbeslogan des badischen Weins beispielsweise ganz neutral „Badischer Wein, von der Sonne verwöhnt.“ Die Württemberger hingegen werben mit „Kenner trinken Württemberger.“ Wer also badischen Wein trinkt, ist kein Kenner. Solche Sticheleien werden von den Badenern mit Freude angenommen um sich sogleich den nächsten Spaß einfallen zu lassen.

Villingen-Schwenningen als „Baden-Württemberg-Stadt“

Doch auch 66 Jahre nach der Vereinigung der beiden Länder gibt es neben unterschiedlichen Weinvorlieben noch weitere Trennungslinien innerhalb des Bundeslandes. Deutlich wird das besonders in einer Stadt Baden-Württembergs: Villingen-Schwenningen. Der Bindestrich im Namen der Stadt metaphorisiert dasselbe wie auch im Namen des Bundeslandes, eine Fusion zweier ehemals selbständiger Parteien, die eine badisch, die andere württembergisch. 1972 wurden die beiden, zuvor eigenständigen Städte, aufgrund einer Gemeindereform zu einer Doppelstadt zusammengeführt.

Die sogenannte „Baden-Württemberg-Stadt“ teilt sich mittlerweile ein gemeinsames Klinikum und seit 2003 Dr. Rupert Kubon als Oberbürgermeister. „Die Trennung beeinflusst bis heute den Alltag. So sind die meisten Sportverbände quer durch die Stadt getrennt. Die Teilung der Großkirchen verläuft mitten hindurch und die verschiedenen Tageszeitungen versuchen sich in einem allgemein schwierigen Markt der Printmedien auf Kosten des jeweils anderen Stadtteils zu profilieren“, sagt Dr. Kubon.

Die Städte könnten verschiedener nicht sein: Villingen als ehemals vorderösterreichische, katholische Stadt und Schwenningen als evangelisch-württembergisches Industriedorf. So möchte beispielsweise jeder – gerade bei emotionalen Dingen wie der Fasnacht – seine Traditionen lieber selber pflegen. Deshalb werden neben den Häs der Narros, auch die Umzüge durch die zwei Innenstädte klar getrennt. Das zeigt, wie tief kulturelles Gedächtnis verankert ist.

Diese Art von Lokalpatriotismus wird in Baden durchaus stärker gepflegt als in Württemberg. „Die Badener zeigen gern ihre Besonderheiten“, sagt Prof. Mezger. Dazu gehören neben Klischees eben auch Sticheleien oder unterschiedliche Weinvorlieben.

In Wirklichkeit gibt es jedoch weder eine ethnische Verwerfung, noch einen realen Konflikt. Man pflegt diesen viel lieber spielerisch und amüsiert sich am steten Wettrennen darüber, wer wo die Nase vorn hat. Und vielleicht ist es ja gerade dieser Konflikt, der den Südweststaat ausmacht, denn den Badenern und den Schwaben würde auf jeden Fall etwas fehlen, wenn sie einander nicht hätten.  

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Info

Baden-Württemberg liegt im Südwesten von Deutschland und wurde 1952 gegründet. Es wurden die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zusammengefasst. Die heutige Landeshauptstadt ist Stuttgart im Norden des Landes. Es ist nach Bayern und Niedersachsen flächenmäßig das drittgrößte Bundesland, hier leben über 11 Millionen Menschen.  

Eine Gemeinschaftsproduktion von Maria Hummel, Frauke Pielhau, Konstantinos Orfanidis, Isabelle Jentzsch (Foto) im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft.

Seminarleitung, Redaktion: Silvia Cavallucci, Ragna Plaehn, Andreas Nagel

Veröffentlicht am 16. Januar 2019

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