Gesund durchs Studium!

Gesund durchs Studium!

Nächstes Jahr ist die Einrichtung eines Gesundheitspasses für alle Studierende der Universität Freiburg geplant. Katja hat mit Prof. Dr. Juliane Besters-Dilger, Prorektorin für Studium und Lehre, über psychische Belastungen, Regelstudienzeit und den geplanten Gesundheitspass gesprochen.

Die Universitätsbibliothek ist nicht nur in der Prüfungsphase bis auf den letzten Platz gefüllt, sondern auch während des Semesters tummeln sich hier viele Studierende, um das Lernpensum zu erfüllen. Dass die psychische Belastung bei vielen Studierenden durch das viele Lernen und den fehlenden Ausgleich enorm ist, hat auch die Uni Freiburg erkannt und bereits einige Angebote ins Leben gerufen. Prof. Dr. Juliane Besters-Dilger stellt ein neues Angebot vor, den Gesundheitspass, der 2019 eingeführt werden soll.

Prof. Besters-Dilger ist Prorektorin für Studium und Lehre.

Frau Professor Besters-Dilger, der Gesundheitspass ist für 2019 geplant. Was ist das?

Der Gesundheitspass, der nur vorläufig so heißen wird, ist eine Kooperation zwischen unserem Institut für Sport und Sportwissenschaft, dem Allgemeinen Hochschulsport und der AOK – Die Gesundheitskasse Südlicher Oberrhein. Es wird grob um die Elemente Sport, psychische Gesundheit und gesunde Ernährung im Studium gehen. In welcher Form der Gesundheitspass für die Studierenden zugänglich sein wird, online oder als kleines Heft, steht noch nicht fest. Im Gesundheitspass werden alle Gesundheitsangebote der Uni zusammengefasst und aufgeführt.

An der Uni Freiburg gibt es einige Angebote, die sich an Studierende in Stresssituationen und mit psychischen Belastungen richten.

Ich möchte einmal beginnen mit der studentischen Maßnahme Nightline, eine Art Telefon-Seelsorge, die wir unterstützen. Wir beteiligen uns darüber hinaus an dem Programm StudiCare. StudiCare bietet psychotherapeutische Beratung, die vor allem online stattfindet. Dort geht es um Themen wie Stressbewältigung, Prüfungsangst, Essstörungen und vieles mehr. Es gibt auch noch das Programm InTensity von Frau Dr. Kuhnert, welches sich momentan nur auf die Medizin-Studierenden bezieht. StudiCare ist relativ ähnlich, aber es umfasst die gesamte Universität.

Wir vergeben  außerdem einen Instructional Development Award (IDA), einen Preis für innovative Lehre, der mit 70.000 Euro dotiert ist. Dort haben wir gerade erst einen Preis an ein Podcast-Projekt verliehen, welches die typischen psychischen Erkrankungen darstellt. Das sind sehr interessante Aufnahmen, die aus Interviews mit Ärzten, Betroffenen und Verwandten bestehen und später für die Studierenden zur Verfügung gestellt werden sollen. Diese Podcasts sollen vor allem das Bewusstsein vermitteln: Ich bin nicht alleine mit meinen Problemen, und diese lassen sich lösen beziehungsweise behandeln.

Diese Audiodateien sollen aber nicht nur Studierenden, sondern auch Studienberatern zugänglich sein und so als Präventionsmaßnahme dienen.

Wie ist die Idee des Gesundheitspasses entstanden?

Die Idee ist, das Thema Gesundheit bei den Studierenden so zu verankern, dass sie es später möglichst ihr ganzes Leben nicht aus den Augen verlieren.

Dabei ist es wichtig, Überschneidungen der verschiedenen Angebote zu vermeiden. Die Einrichtung eines Gesundheitspasses ist daher im Rahmen eines gesamten studentischen Gesundheitsmanagements zu sehen. Wir wollen Studierende während ihres gesamten Studiums in Bezug auf ihre Gesundheit begleiten.

Was genau beinhaltet der Gesundheitspass?

Allgemein wollen wir nicht nur die Gesundheit im sportlichen Sinne, sondern auch die psychische Gesundheit und –  was die AOK als starkes neues Element hinzufügen wird –  die Ernährung einbringen.

Wir haben gesunde Bewegungsangebote, die auf Kursen des Allgemeinen Hochschulsportes basieren werden. Dann wird es noch weitere Kurse geben, angeboten zum Beispiel vom Service Center Studium, die sich mit den Themen Prüfungsstress und Zeitmanagement befassen.

Alle oben genannten Einrichtungen wie Nightline oder StudiCare werden natürlich auch dabei sein. Wir werden am Ende ein großes und vielfältiges Angebot haben, und das Besondere soll sein, dass die Leistungen dokumentiert werden. Die Studierenden sammeln nicht nur beliebige Kurse, sondern dokumentieren diese systematisch, damit ein Studierender, der bestimmte Leistungen erbracht hat, diese auch nachweisen und vielleicht in Bewerbungen nutzen kann. Vertrauliche Beratungsangebote werden dabei selbstverständlich nicht mit aufgeführt.

Das Element, welches bis jetzt noch sehr wenig an der Uni Freiburg vertreten ist, ist die gesunde Ernährung. Durch den Gesundheitspass soll dieser Aspekt jetzt auch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden.

Ist die Universität Freiburg ein Vorreiter im Bereich Gesundheit im Studium?

Auf jeden Fall, aber sie war nicht die erste. Paderborn hat einen ähnlichen Gesundheitspass damals als erste Hochschule eingeführt. Auch andere Hochschulen engagieren sich bereits stark für die Studierendengesundheit, zum Beispiel Ulm mit StudiCare.

Das Thema Gesundheit im Studium wird immer wichtiger.

Wenn wir von der Gesundheit im sportlichen Sinne ausgehen, ist sehr deutlich, dass das Problem ‚Übergewicht‘ in den letzten zehn Jahren in Deutschland viel wichtiger geworden ist. Was das Thema „psychosomatische und psychische Erkrankungen“ betrifft, bin ich der Meinung, dass es schon immer existierte, auch zu meinen Studienzeiten. Damals war es aber verpönt, darüber zu reden. Jeder hat versucht, die Probleme mit sich selbst oder höchstens mit der besten Freundin oder dem besten Freund auszumachen. Das hat sich wesentlich geändert. Die Bereitschaft, sich professionelle Hilfe zu holen, hat enorm zugenommen. Es gibt unterschiedliche Studienergebnisse, die sagen, dass es vor allem Studentinnen sind, die sich Rat holen. Es gibt aber auch entgegengesetzte Ergebnisse, die besagen, die Ratsuchenden seien 50:50 Männer und Frauen. Wenn wir jetzt diese Offenheit der Studierenden haben, ist es sicherlich gut, ihnen auch ein Angebot zu machen.

Sie sagen, die Bereitschaft, über psychosomatische Probleme zu reden, nimmt zu. Woran liegt das?

Man stellt generell fest, dass die Offenheit gegenüber Psychotherapie enorm zugenommen hat. Hätte man vor 30 Jahren gesagt, man geht zu einem Therapeuten, hätte man sich dafür geschämt. Denn das bedeutete, ich funktioniere nicht so, wie die Gesellschaft es von mir erwartet. Heute ist akzeptiert, dass eine psychotherapeutische Beratung in verschiedenen Situationen des Lebens außerordentlich hilfreich ist. Das heißt aber nicht, dass man sein ganzes Leben auf diese Unterstützung angewiesen ist, sondern dass sie sich auf besondere Phasen im Leben beschränkt. Das Studium zählt meiner Meinung nach zu diesen Phasen.

Womit hängt das zusammen?

Erstens: Ich verlasse das erste Mal mein Elternhaus. Das bedeutet, dass ich zum ersten Mal auf mich gestellt bin. Zweitens befinde ich mich in einer Konkurrenzsituation. Ich sehe Studierende, die mindestens genauso gut oder sogar noch besser sind als ich. Gerade Studierende, die sehr gut in der Schule waren, müssen akzeptieren, dass sie im Studium nicht mehr die Besten sind. Was noch hinzukommt ist die Tatsache, dass es nicht reicht, einfach nur auswendig zu lernen. Es wird eine Eigenleistung verlangt. Viele sind verunsichert, weil sie nicht wissen, ob sie richtig lernen, ob sie genug lernen und ob sie das Richtige lernen. Deshalb von mir der Tipp: Das gemeinsame Lernen in der Gruppe.

Was sagen Sie zu der Einschätzung von Leuten, die vor 20 Jahren studiert haben, das Studieren sei heute kein richtiges Studieren mehr, da es zu stressig und zu eng getaktet ist?

Sicherlich gibt es enorme Veränderungen, die zum Großteil der Bologna-Reform geschuldet sind. Das Studium war früher viel freier. Man musste am Ende des Studiums eine umfangreiche Leistung erbringen, aber davor war die Zwischenprüfung die einzige Hürde, die man überwinden musste.

Was jetzt durch die Bologna-Reform neu hinzugekommen ist, sind der Studienverlaufsplan und die ECTS-Punkte. Nicht wenige Professoren sagen, die Ergebnisse waren früher besser, weil mehr Autonomie herrschte, Studierende Schwerpunkte setzen konnten und sich in einzelne Themen intensiver vertiefen konnten. Durch die Prüfungsordnung und den Studienverlaufsplan wurde versucht, das Studium strukturierter zu gestalten, was vielen Studierenden auch entgegenkommt. Das ECTS-System war ursprünglich zur Vermeidung von Überlastung und als Liberalisierung des Studiums gedacht. Die Idee dahinter war, einem Studierenden vorzuschreiben, wie viel er zu arbeiten hat, ihm aber nicht den Inhalt der Lehrveranstaltungen vorzugeben. Es wird aber jetzt eher als eine starke Verschulung empfunden.

Lehrende und Studiengangs-Koordinatoren sollten mehr auf die Freiheiten des Studiums hinweisen. Ein großes Plus der Bologna-Reform ist die Abschlussarbeit im Bachelor. Viele waren mit dem Schreiben der 80 – bis 100- seitigen Diplom- oder Magisterarbeit überfordert. Häufig sind diese Studierenden ohne einen Abschluss von der Uni abgegangen. Heute ermöglicht die Bachelor-Master-Reform mit einer kleinen Arbeit, der Bachelorarbeit, elegant die Universität zu verlassen. Wer möchte, kann im Anschluss nach dem Masterstudium immer noch die große Abschlussarbeit, die Masterarbeit, schreiben. Ein weiterer Pluspunkt ist die Internationalisierung, auch wenn der erhoffte erhöhte Austausch von internationalen Studierenden sich nicht im gewünschten Maße realisiert hat.

Warum ist dieser Austausch ausgeblieben?

Gerade das ECTS-System sollte eigentlich dazu führen, dass ich frei bin, meine Punkte in Freiburg oder in Frankreich zu erwerben. Das hat leider in dieser Form nicht geklappt. Es wird immer noch sehr genau geschaut, was die Person im Ausland geleistet hat und ob dies mit dem vergleichbar ist, was sie an der Heimat-Uni hätte machen sollen.

Was halten Sie von dem Plan, das Studium unbedingt in der Regelstudienzeit zu beenden? Hat dieser Punkt auch etwas mit der Zunahme der psychischen Belastung im Studium zu tun?

Lediglich 26 Prozent aller Bachelor-Studierenden beenden ihr Studium in der Regelstudienzeit. Deutlich über 50 Prozent sind es nach 7 Semestern. Jetzt ist die Frage, wollen sie nicht oder schaffen sie es nicht? Das Auslandssemester ist häufig auch ein Grund, weshalb sich das Studium in die Länge zieht, ebenso das Jobben. Bei vielen ist es immer noch eine freie Entscheidung, zu sagen, dass sie ihr Studium nicht in sechs Semestern beenden wollen. Der einzige Druck, sein Studium ungefähr in der Regelstudienzeit zu schaffen, geht von der Unterstützung durch Bafög aus.

uniCROSS informiert euch weiter über den Gesundheitspass, sobald es Neuigkeiten gibt.

Info

Mehr Infos zu StudiCare findet ihr hier: www.studicare.com

Mehr Infos und Kontakt zu Nightline gibt es hier: www.nightline.uni-freiburg.de

Foto: Katja Hackmann
Veröffentlicht am 21. Februar 2019

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