Mit dem Mute der Verzweiflung

Mit dem Mute der Verzweiflung

Fake, das vierte Album des Stuttgarter Trios Die Nerven hat 2018 ihre Stellung als Pioniere des neuen deutschen Postpunk zementiert. Mit einer leichten Dosis Pop und prägnanten Texten über postmoderne Scheißgefühle im Gepäck machten sich Julian Knoth, Max Rieger und Kevin Kuhn auf zu einer ausgiebigen Deutschlandtour, die am Sonntag Abend im Waldsee halt machte.

“Was ich heute sage, heute schon vergessen. Her mit euren Lügen, her mit eurem Leid!” – Ganz zum Ende ihres Auftritts geben Die Nerven ihrem eigenen Konzert eine Art Titel, eine Art Funktion. Und tatsächlich konnte man all das in den zurückliegenden 60 Minuten finden. Dinge, die bereits wieder vergessen waren und solche, die aus dem Konzert streckenweise eine Gruppentherapie gemacht hatten. Dabei fing der Abend ganz antiklimaktisch an. Die Vorband Walls & Birds eröffnete den Abend mit nonachalantem Kammerpop, der niemanden provoziert und von den gut 250 Besucherinnen und Besuchern höflich mit Applaus quittiert wird. So gut, so irrelevant.

Als die ersten Töne des Openers “Niemand” ertönen ist es so dunkel im Saal, dass nur die Menschen in den ersten Reihen überhaupt erkennen, ob die Band schon auf der Bühne ist. Daran ändert sich während des ganzen Konzerts nur wenig, viel zu sehen gibt es nicht. Dabei ist es durchaus unterhaltsam, den Dreien beim Spielen zuzusehen. Rieger krümmt sich während des spielens als hätte er Krämpfe. Das kann seine Art zu spielen sein oder eben auch sehr professionelles Live-Acting. Das wahre optische Highlight ist aber Drummer Kevin Kuhn, dessen Mimik zwischen Massenmord, Metalkonzert und Magenkrämpfen oszilliert. Selten hat es ein Drummer mehr gefühlt. 

Es ist nur logisch, dass die Ansagen der Band eher wortkarg ausfallen, schließlich gehört deprimiert sein zur DNA des neuen schwäbischen Post-Punks, dessen Kronprinzen Die Nerven zweifellos sind. Aber das ist nicht der Grund, wieso der Funke zwischen Publikum und Band nicht immer überspringen will. Das liegt eher an der etwas abgebrühten Performance des Trios und auch an der Tatsache, dass sie bereits nach 50 Minuten die Bühne verlassen. Zwar gibt es noch zwei Songs als Zugabe, aber für 22 Euro ist das alles in allem eher frech. Und so ist der Abend eben genau so, wie ihn Die Nerven selbst zusammenfassen. Ein gutes Ventil, um mal eine Stunde wütend und deprimiert zu sein, aber eben auch nichts, was morgen noch in aller Munde sein wird.

Das Interview mit Die Nerven hört ihr am 19.02.19 in unserem Soundcheck-Magazin auf uniFM

Text: Maximilian Heß, Interview: Jonas Hägele, Fotos: Maximilian Heß
Veröffentlicht am 18. Februar 2019

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