4 Tage, 13 Filme, 0 Mal eingeschlafen

4 Tage, 13 Filme, 0 Mal eingeschlafen

Als Vanessa Anfang dieses Jahres mehrmals gefragt wurde, warum sie zur Berlinale gehen oder sich diese überhaupt „antuen“ wolle, war ihre schlichte Antwort „Berlin, Filme, Programm für den Tag“. Ob das als Grund ausreichte und wie sie an die begehrten Tickets kam, verrät sie nun allen, die schon fürs nächste Jahr planen.

Städtebesuche sind eine überfordernde Angelegenheit. Besonders in Großstädten schwingen die Alternativen weiterhin in der Luft, während man sich für eine Sache bereits entschieden hat. Die Berlinale, mit ihren insgesamt 400 Filmen, ist eine entlastende Struktur, weil sie so einnehmend ist, dass kaum freie Zeit zwischen den Filmen bleibt, wenn man sich drei bis vier Filme am Tag vornimmt. Der Ausnahmezustand löst einen Sog aus, der es nicht zulässt, an Alternativ-Programme zu denken. Schließlich muss man von einem Kino ins andere kommen, Nahrung suchen, Nahrung einnehmen, Koffein konsumieren, um Mitternacht oder zumindest den Tag zu überstehen. Genauer gesagt heißt das, viel U-Bahn und Straßenbahn fahren, sich überwiegend von Falafel im Yufka ernähren und ordentlich Kaffee zu trinken. Dazwischen schaut man Filme. Das klingt und ist auch hektisch, aber es macht Spaß.

Wenig Popcorn und unendlich viele blaue Sitzpolster

Erstmal vorweggenommen: Wenn man in der Hoffnung zur Berlinale geht, Angelina Jolies und George Clooneys an jeder Straßenecke zu entdecken, dann hat man etwas falsch verstanden. Wenn man ununterbrochen „big-budget“-Produktionen sehen will, ebenso. Auf die pompösen Theatersäle mit über 1.000 Sitzplätze, die während des Filmfestivals zu Kinosälen werden, kann man sich allerdings freuen. So herrscht bei einer Vorführung im größten Kinosaal, dem Friedrichstadtpalast, allein wegen den über 1.800 anwesenden Menschen, eine ständig atmende und raschelnde Geräuschkulisse. Wenn das Publikum lacht oder erschrickt, scheint der Boden zu beben. Darüber liegt der Ton der jeweiligen Filme, der aus den Anlagen mit Wucht herausströmt.

Am Abend an dem der österreichische Wettbewerbsfilm „Der Boden unter den Füßen“ im Friedrichstadtpalast läuft, riecht es nicht nach Popcorn, dafür nach altem Holz und Sitzpolstern. Überhaupt riecht die gesamte Berlinale nicht nach Popcorn, sondern mehr nach frisch gedruckten Programmheften und sauerstoffarmer Luft. Im Friedrichstadtpalast sitzt man so dicht beieinander wie in kaum einem anderen Kino. Ein Teppich aus Hinterköpfen breitet sich vor einem aus und füllt den amphitheaterförmigen Raum aus. Der unauffällige Toilettengang: Ein Ding der Unmöglichkeit.

Als wir etwa eine Stunde zuvor Tickets an der Kasse bekommen, sagt unmittelbar danach eine Lautsprecher-Stimme auf Englisch, dass die Tickets erstmal ausverkauft seien. Tickets bei der Tageskasse zu bekommen, fühlt sich durchgehend wie ein gewonnenes Glückspiel an. Wir flüchten vor den Blicken der noch ticketlosen Menschen an der langen Warteschlange und tauchen im riesigen Saal unter.

Der Drang nach Tickets

Viele Personen haben sich den Kinoeintritt bereits drei Tage vor einer Filmaufführung gesichert. Der Ticketkauf über das Internet ist allerdings eine Qual, da der Server ständig überlastet ist, sobald der Verkauf für die Filme morgens freigeschaltet wird. Reagiert nach einer Weile die Webseite wieder, sofern der Bildschirm nicht in der Zwischenzeit durch einen Wutanfall eingeschlagen wurde, ist der Film eventuell schon ausverkauft.

Eine gute Alternative zum Internet ist, eine Stunde vor Filmaufführung zur Tageskasse zu gehen, um restliche Karten zu bekommen. Der große Vorteil gegenüber dem Online-Ticketkauf ist an den Tageskassen außerdem, dass Studierende dort ermäßigte Karten bekommen: In der Regel kosten diese erschwingliche 6,50 Euro statt 13 Euro. Über diesen Weg haben wir alle Tickets auf der Berlinale erhalten.

Mit Geduld ist viel zu erreichen

Wichtig ist, die Ruhe zu bewahren und vor den Kinos keine überteuerten Tickets von Einzelpersonen abzukaufen. Obwohl die meisten Filme, die wir sehen wollten, längst online ausverkauft waren, hatten wir an den Tageskassen mit geduldigem Anstehen in mehr als 90 Prozent aller Fälle Erfolg. Nur in den Dokumentarfilm „Berlin Bouncer“, der von drei langjährigen Berliner Türstehern handelt, kamen wir nicht mehr rein. Es wäre aber vielleicht auch inkonsequent, wenn ausgerechnet in einem Film über Türsteher alle den Kinosaal betreten dürften.

Stattdessen bekamen wir noch freie Karten für den Film der Panoramareihe „Staff only“. Im Film geht es um eine katalanische Familie, die ihren Urlaub in einem senegalesischen Hotel verbringt. Die Regisseurin und ihr Cast standen, wie bei vielen Aufführungen, anschließend vor der Leinwand, um Publikumsfragen zu beantworten. Dieser von uns nicht eingeplante Film, wurde ironischerweise zu einem meiner Berlinale-Lieblingsfilme. Daraus lässt sich schließen, dass man sich im Voraus nicht kompromisslos an bestimmte Filme klammern sollte. Filme loslassen lernen, lautet hier die Leitformel. Denn oftmals wird man von gerade diesen Filmen enttäuscht. Aber auch Enttäuschungsmomente gehören zu einem richtigen Berlinale-Erlebnis dazu.

Die Berlinale …

ist ein internationales Filmfestival in Berlin, das jährlich im Februar stattfindet. Es ist das größte Publikumsfilmfestival und zählt neben Filmfestivals in Cannes oder Venedig zu den weltweit wichtigsten. Jedes Jahr konkurrieren Filme der Kategorie „Wettbewerb“ um den Goldenen Bären sowie um weitere Auszeichnungen. Der diesjährige Gewinner des Goldenen Bären ist der Film „Synonyme“ von Nadav Lapid.

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Foto: Vanessa Nicklaus
Veröffentlicht am 5. März 2019

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