Zwischen Genie und Blödsinn

Zwischen Genie und Blödsinn

Kaum ein Künstler vereint modernen Avantgardismus, schweizerische Merkwürdigkeit und die Ästhetik des Goth-Hipsters so gut, wie Lukas Jäger in seiner Kunstfigur Dagobert. Mit dem recht erfolgreichen dritten Album Welt Ohne Zeit im Rücken tourt der gebürtige Aargauer seit geraumer Zeit durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Am Freitag machte er im Hirscheneck in Basel halt und gewährte uniFM eine Audienz.

An Dagobert und seiner Musik scheiden sich die Geister. Die einen halten den mittlerweile in Berlin lebenden Sänger für einen Auswuchs latent reaktionären Hipster-Schlagertums, die anderen sehen in ihm eine Art avantgardistischen Alpen-Falco. Diese erahnbare Ambivalenz des Schweizers wird augenblicklich deutlich, als er um kurz vor Mitternacht die viel zu kleine Bühne im Keller der Szenekneipe Hirscheneck betritt. Die Fans empfangen ihn, als wären sie Teenager und er ein Popsternchen. Er selbst scheint sich in diesem Setting erst wohl zu fühlen, nachdem er ein Mikrofon in den Händen hält. Dann allerdings ist er voll in seinem Element. Keine Pose ist zu abgedroschen, keine Geste ist zu groß um nicht bereits in den ersten Minuten des Gigs genießerisch von Dagobert zelebriert zu werden. Und über dem allem steht die Frage: Wie ernst nimmt Dagobert sich selbst? Eine Frage, auf die auch wir keine eindeutige Antwort gefunden haben:

Es ist unglaublich schwer hinter die Inszenierung des entrückten Stoikers Dagobert zu blicken. Die Frage ist, ob das überhaupt Not tut. Dagobert ist nunmal eine Kunstfigur. Eine Kunstfigur, die das Publikum in Basel mitreißt. Jedes Stück wird von den knapp 150 Zuschauerinnen und Zuschauern frenetisch gefeiert, viele sind erstaunlich textsicher. Natürlich hat Dagobert in der Nordschweiz eine Art “Heimvorteil”. Dennoch: Dagobert polarisiert, man liebt ihn oder man hasst ihn. Und an diesem Abend lieben ihn alle. Auch wenn der Gig immer wieder Momente hat, die gefährlich nah an Ballermanneuphorie mit Andrea Berg-Beats vorbei schrammen, ist der überwiegende Teil dessen, was Dagobert dem Publikum präsentiert solider überemotionaler deutscher Chanson. Und dafür sind an diesem Abend offensichtlich alle gekommen.

Mehr zu Dagobert

Das Interview mit Dagobert hört ihr in unserem Soundcheck-Magazin am Dienstag, den 19.03.19

Interview: Julia Caspers; Text: Maximilian Heß; Fotos: Maximilian Heß
Veröffentlicht am 19. März 2019

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