Kulturkommerz-Kritik und Bauchtanz

Kulturkommerz-Kritik und Bauchtanz

Die niederländische Band Altin Gün ist eines der Pop-Phänomene der letzten Jahre. Seit dem Debütalbum On, das vor knapp einem Jahr erschien, ist das  Türk-Funk-Sextett aus Amsterdam fast ununterbrochen auf Tour. Am Mittwoch machte es nun halt im Jazzhaus.

Die Idee hinter der Band Altin Gün ist schnell erzählt: Bassist Jasper Velhuust und Gitarrist Ben Rider beschlossen 2017, eine Band zu gründen. Weil sie beide große Fans von türkischem Funk aus den siebziger Jahren sind, entschieden sie sich dafür eine Band zu gründen, die vorwiegend psychedelischen türkischen Funk macht. Die Band spielt überwiegend Neuinterpretationen türkischer Klassiker, komplett eigenständige Kompositionen sind eindeutig die Minderheit im Set der Band. Diese Informationen sind zumindest mir sehr präsent, als die Band recht pünktlich um halb neun die Bühne des nicht ausverkauften Jazzhauses betritt. Am Anfang wirkt das Publikum noch etwas irritiert vom teils wilden Mix aus Psych-Funk und klassischen türkischen Volksliedern.

Nach und nach tauen die Freiburgerinnen und Freiburger auf und werden immer mehr von der Band mitgerissen. Gerade die zweite Hälfte des Sets hat die Band das Publikum ohne wenn und aber in Begeisterung versetzt. Selten hat ein Jazzhaus-Publikum so einhellig ekstatisch getanzt. Wobei allerdings auch hier die Weisheit gilt: Wenn du nicht bauchtanzen kannst, dann sieht dein Bauchtanz eher nach Luftpenetration aus.

Die Band spielt konzentriert und teilweise auch mit Freude ihre ca. 80 minütige Setlist. Besonders starke Momente hat das Sextett immer dann, wenn sie sich von den Arrangements lösen und zu jammen beginnen. Man merkt, es sind sechs hoch kompetente Musikerinnen und Musiker am Werk. Es hat allerdings auch eine besondere Aussagekraft, dass die Band in Improvisationsteilen merklich von orientalischen Sounds abweicht und fast nur psych-Funk spielt.

Und da zeigt sich dann auch das Hauptproblem von Altin Gün: Altin Gün ist eine band, die spannende Musik macht. Sie ist live überzeugend, technisch einwandfrei und alles in allem absolut sauberer Pop. Aber Altin Gün ist eben auch eine retorten-Band. Zusammengestellt aus dem mutmaßlichen Kalkül, etwas anderes machen zu wollen. Wer das ausblenden kann, hatte am Mittwoch wahrscheinlich einen richtig spaßigen Abend. Vielen wird es aber auch wie mir gehen, und sie werden sich fragen, ob ihnen nicht gerade nur ein wirklich gut designtes Produkt vorgesetzt wurde.

 Fotos: Maximilian Heß
Veröffentlicht am 4. April 2019

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