Raus aus der Blase

Raus aus der Blase

Seit Januar 2019 gibt es an der Freiburger Universität einen Arbeitskreis Feministische TheorieN. Wie die Idee entstanden ist und warum feministische Theorien einen Platz an der Universität verdienen, erzählen Theodora und Lea vom AK fem. TheorieN.

Theodora (1. von rechts) und Lea sind im Organisations-Team des Arbeitskreises Feministische TheorieN. Theodora promoviert gerade beim Internationalen Graduiertenkolleg und gehört zu den Gründungsmitgliedern des Arbeitskreises. Lea studiert Mittelalter- und Renaissancestudien im letzten Semester und ist bei der ersten Veranstaltung auf den Arbeitskreis aufmerksam geworden. Sie war so begeistert, dass sie seitdem im Orga-Team ist.

Den Arbeitskreis Feministische TheorieN gibt es seit Januar 2019. Wie entstand die Idee?

Theodora: Eine Kollegin im Graduiertenkolleg, Anna, hat in der Schweiz eine Summer School besucht, die vom Arbeitskreis Geographie und Geschlecht organisiert wurde. Sie hat dort tolle Erfahrungen gemacht, weil man sehr intensiv in Gruppen über feministische Theorien und Texte diskutieren konnte und hatte daraufhin die Idee, das auch in Freiburg anzubieten.

Ihr organisiert einen Lesekreis und bietet Kolloquien an, die für alle Interessierten geöffnet sind. Wie läuft denn der Lesekreis genau ab?

Lea: Beim Lesekreis suchen wir einen Text aus, der dann im Mittelpunkt der Sitzung steht und der auf Nachfrage zur Verfügung gestellt wird. Wir schreiben eine Zusammenfassung mit vielen Erklärungen, damit auch Leute, die – vor allem wenn es ein längerer Text ist – keine Zeit haben diesen komplett zu lesen, auf einem Informationsstand sind, dass sie da sein und mitdiskutieren können.

Theodora: Begleitend gab es bisher immer eine PowerPoint-Präsentation, damit die Leute einen Überblick haben, wie wir die Sitzung strukturieren. Meistens machen wir das so, dass in Kleingruppen anhand von Leitfragen diskutiert wird. Danach steigen wir wieder in ein großes Diskussionsforum um. Das kann variieren, je nachdem wie viele Leute da sind.

Wie sehen die Kolloquien aus?

Theodora: Bei den Kolloquien wechseln sich zwei Module ab. In einem Kolloquium-Modul werden wir eine dozierende Person einladen oder Expert*innen in einem Fachgebiet, die dann über ein bestimmtes Thema referieren und den Anwesenden auch die Möglichkeit gibt, Fragen, die mit diesem Thema in Zusammenhang stehen weiter zu bearbeiten oder zu vertiefen.

Ansonsten können Studierende, die eine Master-, Bachelor- oder Hausarbeit schreiben und sich gerade mit Theorie befassen, vielleicht auch feststecken oder sonst keine Ansprechperson haben, zu uns in die Gruppe kommen und ihre Ideen oder den Theorietext vorstellen. Das kann dann in einer Gruppe besprochen werden.

Gibt es eine persönliche Motivation für euer Engagement beim Arbeitskreis Feministische TheorieN?

Theodora: Als ich Germanistik studierte, hatte ich bemerkt, dass es kein Angebot an der Uni Freiburg gibt, sich mit feministischen Theorietexten auseinanderzusetzen. Ich habe beispielsweise die Einführungskurse – wie die Einführung in die literaturwissenschaftliche Arbeit – absolviert, da hat man verschiedenste Disziplinen durchgenommen, aber die feministische Perspektive war nicht präsent. Und gerade in der Germanistik hatte ich keinen weiblichen oder männlichen Ansprechpartner unter den Dozierenden, der sich mit Feminismus auseinandergesetzt hat.

Lea: Ich hatte im zweiten Semester meines Germanistik-Bachelors das Glück, dass ich in dem Methoden- und Theorienseminar in der Literaturwissenschaft einen Dozenten hatte, der tatsächlich Gendertheorien angesprochen hat. Ich fand das super interessant. Wir durften zu einem freigewählten Thema eine Hausarbeit schreiben, ich habe dann Kleists ‘Penthesilea’ unter Genderaspekten betrachtet. Ich fand diese Auseinandersetzung persönlich wichtig, aber ich habe nie wieder Lehrveranstaltungen mit diesem Angebot gefunden. Als ich im Februar gesehen habe, dass es den AK fem. TheorieN gibt, war ich total begeistert.

Mir gefällt auch besonders, dass das Angebot niederschwellig ist. Häufig wenn es solche Initiativen gibt, kommt man dazu und kann kein Wort sagen, weil man völlig überfordert ist. Zum Arbeitskreis kann jede*r dazu kommen und bei den Zusammenfassungen, die wir schreiben, machen wir Fußnoten, um Fremdwörter und Begriffe zu erklären, die vielleicht nicht jede*r kennt.

Warum sind feministische Theorien wichtig?

Theodora: Alle Theorien, mit denen wir uns auseinandersetzen, sind ja, wenn ich es mal mit Cornelia Klinger sagen darf, Theorien, die uns zeigen, wie Objekte geschaffen werden. Die feministische Theorie ist die einzige Theorie, die uns zeigt, wie Subjekte geschaffen werden, die von diesen Objekten bestimmt sind. Im Kern heißt das nichts anderes, als dass feministische Theorien Systemtheorien sind, also dass wir sehen, wie Systeme funktionieren, wie wir selbst als Individuen in Systeme eingebunden werden und als Individuen geschaffen werden.

Das ist der Kern feministischer Theoriearbeit: Diese Strukturen sichtbar zu machen und zu zeigen, wie sich bestimmte Strukturen etabliert haben und welche Individuen in Systemen geschaffen werden. Also wie viele Rechte bekommen die Einzelnen in einem bestimmten System. Ich finde, das ist eine sehr kritische und wertvolle Arbeit.

Was ist euer Ziel?

Theodora: Grundsätzlich wollen wir den Leuten die Angst vor feministischen Theorien nehmen, indem wir sie etwas bekannter und zugänglicher machen und sie damit aus dieser Randstellung herauszunehmen.

Lea: Und damit zu zeigen, was Feministische Theorien eigentlich ist, was es für eine Bandbreite gibt und was man alles damit machen kann.

Welche Reaktionen habt ihr bei der Gründung des Arbeitskreises erlebt?

Theodora: Also wir haben nicht so eine Art Widerstand erlebt, wo gesagt wurde, das ist sinnlos, was ihr macht. Männliche Freunde hatten aber oft die Grundeinstellung, dann seid ihr wieder in so einer Frauengruppe und diskutiert.

Wir wollen aber nicht so eine Akademikerinnengruppe sein, die in ihrer kleinen Bubble diskutiert, sondern unser Arbeitskreis ist offen für alle*. Trotzdem gibt es von männlichen Studierenden und Promovierenden viel mehr Zurückhaltung. Von den weiblichen Studierenden und Promovierenden hatten wir eine wahnsinnig gute Resonanz. Da war das Bedürfnis ganz stark, sich mit feministischen Texten auseinander zu setzen.

Der Arbeitskreis ist auch offen für Studierende anderer Hochschulen und für Nicht-Studierende.

Theodora: Genau, wir wollen uns nicht nur auf die Uni beschränken, wir sind hochschulübergreifend. Wir versuchen auch für ein Kolloquium Dozent*innen aus der PH zu bekommen oder aus der evangelischen Hochschule. Wir haben auch explizit gesagt, wir wollen das offen halten für Leute, die gar nicht aus dem akademischen Betrieb sind. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir den Lesekreis und die Inhalte niederschwellig zugänglich machen. Und das ist ja auch einer der wichtigsten Schritte, denn wenn wir den Leuten zeigen wollen, was ist denn Feminismus, muss man das aus der Akademia hinaustragen. Dass das Angebot nicht nur auf die akademische Blase beschränkt ist, ist uns ganz wichtig.

Info

Die Termine für Lesekreise und Kolloquien finden sich auf Facebook oder hier auf dem Flyer. Eine Anmeldung ist lediglich nötig, wenn man seinen eigenen Text einbringen möchte.

Wer sich für die Orga-Sitzungen interessiert: Diese finden ab dem 20. Juni 2019 (Feiertag, ausnahmsweise Treffpunkt hinter dem KG IV an der Rampe) donnerstags um 16.30 Uhr alle 14 Tage im KG IV im Raum 4008 statt und sind offen für alle Interessierten.

Alle weiteren Infos gibts unter feministische-theorien-freiburg.de

Foto: Arbeitskreis Feministische TheorieN / Katharina Krahé
Von links nach rechts: (hinten) Fabiana, Maria und Theodora und (vorne) Anna und Melanie.
Veröffentlicht am 18. Juni 2019

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