Die Periode ist kein Luxus

Die Periode ist kein Luxus

Im November 2018 hat das Europäische Parlament in einem Bericht empfohlen, die Steuern auf Tampons & Co abzuschaffen, da diese diskriminierend seien. Großbritannien, Frankreich und Spanien haben die Steuer auf Tampons & Co bereits gesenkt, doch wie sieht die Situation in Deutschland aus?

Im Durchschnitt verbraucht eine Frau über 9.000 Tampons in ihrem Leben und zahlt dabei in Deutschland rund 225 Euro Steuern, da Tampons und vergleichbare Produkte mit der Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent besteuert werden.

Was ist die Mehrwertssteuer?

Die Umsatzsteuer, umgangssprachlich Mehrwertsteuer genannt, ist „eine Verbrauchssteuer, die zunächst für den Unternehmer auf Einnahmen fällig wird, der sie aber letztendlich an den Endverbraucher weiterreicht“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Kessler, Inhaber des Lehrstuhls für betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Uni Freiburg. Grundsätzlich gelte für alle Produkte der Regelsteuersatz von 19 Prozent.

„Um diese Auswirkungen in bestimmten Bereichen aus sozialpolitischen Gründen möglichst gering zu halten, gibt es den ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent.“ Der ermäßigte Steuersatz wird zum Beispiel auf Grundnahrungsmittel und Bücher erhoben, aber auch auf Dinge wie Schnittblumen oder Hotelübernachtungen, nur nicht auf Tampons & Co.

Damit werde die soziale Ungleichheit und Ausgrenzung gefördert, erklärte das Europäische Parlament. Zu diesem Ergebnis kam auch eine Studie von Plan International UK. 10 Prozent der Mädchen in Großbritannien können sich keine Tampons oder ähnliches leisten, 15 Prozent hatten Schwierigkeiten Tampons & Co zu finanzieren und weitere 12 Prozent mussten auf Grund der Kosten von Menstruationsbedarfsprodukten improvisieren.

Period Poverty

Auch die Europäische Union hält „die sogenannte Period Poverty, die Periodenarmut, für ein anhaltendes Problem“. Die Ursachen für die Period Poverty sind, dass Frauen generell stärker von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind. Das liegt unter anderem an der niedrigeren Beschäftigungsquote (12 Prozent niedriger, als bei Männern), der häufigeren Teilzeitarbeit (31,5 Prozent mehr Teilzeitbeschäftigung als bei Männern), dem Gender Pay Gap (in sämtlichen Wirtschaftsbereichen der Europäischen Union verdienen Frauen durchschnittlich 16 Prozent weniger als Männer) und der häufigeren Unterbrechung der Arbeit, um die Kinder zu betreuen.

Obwohl es in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union heißt: „Sie [Die Europäische Union] bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierung und fördert soziale Gerechtigkeit“, gilt dies bisher nicht für das Thema Menstruation und dem Besteuern von Tampons & Co.

Eine Petition gegen die Tamponsteuer

„Das ist unfair und diskriminierend“, sagt Nanna-Josephine Roloff, die Politik und Öffentliches Recht in Passau studiert hat und gemeinsam mit Yasemin Kotra eine Petition gegen die Besteuerung von Tampons gestartet hat. „Tampons und Binden sind für Frauen essentiell, um mit der monatlichen Menstruation umgehen zu können. Sie gehören zum alltäglichen Bedarf und sind alternativlos.“

Nachdem Nanna-Josephine Roloff und Yasemin Kotra sich bei einem Workshop zum Thema Menstruation kennen lernten, stellten sie fest, dass sie sich, wie so viele, nie richtig mit der Besteuerung von Tampons auseinandergesetzt hatten und beschlossen eine Petition zu starten. Das war vor einem Jahr und inzwischen haben fast 179.000 Menschen (Stand 16.07.2019) unterschrieben. Die gesammelten Unterschriften wollen sie Finanzminister Olaf Scholz überreichen, doch dieser sei trotz mehrfacher Anfragen bisher nicht zu einem Gespräch bereit gewesen.

„Die Senkung ist eigentlich nur ein Zwischenziel. Die Steuern auf Tampons und Co sollten ganz abgeschafft werden“, sagt Nanna-Josephine Roloff. Das empfiehlt auch das Europäische Parlament in seinem Bericht über die Gleichstellung der Geschlechter und die Steuerpolitik in der EU. Dort heißt es „Das europäische Parlament bedauert, dass Damenhygieneartikel nach wie vor nicht in allen Mitgliedsstaaten als grundlegende Güter gelten. Das europäische Parlament fordert, die sogenannte […] Tamponsteuer abzuschaffen […] und diese grundlegenden Güter von der MwSt. zu befreien.“

Das übergeordnete Ziel der Petition

Nanna-Josephine Roloff und Yasemin Kotra verfolgen mit der Petition noch ein weiteres Ziel, nämlich dass „darüber geredet wird, dass Frauen menstruieren.“ Schon am Begriff Damenhygieneartikel sei erkennbar, dass das Thema Menstruation ein großes Tabu sei. „Wenn man in der Öffentlichkeit anfängt, über Menstruation zu sprechen bekommt man nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie bei dem Thema Steuern. Die Öffentlichkeit braucht es aber, um eine Gesellschaftsänderung hinzubekommen.“

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. – Artikel 3, Absatz 1, Grundgesetz

In Deutschland darf niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt werden, steht in Artikel 3 des Grundgesetzes und weiter „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Es ist also die Aufgabe des Staates die Besteuerung auf Menstruationsbedarfsprodukte zu ändern, doch dieses Ziel ist noch lange nicht erreicht. Das sieht auch Nanna-Josephine Roloff so. „Die Tamponsteuer wurde viel in den Medien thematisiert und mehr Leute wissen jetzt darüber Bescheid, aber politisch sind wir noch nicht an unserem Ziel angelangt.“

Infografik zu den Kosten einer durchschnittlichen Periode, auf ein Leben gerechnet. (Hierbei werden nur Tampons eines bekannten Herstellers und keine Kombinationen mit Binden oder ähnlichem berücksichtigt.)

Info

Wer unterschreiben und sich über die Petition gegen die Tamponsteuer informieren möchte, findet diese hier.

Zum Bericht des Europäischen Parlaments über Gleichstellung der Geschlechter und Steuerpolitik in der EU gelangt man hier.

Die Studie von Plan International UK zur sozialen Ungleichheit und Ausgleich findet sich hier.

V!

Gar nicht so einfach über eigentlich Alltägliches zu sprechen. uniCROSS hat sich die Tabus rund um weibliche Themen zum Anlass genommen, genauer hinzuschauen. In den kommenden Wochen rücken wir mit dem „V! Project“ die Vulva, die Menstruation und die Verhütung in den Mittelpunkt.

Alle bisher erschienenen Beiträge gibts hier: archiv.unicross.uni-freiburg.de/V!-Project

Fotos: Lara Wehler
Autoren:
Veröffentlicht am 17. Juli 2019

Empfohlene Artikel