maniACTs: Pussy Power!

maniACTs: Pussy Power!

Als erste Theatergruppe haben die maniACTs den Gleichstellungspreis der Uni Freiburg für ihre Veranstaltungsreihe „Pussy Power” erhalten. uniONLINE war im Januar beim „Pussy Poetry Slam” mit Kamera und Mikrofon dabei und hat nun mit Co-Regisseurin Maria-Xenia Hardt über den Preis und Pussy Power gesprochen.

Das gab es so noch nicht. Mit einer neuartigen Veranstaltungsreihe begeisterte die studentische Theatergruppe maniACTs letztes Wintersemester 2018/19 Freiburg. In verschiedenen Formaten drehte sich in „Pussy Power. A full cycle of feminism” alles um das Thema Feminismus. Im Zentrum stand die Theater-Produktion „Vagina Monologues”, eine Adaption von Eve Enslers gleichnamigen Buch und Performance. Das Stück, das sich aus episodischen Monologen zusammensetzt, beruht auf persönlichen Gesprächen der Theaterautorin mit Frauen* über Gewalterlebnisse, sexuelle Erfahrungen und ihr Verhältnis zum eigenen Körper.

Die Resonanz auf „Pussy Power” war enorm. Sämtliche Veranstaltungen der Reihe waren ausverkauft. Von Pussy Poetry Slam bis Podiumsdiskussion, Lesung und Party, bis hin zur Theater-Produktion.

Nun haben die maniACTs als erste Theatergruppe in der Geschichte des Preises den Bertha-Ottenstein-Preis der Uni Freiburg für ihre Veranstaltungsreihe erhalten. Sie teilen sich den mit 5.000 Euro dotierten Gleichstellungspreis mit Professorin Dr. Weertje Willms vom Deutschen Seminar, die für ihr Projektseminar „Genderaspekte im Kinder- und Jugendbuch” ausgezeichnet wurde.

uniONLINE hat den ersten „Pussy Poetry Slam” mit Kamera begleitet und mit Co-Regisseurin Maria-Xenia Hardt über den Preis und die Hintergründe von „Pussy Power” gesprochen. Ein Rückblick auf eine Reihe, die den Nerv der Zeit traf und auf einen ungewöhnlichen Poetry Slam, der bewegte.

Co-Regisseurin Maria-Xenia Hardt über “Pussy Power”

Maria-Xenia Hardt (7. von links) mit Cast und Crew von „Vagina Monologues”.

Interview mit Maria-Xenia Hardt

Maxi, ihr habt für eure Veranstaltungsreihe „Pussy Power” im Juni den Gleichstellungspreis der Uni erhalten. Worum ging es euch mit der Reihe?

Insgesamt ging es uns darum, die Themen Frauenkörper, Frauenrechte, Feminismus in einer weiteren Öffentlichkeit zu platzieren – sowohl in der Uni als auch über die Uni hinaus und zwar mit Veranstaltungen, die überall in der Stadt stattgefunden haben.

Die Veranstaltungsreihe wurde in Freiburg wirklich positiv aufgenommen.

Extrem positiv. Das Stück war sechs Mal ausverkauft, das bedeutet 1800 Leute insgesamt. Der Pussy Poetry Slam war auch ausverkauft. Das dürften locker 200 Menschen gewesen sein. Bei der Podiumsdiskussion über „Vagina Monologues” waren vielleicht 100 Leute da und im Litfass bei der feministischen Lyriklesung sicher 50, gestapelt.

Wie kam die Idee zur Reihe und insbesondere auch zum Pussy Poetry Slam?

Wir dachten, dass Feminismus und Frauenrechte ein Thema sind, das gerade virulent ist, viele Leute interessiert und zurzeit einen Nerv in der Gesellschaft – und in der Stadt – trifft. Der Gedanke war sozusagen „spanning the local in the global”, also etwas zu thematisieren, das sowohl vor unserer Haustür als auch auf einer weltweiten Ebene relevant ist.

So kamen wir darauf, ganz verschiedene Veranstaltungsformate zu einer Reihe über Feminismus zusammenzubringen. Der Poetry Slam war eine Veranstaltung davon, bei welcher wir Menschen in Freiburg mit ihren Erfahrungen und Texten zu Feminismus zu Wort kommen lassen wollten. Die Realität und die Rezeption der Reihe, hat unsere Vorstellung aber bei Weitem übertroffen.

Gut vier Monate nach der Premiere von „Vagina Monologues” im Februar 2019, habt ihr den Bertha-Ottenstein-Preis der Uni Freiburg erhalten. Der Gleichstellungpreis würdigt eure Reihe auch nochmal an der Uni.

Der Preis zeigt für uns nochmal, dass auch wahrgenommen wurde, was wir gemacht haben. Es ist ja auch ungewöhnlich, dass wir als Theatergruppe den Preis erhalten haben. In der Vergangenheit wurden eigentlich mehr akademische Arbeiten ausgezeichnet. Da fällt unsere Veranstaltungsreihe schon auch ein bisschen raus. Deshalb haben wir uns auch sehr geehrt gefühlt, dass wir für den Preis in Frage kamen.

Bei der Resonanz, die ihr erfahren habt, kamen sicher einige Einnahmen zusammen. Auch der Bertha-Ottenstein-Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Was geschieht nun mit dem Gewinn?

Wir spenden den gesamten Gewinn, den wir mit der Veranstaltungsreihe erwirtschaftet haben, an drei Freiburger Organisationen, die sich in verschiedener Form für Frauen und Frauenrechte einsetzen. Insgesamt sind das mehrere tausend Euro. Relativ große Teile werden wir an das Frauen und Kinderschutzhaus Freiburg und Frauenhorizonte e.V geben. Ein kleinerer Betrag geht zweckgebunden an Bildung für alle, und zwar im Besonderen an deren Kinderbetreuung, die geflüchteten Frauen ermöglicht, Deutschkurse zu besuchen. Das Preisgeld wird in ein allerdings noch geheimes Projekt der maniACTs fließen.

Rückblick auf den „Pussy Poetry Slam” am 29.1.2019 in Videos, Slams und Texten

Es ist Ende Januar 2019 und vor den Türen haben sich bereits lange Schlangen gebildet. Eine halbe Stunde vor Einlass ist das Artik schon fast voll, doch weiterhin strömen Menschen in den dicht bestuhlten Raum. Sie klettern auf Fensterbänke, setzen ihr Bier, ihre Limonade, vor sich ab oder suchen noch nach Restplätzen. Das Publikum ist überwiegend weiblich* und studentisch, die Atmosphäre offen und entspannt, doch eine spürbare Aufregung liegt in der Luft.

Moderatorin Maria-Xenia Hardt betritt gut gelaunt die Bühne und ruft allen nochmal das Konzept eines Slams ins Gedächtnis – vor allem das des deutsch-englischen „Pussy Poetry Slams” dieses Abends: In der ersten Runde treten 11 Slammer*innen zwischen 18 und 74 Jahren zum Thema „Female Empowerment” auf. Ausgewählte Personen im Publikum vergeben Punkte und bestimmen damit, welche drei Slammer*innen in die zweite Runde kommen. In dieser entscheidet dann die Lautstärke des Applauses über die Gewinner*in.

11 Slammer*innen standen an dem Abend auf der Bühne.

Im Laufe des Abends werden Texte vorgetragen wie „The Hungover Feminist” oder „Love Letter to My Rape”. Es geht um Selbstzweifel, Scham und die Schwierigkeit, sich selbst zu akzeptieren. Darüber, wie es für Ulla, 74, war in den 50er Jahren aufzuwachsen oder für Ksenia in den 90ern. Es geht um die Enttäuschung der Eltern ein Mädchen statt einen Jungen bekommen zu haben und um die internalisierte eigene Ablehnung, eine Frau zu sein.

Doch es geht auch um Empowerment und die Befreiung von Zwängen. „If my vagina could speak, I would hold her”, sagt Osa. Wie Ksenia hat auch sie im Theaterstück „Vagina Monologues” mitgespielt. „If my vagina could speak, she would want to watch the sunrise and she would spit on the people that despise her.”

Es folgt lange Stille, wenn es um sexualisierte Gewalt geht, wie in „Love Letter to My Rape” geht. Als eine Slammerin dann jedoch den Sexismus von Hip-Hop-Texten anprangert und vorführt „Well do you know how my pussy talks?”, wechselt sich Stille mit befreiendem Gelächter. Dieser Abend ist persönlicher als der gewöhnliche Poetry Slam. Die Texte gehen tiefer, sind privater.

Dieser Slam lebt von seiner Vielfalt, der Akzeptanz und der positiven Energie, die im Raum liegt. Er nimmt mit und erleichtert. Doch vor allem schafft es dieser Abend, ein Gefühl von Verbundenheit und geteilten Erfahrungen zu wecken. Von Erfahrungen, über die es nicht immer leicht zu sprechen ist, doch viel leichter zu lachen ist.

Was unausgesprochen bleibt, bleibt auch verborgen. Doch an diesem Abend und in dieser Reihe hatten die Erfahrungen von Frauen* eine Bühne. Dass sämtliche Veranstaltungen ausverkauft waren, bleibt ein deutliches Zeichen. Der Slam, das Theaterstück, die Party, die Podiumsdiskussion, die Lesung. „Pussy Power” wird sicherlich noch lange nachwirken.

Der „Pussy Poetry Slam” in drei Slams – im Gespräch mit den Slammerinnen Jorinde und Katinka sowie mit Slammer Simon

Jorinde

Jorinde studiert Sinologie und VWL im Bachelor und ist in Freiburg vor allem für ihre „Wake-Up Comedy” über die Klitoris bekannt geworden, mit dem sie beim Freiburger Kleinkunstpreis den zweiten Platz belegte. Bei dem Poetry Slam trägt sie einen sehr persönlichen Text über sexualisierte Gewalt vor. Wie findet man diesen Mut?

Jorinde geht es vor allem darum, mit ihrer Comedy und ihren Erfahrungen, Scham zu nehmen und über Tabuthemen aufzuklären. „Es ist erschreckend, wie wenig wir teils wissen, wie viele alte Vorstellungen von Frauen und deren Körper sich immer noch halten und heutige Erwartungshaltungen beeinflussen.”

Für sie war Humor ein Weg, sich selbst von Scham und belastenden Ereignissen zu lösen und Wissenslücken zu durchbrechen. Ihre persönlichen Erfahrungen sind dabei ein ebenso wesentlicher Bestandteil. „Wir sind in all dem nicht alleine und das ist immer wieder wichtig, auszusprechen und zu hören.” Deshalb gehe es in ihrem Text beim „Pussy Poetry Slam” auch um sexualisierte Gewalt. „Ich hatte dabei früher ausschließlich die Assoziation von furchtbaren Gewaltverbrechen, doch tatsächlich sind so viele im Alltag und in Beziehungen von sexualisierter Gewalt betroffen.” Das wollte sie thematisieren.

Es erfordert viel Kraft, viel Mut, so etwas Persönliches zu teilen, doch für Jorinde überwiegt der Gedanke, dass es anderen ging wie ihr, die Ähnliches erlebt haben, doch nicht über das Erlebte sprechen können. „Ich glaube, es macht etwas mit Leuten, das zu hören, und das gibt anderen und damit auch wieder mir die Kraft, weiterzumachen.”

Jorinde mit „Waldspaziergang” beim Pussy Poetry Slam

Hinweis: Dieses Video beinhaltet die Schilderung von sexueller Gewalt.

Simon

Simon promoviert in Germanistik und ist einer der beiden Männer, die an diesem Abend auftreten. Ob er sich als Feminist bezeichnen würde? “Ja”, sagt er schlicht und selbstverständlich. Seit mehr als 10 Jahren macht er Poetry Slam, man kennt ihn aus dem Café Atlantik oder dem Räng Teng Teng. Mittlerweile tritt er nur noch hin und wieder auf. Als er für den „Pussy Poetry Slam” angefragt wurde, musste er jedoch überlegen, wie und mit was er als Mann auftreten wollte.

„Mein Slam”, sagt er, „ist eine Erinnerung, eine Feststellung und ein Fazit.” Eine Erinnerung an ein Erlebnis mit Freunden mit 15. Die Feststellung, dass das Verhalten von Männern* gegenüber Frauen* eine Frage von Macht ist. Das Fazit, dass er als Mann Teil eines strukturellen Problems ist – und dass Männer ein strukturelles Problem sind.

Simon hinterfragt, indem er humorvoll, doch zugleich ungeschönt und ehrlich auf seine eigenen Erlebnisse zurückblickt. Er erinnert sich, wie er bei seinen Eltern Gleichberechtigung erlebte und dazu erzogen wurde, keinen Unterschied zwischen Männern* und Frauen* zu machen. Doch unabhängig davon, wie er erzogen wurde, „sind wir in einer patriarchal geprägten Gesellschaft aufgewachsen, die diesen Unterschied zwischen Männern und Frauen macht“, sagt er in seinem Slam. „Und dieser Unterschied ist in den meisten Fällen ein Machtunterschied. Mädchen sind zart und schwach, Jungs sind hart und stark.”

Doch trotz seiner Erziehung und heutigen Einstellungen, gab es auch sein 15-jähriges Ich, beschreibt er im Slam. „Ich saß in einem Reisebus und habe mit anderen 15-jährigen Jungs ein Lied gegrölt, im dem ein Mann eine Frau vergewaltigt, beschimpft und dann fröhlich weiterlebt. Männer sind ein strukturelles Problem.”

Simon mit „Männer sind ein strukturelles Problem” beim Pussy Poetry Slam

Hinweis: Dieses Video beinhaltet die Schilderung von sexueller Gewalt.

Katinka

Katinka hatte sich selbst nie als Feministin gesehen. Als eine Freundin sie dann jedoch ganz nebensächlich als Feministin bezeichnete, wurde ihr bewusst, dass sie das eigentlich schon lange war. Davon handelt auch ihr Slam an diesem Abend.

In der Vergangenheit tat sie sich mit dem Begriff allerdings schwer. „Meine erste Assoziation zu Feminismus war lange Alice Schwarzer”, erzählt Katinka, 38. „Ich glaube, meine Familie hat mich in dieser Hinsicht auch geprägt. Feminismus und seinen eigenen Weg zu gehen, bedeutete den Familienfrieden in Gefahr zu bringen.”

Nach der Ausbildung und Arbeit als Buchhändlerin, nahm Katinka ein Deutsch- und Englischstudium in Freiburg auf. Im Kontakt mit Kommiliton*innen in ihren 20ern, bemerkte sie schnell einen Generationenunterschied, was die Auffassung von Feminismus anging. „Ich bin wesentlich stärker mit dem negativen Bild von Feminismus, von Feminismus als Bedrohung für bestehende Herrschaftsstrukturen aufgewachsen. Heute ist das anders.”

„Feminismus ist Gleichberechtigung und Chancengleichheit für alle”, sagt Katinka. „Es ist eine gemeinsame Anstrengung und es ist wichtig und oft nötig, das immer wieder in einem Atemzug zu nennen.” Slammen ist für sie eine Möglichkeit, solche Themen aufzugreifen.

Für ihren ersten Poetry Slam hatte sie sich vor mehreren Jahren spontan angemeldet. „Ich hatte gerade eine Trennung hinter mir und in dieser Phase von Befreiung und ja, Female Empowerment, bin ich einfach ins kalte Wasser gesprungen.” Seitdem ist sie immer wieder auf den Slam-Bühnen Freiburgs zu sehen. Mit ihren Texten will sie unterhalten und anregen. „Auf der Bühne stehen ist für mich aber auch immer wieder eine Mutprobe.”

Katinka mit „(Nicht) Feministin sein” beim Pussy Poetry Slam

Info

Mehr Infos zum Bertha Ottenstein Preis: www.zuv.uni-freiburg.de/service/ehrungen-und-preise

Mehr Infos zu den maniACTs findet ihr hier:  www.facebook.com/maniacts.freiburg

Hinweis: Der uniCROSS-Beitrag Schweigen ist des Täters Waffe setzt sich mit dem Thema Sexualisierte Gewalt auseinander, hier finden sich auch Links zu Hilfe- und Unterstützungsangeboten.

V!

Gar nicht so einfach über eigentlich Alltägliches zu sprechen. uniCROSS hat sich die Tabus rund um weibliche Themen zum Anlass genommen, genauer hinzuschauen. In den kommenden Wochen rücken wir mit dem „V! Project“ die Vulva, die Menstruation und die Verhütung in den Mittelpunkt.

Alle bisher erschienenen Beiträge gibts hier: archiv.unicross.uni-freiburg.de/V!-Project

Fotos: Teaser, Cast&Crew und Plakat: maniACTs, Bühne und Videos: Mona Zeuner.
Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Johanna Skowronski.
Autoren:
Veröffentlicht am 10. Juli 2019

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