Tampons für Alle!

Tampons für Alle!

Du willst in der Uni auf die Toilette gehen, aber es gibt kein Klopapier. Völlig selbstverständlich holst du eine Rolle aus deiner Tasche, denn klar, für deine Hygiene bist du ja selbst verantwortlich. Klingt merkwürdig? Denk dir Tampons an die Stelle des Klopapiers, und genau das ist der Fall.

Während wir eigentlich überall damit rechnen können, grundsätzlich Klopapier zur Verfügung haben, ist es eine positive Überraschung, wenn in einem mitdenkenden Café Tampons bereitgestellt werden. Hygienebeutel zur Entsorgung der Menstruationsprodukten sind in fast jeder öffentlichen Toilette zu finden – die Tampons, Binden & Co. müssen wir allerdings selbst mitbringen. Demenentsprechend häufig finden Menstruierende sich in der Situation wieder, mit gesenkter Stimme nach einem Tampon zu fragen. Das wird dann, wenn sie Glück hatten, möglichst diskret übergeben und gen Toilette transportiert. Monatshygiene ist kein besonders beliebtes Gesprächsthema.

Marlene mit einer Period.Box. Der Prototyp kam in der Toilette der Alten Uni schonmal gut an.

Dass eine Gruppe Studierender sich in einem Social Entrepreneurship Kurs dem Thema annimmt, ist also eher ungewöhnlich. Marlene ist eine von ihnen. „Wir sind relativ schnell auf Gender-Themen gekommen“, erzählt sie. Wie die anderen auch studiert die sie Liberal Arts und Sciences. Mit Feminismus hatten sich alle schon einmal beschäftigt. Einige aus der sechsköpfigen Gruppe konnten dabei auch von Erfahrungen aus dem Ausland berichten. Über Kanada erzählte eine Studentin, dass es dort an allen Unis kostenlose Menstruationsprodukte gebe und das Thema insgesamt präsenter sei. Im Gegensatz dazu standen Marlenes eigene Erfahrungen aus ihrem Auslandsjahr: „Ich war im Iran, da war das gar nicht Thema, nie.“

Menstruation sichtbar machen

Was die Sichtbarkeit von Menstruation im Alltag angeht, ist aber auch Deutschland alles andere als ein leuchtendes Beispiel. Das betrifft eigentlich alle Bereiche der Gesellschaft, gerade auch an Schulen ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema nur selten an der Tagesordnung. Marlene und die anderen beschlossen aber, erst einmal dort anzusetzen, wo sie am leichtesten etwas erreichen könnten: „An der Uni kennen wir die Strukturen und können so gut aktiv werden“.

So wurde das Projekt Period.Box ins Leben gerufen. Zu Beginn suchten die Sechs das Gespräch mit anderen Menschen an der Uni. „Wir hatten den Eindruck, dass es ein großes Bedürfnis gibt, darüber zu sprechen.“ Viele erzählten, sie wüssten nur wenig über den weiblichen Körper, einen wirklichen Rahmen für den Austausch darüber gebe es nicht. Der generelle Eindruck: An der Uni ist kein Platz dafür, das Thema ein Tabu. „Seine Tage zu haben ist kein Fehlgrund, man denkt sich stattdessen eine Ausrede aus und sagt: Ich habe Kopfschmerzen.“

Wenn es um Fehlzeiten geht, zeigt sich, dass die Tabuisierung des Themas problematisch ist. Jeden Monat einige Tage lang seine Periode zu haben, ist für viele mit starken Schmerzen verbunden. Ernstgenommen wird das aber selten. „Man kann nicht den ganzen Monat zu 100 Prozent funktionieren“, sagt Marlene dazu – genau das werde aber erwartet. „Die Hälfte aller Studierenden sind Frauen, wenn nicht sogar mehr, und die meisten von ihnen menstruieren.“ In den Uniabläufen wird das nicht berücksichtigt. Die Menstruation ist kein Grund für besondere Rechte und Ausnahmeregelungen.

Damit sich an der Situation etwas ändert, glaubt Marlene, „muss es als erstes möglich sein, darüber zu sprechen“. Es muss klar werden: Das ist nichts Ekliges. „Viele wollen sich am liebsten gar nicht mit ihrem Körper beschäftigen.“ Dabei sei die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper ein wichtiger Schritt, um dann auch für ihn einstehen zu können.

Den Intiator*innen der Period.Box geht es deshalb darum, „das Thema sichtbar zu machen, aber auch das Gefühl zu geben, dass man unterstützt wird“. Die Idee: In allen Unigebäuden soll es mindestens eine Box geben, die Studierende kostenlos mit Menstruationsprodukten versorgt und gleichzeitig dem Thema in der Uni Präsenz verleiht.

Schon zu Beginn des letzten Wintersemesters hatte die Gruppe zwei Prototypen aus Teeboxen gebastelt und in der Uni aufgestellt, um zu testen, wie gut ihre Idee angenommen wird und wie häufig die Boxen aufgefüllt werden müssen. Neben Tampons und Binden enthielten die Boxen deshalb auch Zettel für Feedback. Und das fiel „ausnahmslos positiv“ aus, sagt Marlene. „Viele haben geschrieben, dass es ihnen gerade sehr geholfen hat.“ Etwa einmal pro Woche musste für Nachschub gesorgt werden. Dabei leerten sich die Boxen meist auch wirklich nur nach und nach – „aber wenn eine Person alles rausnimmt, auch okay, dann braucht sie das vielleicht“. Andere hätten dafür auch selbst begonnen, die Vorräte wieder aufzufüllen.

Ein Zeichen gegen Period Poverty

Aus eigener Tasche muss die Gruppe das Vorhaben nicht bezahlen. Ein Drogeriemarkt hat einen Einkaufswagen voll Produkte gesponsert und will das auch weiterhin tun. Kosten soll die Versorgung aus der Period.Box nämlich nichts, immerhin ist die Monatshygiene ohnehin schon ein zusätzlicher Kostenfaktor.

„Die Steuer, die es immer noch auf Menstruationsprodukte gibt, ist absurd“, findet Marlene und wundert sich, „dass das nicht als so etwas Essentielles gilt wie Toilettenpapier, das überall auf den Toiletten bereitgestellt wird, auch wenn Tampons und Binden für Menschen, die menstruieren, genauso notwendig sind“. ‚Period Poverty‘ sei auch in Deutschland ein Problem.

Um das Projekt Period.Box in die Tat umzusetzen, gab es trotzdem erst noch ein paar Dinge zu klären. So mussten zum Beispiel auch Brandschutzfragen in die Überlegungen, wie genau die Boxen gestaltet sein sollen, einfließen. Die Gleichstellungsbeauftragte der Uni hätte ihnen aber Unterstützung zugesagt, sagt Marlene, etwa um das Vorhaben auch mit dem Gebäudemanagement abzuklären. Auch das Rektorat habe das Period.Box-Team zu einem Gespräch eingeladen.

Da einige der Intitiator*innen bald selbst nicht mehr in Freiburg sein werden, musste außerdem ein größeres Netzwerk für die weitere Umsetzung aufgebaut werden. Dabei wird nun mit den Fachschaften kooperiert, die dann die Betreuung übernehmen werden. Nachdem sich eine Zeit lang nur noch einer der Prototypen in einer Toilette der Alten Uni befunden hatte, läuft das Projekt diese Woche so richtig an, mit insgesamt 20 Boxen im Institutsviertel, der Technischen Fakultät, der Uni-Klinik und der Innenstadt.

Auch Herrentoiletten sollen davon nicht ausgenommen sein. Weil es Menschen gibt, die menstruieren und nicht die Damentoilette benutzen. Aber auch, „weil Männer oft gar nicht mit dem Thema in Kontakt kommen oder sich mal angucken, was passiert da, sondern das alles eher wegschieben.“ Dementsprechend komme die Tabuisierung gerade auch von Menschen, die nicht selbst menstruieren. So sollen die Period.Boxen nicht nur im Notfall aushelfen, sondern nebenbei auch Berührungsängste abbauen. Damit Tampons irgendwann vielleicht nicht mehr verstohlen zur Toilette geschmuggelt werden.

Info

Period.Boxen findet ihr zum Beispiel im KG I, KG III und in der Alten Uni, jeweils in den Toiletten im 1. OG.

Hier geht es zur Facebook-Seite von Period.Box.

V!

Gar nicht so einfach über eigentlich Alltägliches zu sprechen. uniCROSS hat sich die Tabus rund um weibliche Themen zum Anlass genommen, genauer hinzuschauen. In den kommenden Wochen rücken wir mit dem „V! Project“ die Vulva, die Menstruation und die Verhütung in den Mittelpunkt.

Alle bisher erschienenen Beiträge gibts hier: archiv.unicross.uni-freiburg.de/V!-Project

Beitragsbild: Nina Kramer, Portrait Marlene: Lilly Schlagnitweit
Veröffentlicht am 23. Juli 2019

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