Klima ist nicht nur Schülerthema

Klima ist nicht nur Schülerthema

Am 20. September ruft Fridays for Future in Freiburg wieder zum Streik auf, diesmal zum Generalstreik. Bisher waren die Klimastreiks geprägt von Schüler*innen. Studierende wurden dabei oft übersehen. Wer sind die Studierenden, die sich bereits für Fridays for Future engagieren? uniCROSS hat mit ihnen gesprochen.

Flo arbeitet daran, seinen CO2-Fußabdruck zu minimieren soweit es geht. Der nächste Schritt ist für ihn Aktivismus.

Flo, du studierst Gymnasiallehramt in der Fächerkombination Geographie, Biologie und Sport. Du bist neu beim politischen Aktivismus, aber bist jetzt von Anfang an bei Fridays for Future Studis dabei gewesen. Wie bist du dazu gekommen, dich für FFF Studis zu engagieren?

Im März 2019 bin ich zu einer Demo von Fridays for Future gegangen und habe festgestellt, dass relativ wenige Studierende teilnehmen. Ich habe dann mit ein paar Freunden geredet und wir fanden alle, dass man da was ändern muss. Wir haben mit der Freiburger Fridays for Future Ortsgruppe Kontakt aufgenommen. Es gab bereits einige Studierende, die sich in den AGs engagierten. Diese Studierende haben sich dann fusioniert. Damit sind wir jetzt die Fridays for Future Studis Ortsgruppe hier in Freiburg.

Walli freut sich, dass Jugendliche sich durch Fridays for Future ausprobieren und politisieren können.

Walli, du studierst Soziologie und Bildungswissenschaften im Bachelor, du engagierst dich schon lange sozial, hast aber das Thema Klimawandel erst jetzt für dich entdeckt. Wie kam es dazu?

Klimaschutz war noch nicht so mein Thema, als ich mich für mein Studium entschieden habe. Bis ich letztes Jahr beim Hambi dabei war, bei der großen Hambacher Wald Demonstration mit 50.000 Leuten. Dann begannen die Aktionen zu Fridays for Future. Das war beeindruckend, aber am Anfang noch ziemlich unorganisiert, also dachte ich, ich guck mir mal an, was die da so treiben und schließe mich an.

Mira ist es wichtig, die Forderungen von Fridays for Future hervorzuheben.

Mira, du studierst Liberal Arts im Bachelor mit einem Schwerpunkt auf Umweltwissenschaften. Du hast schon Erfahrung in nachhaltiger Hochschulpolitik. Wie bist du dazu gekommen, dich zusätzlich für Fridays for Future zu engagieren?

Ich habe mich schon seit Beginn meines Studiums für Campusgrün engagiert, einer grünen Hochschulgruppe die im Hochschulkontext nachhaltige Themen weiter bringen will. Für Fridays for Future haben wir Plakate gedruckt, die dazu aufriefen, sich mit der Bewegung zu solidarisieren. Es war uns wichtig, dass auch Studierende diese Bewegung unterstützen und wahrnehmen. In den Semesterferien kam dann eine Kommilitonin, Ruth, auf mich zu, die die Idee zur „Talks for Future-Reihe“ hatte. Das ist eine Veranstaltungsreihe in der wir Wissenschaftler*innen einladen, die sich mit Klimawandel beschäftigen und die nun regelmäßig stattfindet. Damit machen wir auch einen inhaltlichen Beitrag.

Übersehen zwischen “Klimawandel-Rettern und Schulschwänzern” – wo sind die Studierenden?

Fridays for Future wird eine „kinderpolitische Bewegung“ genannt. Studierende kommen eher im Nebensatz vor. Mit Fridays for Future Studis wollt ihr das ändern.

Flo: Fridays for Future ist von den Medien ein bisschen so dargestellt worden, als ob es eine reine Schüler- und Schülerinnenbewegung ist. Die Bewegung in Deutschland sieht sich aber als Bewegung aller junger Menschen und schließt da Studierende und Azubis mit ein. Deshalb haben wir überhaupt unsere Fridays for Future Studis Gruppe gegründet, weil wir gesagt haben, hey, das ist auch die Zukunft von den Leuten die zwanzig oder dreißig sind. Sie sind noch genauso betroffen von den Folgen des Klimawandels, die müssen wir auch mobilisieren.

Wie siehst du die „Schulschwänzer-Kontroverse“, die in den Medien geführt werden?

Walli: Dadurch, dass die Streiks von Anfang an schon so erfolgreich waren und so viel Aufmerksamkeit generiert haben – sowohl positive als auch negative – weiß inzwischen jeder, was Fridays for Future ist. Es würden nicht so viele demonstrieren, wenn die Streiks am Samstag wären. Der Freitag sagt, “Ich setze wirklich ein Statement, das gehört wird über den zivilen Ungehorsam.“ Dass hat viel dazu beigetragen, dass die Bewegung nochmal so einen Push bekommen hat.

Wieso ist der Klimawandel jetzt ein so wichtiges Thema in den Medien geworden?

Mira: Ich glaube, dass es 2018 zu so einem großen Medienthema geworden ist, war einerseits wegen des Hitzesommers, wo den Menschen wieder sehr stark bewusst wurde, okay, das passiert wirklich und zwar auch hier. Der Klimawandel ist ja nicht weggegangen. Dazu kamen die großen Proteste am Hambacher Wald. Der Hambacher Wald hatte eine große symbolische Wirkung in verschiedenen Gruppen unserer Gesellschaft: Ein Wald, der abgeholzt wird, Kohle, die abgebaut wird und dann wiederum eine links-autonome Besetzung, die geräumt wird. Das sind schon einmal drei Anschlusspunkte mit denen sich unterschiedliche Menschen verbunden fühlen. Und dann ging es so weiter mit Extinction Rebellion in London, dann kam Greta und die ganze Fridays for Future Bewegung. Seitdem ist das Thema nicht mehr aus den Medien wegzudenken.

Wieso jetzt? Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft für FFF

Wieso gibt es Fridays for Future erst jetzt und nicht als du oder ich in der Schule waren?

Flo: Als ich 2011 Abitur gemacht habe war einfach noch nicht die Zeit reif. Es gab bestimmt Bewegungen, die ähnliche Forderungen hatten, die aber einfach nicht aufgefallen sind, weil 2011 dieses ganze Denken über Umwelt- und Klimaschutz noch nicht so weit war. Die von Greta in Schweden initiierten Schulstreiks, haben genau den Zahn der Zeit getroffen.

Seit 2011 ist natürlich auch viel passiert, global sehen wir die Auswirkungen des Klimawandels jeden Tag in den Nachrichten. Und ich glaube auch, dass die ganze Gesellschaft sensibler geworden ist gegenüber dem Thema und es deshalb auch so mitträgt. Das sieht man ja auch daran, wie beliebt die Bewegung in breiten Teilen der Bevölkerung ist und welchen Rückhalt sie genießt.

Wieso glaubst du, hat Fridays for Future mehr staying power als andere Bewegungen?

Walli: Ich glaube das hat mehrere Aspekte. Einerseits haben wir gerade die perfekte Zeit erwischt. Es sind jetzt Jahrzehnte vergangen an Umweltpolitik, Jahrzehnte an Aktivismus, die die perfekte Vorlaufzeit waren. Hambacher Forst war im letzten Herbst super groß und hat noch einmal Aufmerksamkeit erregt. Es hat noch diesen Stein gebraucht, der das losgetreten hat.

Zur Glaubwürdigkeit hat auch beigetragen, dass Fridays for Future eine Bewegung ist, die ein junger Mensch gestartet hat. Und zwar aus dem Gedanken heraus: “Wir müssen das jetzt machen”. Beim Klima ist klar, hey, es ist nur ein Planet, auf dem wir alle leben, es betrifft uns alle. Dieser Drang von jungen Menschen sich auszuprobieren und sich selber zu finden, sich einfach in einem Thema zu erleben, wird im Thema Umwelt sehr gut wieder gespiegelt hat.

Wie unterscheidet sich FFF von anderen Umweltschutz-Organisationen, bei denen du dich engagierst?

Mira: Ich bin immer noch Mitglied von Campusgrün, und ich bin immer noch im Senat. Ich bin Teil dieser anderen Gruppen geblieben, weil ich Fridays for Future als temporäre Bewegung sehe. Natürlich als sehr wichtige Bewegung, die viel bewirkt hat. Wenn man sich anschaut, wie viel bei den Europawahlen und Regionalwahlen auch über Klimawandel gesprochen wurde, sieht man, wie Fridays for Future Druck ausüben konnte.

Wir haben uns hier in Freiburg Forderungen erarbeitet, um nicht nur auf der Straße zu stehen und zu streiken, sondern wirklich auch konkrete Ideen an die Politikerinnen heranzubringen.

Studierende bei Fridays for Future: Ihre Rolle, ihre AGs, ihre Aufgaben

Wie siehst du die Rolle von Studierenden in Fridays for Future?

Flo: Ich denke, dass wir Studierende gerade so der Scheidepunkt zwischen dem Fridays for Future Gesicht sind und den Unterstützergruppen, die eher im Hintergrund arbeiten. Aber wir machen genauso wichtige Arbeit. Man sollte sich nicht davon abhalten lassen bei Fridays for Future aktiv zu werden, nur weil man zum Beispiel wie ich 27 ist.

Dadurch, dass Fridays for Future Studis mehr Erfahrung haben, besteht doch die Gefahr, die Schüler*Innen in den Hintergrund zu drängen. Wie können Studierende vermeiden, für Schüler*innen zu sprechen?

Mira: In Freiburg gibt es die Regel: Je jünger du bist, desto eher kannst du einen Redebeitrag einbringen. Wir streben an, dass das Gesicht der Bewegung weiterhin Kinder und Schüler*innen sind. Das finde ich wichtig, gleichzeitig ist es aber mein Anliegen, dass sich auch Studierende als Teil der Bewegung sehen. Auf lange Sicht kann man zum Beispiel überlegen, ob man auch Studierende auf den Demos in Freiburg Redebeiträge halten lässt. Und wir funktionieren basisdemokratisch.

Ich denke, wir Studierende müssen die Proteste zahlenmäßig unterstützen, und wir müssen sicher stellen, dass die Forderungen in unseren Kreisen verbreitet werden, und sie auch in unseren Handlungsspielräumen weiter verbreiten. Aber wir sollten nicht versuchen, die Bewegung zu übernehmen.

Die Freiburger Fridays for Future Ortsgruppe stimmt über Entscheidungen in einem basisdemokratischen, wöchentlichen Plenum ab. Die Arbeit wird in verschiedene Arbeitsgruppen (AGs) aufgeteilt, wie die AG Presse, die AG Klimanotstand, die AG Mobilisierung und so weiter. Die AG Fridays for Future Studis haben in Freiburg mehr Autonomie. Wieso hat sie eine Sonderstellung bei Fridays for Future?

Walli: Das hat mehrere Gründe. Die anderen AGs tragen ihre Anliegen hauptsächlich dem Plenum zu und müssen sich auch alle Entscheidungen abnicken lassen. Die AG Hochschulen, das heißt Fridays for Future Studis, darf eigenständig arbeiten und eigene Aktionen planen, weil wir eine ganz andere Zielgruppe haben. Einerseits das. Die andere Seite ist auch, dass in unserer AG die Menschen durchschnittlich älter sind. und damit auch erfahrener sind als in den anderen AGs. Das Plenum hat einen Altersdurchschnitt von knapp 18 oder 19. Die durchschnittlich Jüngsten sind ungefähr 14, die real Jüngsten sind knapp 8. Da haben wir gesagt, okay, um bei ihnen die unterschiedlichen Erfahrungswerte ein bisschen auszugleichen, muss immer alles zum Plenum zurückgetragen werden.

Was braucht es, um Studierende zu mobilisieren?

Wenn Studierende zu den Klimastreiks gehen anstatt zu ihren Vorlesungen, fällt das nicht so auf, als wenn Schüler*innen nicht zur Schule gehen…

Mira: Bei den Treffen haben wir uns immer wieder gefragt: Können wir Studierende eigentlich streiken, was ist überhaupt das Äquivalent zum Schulstreik? In meinem Studiengang, also bei Liberal Arts and Sciences, gibt es schon Anwesenheitspflichten. Aber in den meisten Studiengängen gibt es keine. Es ist gefühlt schwieriger, weil wir studieren, weil wir es wollen und nicht weil wir studieren müssen, zumindest nicht staatlich gesehen. Wie mobilisiert man eigentlich Studierende für so etwas? Das sind Fragen, die sich die Fridays for Future Studis stellen.

Du findest auch, dass sich mehr Studierende einbringen sollen bei Fridays for Future.

Walli: Viele Studierende glauben, Fridays for Future ist eine Schüler*innen-Bewegung, und das wollen sie denen nicht wegnehmen. Aber ich sehe das auch ein bisschen als Ausrede, denn das Klima ist nicht nur Schülerthema. Ich hoffe, dass viele Studierende den Hintern hoch kriegen und verstehen, dass sie als aktiver verantwortlicher Part der Gesellschaft handeln können.

Was braucht es, damit sich mehr Studierende engagieren?

Flo: Ich glaube, man muss Studierenden sagen: „Hey, ihr seid Teil von Fridays for Future.“ Es muss wieder so einen gewissen Ethos oder Spirit entstehen, dass die Studis sich als Gruppe zusammenschließen und sehen, dass sie eine ganz wichtige Gruppe sind, die einen Beitrag leisten kann, damit es eben in der Klimapolitik und dem ganzen Denken rund um Klima- und Umweltschutz vorangeht. Die Schülerinnen und Schüler haben jetzt gezeigt, dass sie doch sehr politisch sind, dass sie auf die Straße gehen und dieses Ethos haben. Und ich hoffe, dass die Studis da jetzt nachziehen werden.

Info

Der Globale Klimastreik von Fridays for Future findet am Freitag, den 20.September um 10 Uhr statt. Sammelpunkt ist der Platz der Alten Synagoge. Weitere Informationen zum Klimastreik findet ihr hier.

Die nächsten Termine für die Vortragsreihe “Talks for Future” findet ihr auf facebook.com/fridayforfuturefreiburg/, die Forderungen von Fridays for Future Freiburg und Anregungen zum Mitmachen gibt es hier.

Fridays for Future Studis treffen sich jeden Dienstag von 20-22 Uhr, Treffpunkt ist das Studierendenhaus in der Belfortstr. 24. Alle Interessierten sind eingeladen vorbeizuschauen.

Foto: Bianca Bellchambers
Veröffentlicht am 19. September 2019

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