Album der Woche: Angel Olsen – All Mirrors

Album der Woche: Angel Olsen – All Mirrors

Die amerikanische Songwriterin Angel Olsen hat sich bisher mit jedem ihrer Alben neu erfunden. Ihr viertes ist da keine Ausnahme: All Mirrors fordert die Hörerinnen und Hörer mit persönlichen Texten und orchestralen Klanglandschaften.

All Mirrors sollte für Angel Olsen eine Rückkehr zu ihren Wurzeln werden. Die Songs entstanden kurze Zeit nach einer für Olsen schmerzhaften Trennung und wurden als akustische Folk-Stücke konzipiert und auch aufgenommen. Mit dem Album, wie es vergangene Woche rausgekommen ist, haben diese Aufnahmen aber wenig gemeinsam. Nicht ganz zufrieden mit dem minimalistischen Sound nahm Olsen All Mirrors noch einmal neu auf – erweitert um groß konzipierte Indie-Rock Arrangements und elaborierte Synthie-Texturen. Besonders prägend für den Klang des Albums ist aber der Einsatz eines 12-köpfigen Streicherensembles auf fast allen Tracks.

Mit diesem opulenten, orchestralen Klangbild, das den Blick weit in die Vergangenheit schweifen lässt, entspricht All Mirrors oberflächlich dem gegenwärtigen Indie-Zeitgeist. Das Album ist aber viel mehr als der schön ausgeleuchtete, jedoch etwas inhaltsleere Retro-Fetischismus, den etwa Lana Del Rey in diesem Jahr nahe an die Perfektion führte. Denn Olsen macht sich bewusst die Klänge ganz verschiedener Ären der Popmusik zu eigen, um ihre Songs so um eine assoziative Komponente zu erweitern und die introspektiven Lyrics universell nachvollziehbar zu machen.

Als Resultat fühlt sich All Mirrors in jeder Sekunde weiträumig und groß an, aber trotz aller Opulenz nie überladen – sowohl bei pulsierenden Streicherballaden wie dem Opener „Lark“ als auch in den geradlinigeren Art-Pop Songs.

Bestes Beispiel dafür ist der umwerfende Track „Summer“, vielleicht das Highlight von Olsens filmreif inszenierter Reise durch die emotionalen Nachwirkungen ihrer Trennung. Obwohl man den Song mit einer Vielzahl an Genre-Bezeichnungen vollkleben könnte, bleibt die zentrale Botschaft klar: „It took a while but I made it through.“

Weil aber instrumental zu jeder Sekunde so viel passiert, fällt es beim Hören des Albums manchmal schwer, beim eigentlichen Inhalt der Songs zu bleiben. Das könnte genauso gewollt sein. Denn Olsen plant, auch die akustische Urform des Albums noch zu veröffentlichen. Gut möglich, dass ihre pointierten und persönlichen Lyrics dann in neuem Licht erstrahlen. Bis dahin lädt All Mirrors in seiner jetzigen Form dazu ein, sich in seine assoziativen und emotionalen Klanglandschaften fallen zu lassen und sich dort völlig zu verlieren.

von Jonas Hägele

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Mehr zur Platte erfahrt ihr am Dienstag, 08.10.19, ab 19.00 Uhr in unserem Soundcheck

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Veröffentlicht am 8. Oktober 2019

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