Album-Rezension: Swans – Leaving Meaning

Album-Rezension: Swans – Leaving Meaning

Das Wort „Schwan“ stammt vom indogermansichen Wort „suen“, was soviel bedeutet wie rauschen oder tönen. Dass sich die amerikanische Experimental-Rock Band Swans nach den Entenvögeln benannt hat ist also kein Zufall. Auf ihrem neuen Album „Leaving Meaning“ mäßigen sie die brutalen Klangqualitäten alter Projekte und leiten eine neue Schaffensphase ein.

Nach dem letzten Album „The Glowing Man“ löste sich die 2010 etablierte Besetzung um Bandleader Michael Gira auf, um für „Leaving Meaning“ in neuer Besetzung zurückzukehren. Swans versteht sich nun als loses Kollektiv, in welchem die einzelnen Mitglieder ihre individuellen musikalischen Einflüsse miteinbringen. Dabei ergänzen völlig neue Musiker*innen die Jahrzehnte lange Bandgeschichte. Die Schwestern Anna und Maria von Hauswollf implementieren ihren fragilen Gesang in das Klangbild der Swans, der Filmmusik-Komponist Ben Frost seine Synthesizersphären. Aber auch alte Gesichter sind weiterhin mit von der Partie. Gitarrist Norman Westberg, Percussionist Thor Harris und Lap-Steel Spieler Kristof Hahn haben die Aussortierung überlebt und unterstützen die Weiterentwicklung der Band mit Einflüssen früherer Alben.

Die Verbindung aus alten Bekannten und jungen Wilden merkt man „Leaving Meaning“ am Meisten beim Klangbild an. Denn das weiß nicht so genau was es eigentlich sein möchte. „Annaline“ ist ein verträumtes Ambient Stück und mit „What is This?“ bekommen Fans, dank festlichen Glockenstäben, einen Weihnachtssong. Songs wie „Sunfucker“ und „The Hanging Man“ klingen durch eindeutige Post-Punk-Anleihen wie Erinnerungsstücke an die letzten Alben. Die Undefiniertheit, die einst den Klang ausmachte, ist nun auf das Albumkonzept selbst übergesprungen.

Einzeln betrachtet spielen die Songs jedoch weiterhin in einer Klasse für sich. Die bedrückende Stimmung die die Musik der Swans bisher ausgemacht hat, ist auch auf „Leaving Meaning“ wieder relevant. Anschwellende Drohnensphären und musikalische Überwältigung bestimmen weiterhin die Klangästhetik der Swans. Allerdings wird alles weitaus sanfter inszeniert als auf den vorausgegangenen Alben. Die Synthie-Klänge von Ben Frost schaffen es dabei den epochal-filmischen Charakter der Produktionen zu erweitern. Die 12 Songs von „Leaving Meaning“ präsentieren zwölf unterschiedliche Klangkonzepte, die entweder alte Stärken der Band betonen oder potenzielle neue Wege der Band vorschlagen.

Die Texte, die Michael Gira nun eher singt, als schreit, thematisieren weiterhin klassische Swans-Inhalte. Auf „The Hanging Man“ besingt Michael Gira in verworrenstem Bewusstseinsstrom sein eigenes Märtyrertum. Dabei ist besonders interessant wie der Inhalt der Texte verständlich gemacht wird. Außerhalb der klanglichen Untermalung wären die Texte völlig sinnfrei. Im Zusammenspiel entfalten die emotionale Wirkung des Klangs und der Inhalt des Textes ihre Wirkung allerdings gegenseitig. Der Text intensiviert die Wirkung der klanglichen Untermalung, während der Klang den Text verständlich macht. Dieses Konzept wird ganz besonders auf dem letzten Song „My Phantom Limb“ deutlich, auf dem Michael Gira zeitgleich mehrere Texte einspricht, während die Musik im Hintergrund anschwillt. Michael Gira setzt seinem musikalischen Schaffenskonzept mit „Leaving Meaning“ ein Denkmal, das genau verdeutlicht, wie Musik für ihn zu funktionieren hat.

„Leaving Meaning“ verfolgt als Album kein klangliches oder inhaltliches Konzept. Aber vielleicht bedeutet „Leaving Meaning“ ja auch genau das. Einfach mal kein Konzept verfolgen. Bedeutungsschwangere Hypothesen über die Verbindung von Klang und Text hintenanstellen und die Musik genießen. Denn ein gutes Album ist es allemal geworden. Die einzelnen Songs sind überaus hochwertig produziert und präsentieren kontinuierlich Ideen, die die neue Schaffensphase bestimmen könnten. Wenn Swans sich nun auf eine dieser Ideen festlegen und diese verfeinern, kann das zukünftige Werk der Band genauso wegweisend werden, wie die Alben zuvor.

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Veröffentlicht am 25. Oktober 2019

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