Album der Woche: Grimes – Miss Anthropocene

Album der Woche: Grimes – Miss Anthropocene

Jede Albenbestenliste des vergangenen Jahrzehnts hat es gezeigt: Die Kanadierin Grimes hat mit ihrem Art-Pop die 2010er erheblich mitgeprägt. Pünktlich zum neuen Jahrzehnt erschien am Freitag, 21. Februar 2020, ihr neues Album Miss Anthropocene. Darauf erschafft sie eine in experimentelle Klangflächen eingebettete Ode an den Posthumanismus.

Der Titel „Miss Anthropocene“ setzt sich dabei aus Misanthropie und dem Anthropozän zusammen, einer neuen Geoepoche, die den Menschen als wichtigsten Einflussfaktor auf geologische Prozesse der Erde versteht. So inszeniert Grimes die titelgebende Heldin ihres Albums als eine dämonische Personifizierung des Klimawandels, die sich nichts sehnlicher wünscht, als die Menschheit für immer verschwinden zu lassen. Inwieweit sich Grimes selbst in dieser Rolle sieht, bleibt offen. Nach ihren Aussagen zum Ende der menschlichen Kunst, herbeigeführt durch Künstliche Intelligenz, scheint diese Annahme jedoch nicht allzu abwegig.

Als ätherischen Nu-Metal beschreibt Grimes die Art der Musik, die ihr Weltuntergangsepos begleitet. Nach Limp Bizkit klingt das Album jedoch überhaupt nicht. “Darkseid” ist eine Asian Trap Naturgewalt, “My Name is Dark” klingt wie eine Mischung aus Dark Wave und Psychedelic Rock und “Delete Forever” kann man schon fast als Folktronica bezeichnen. Trotzdem bleibt das Album kontinuierlich zugänglich. Das liegt ganz besonders daran, dass die Songs kaum innovative Klangstrukturen einführen. Alle Songs klingen wie Reminiszenzen an vergangene Experimentalgenres der 90er und 2000er. Die Art und Weise, wie diese rebellischen Neuaneignungen völlig neu organisiert und umstrukturiert werden, lässt Miss Anthropocene nie langweilig werden.

Grimes schafft es auf ihrem neuen Album experimentelle Klanglandschaften zu designen, die nie zu überladen wirken. Die völlige, transzendentale Überwältigung ist das Album also nicht geworden, obwohl man das vom Konzept der Klimawandelsdämonin durchaus hätte erwarten können. Das Album macht allerdings klar, dass medienökologische Selbstreflexionen auf keinen Fall langweilen müssen. Aus diesem Grund könnte Miss Anthropocene der Anstoß für ein Jahrzehnt sein, das die großen Probleme unserer Zeit mit der verdienten Klangästhetik untermalt: Laut, intensiv und rebellisch

von Jan Knöferl

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Mehr zur Platte erfahrt ihr am Dienstag, 25.02.20, ab 19.00 Uhr in unserem Soundcheck

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Veröffentlicht am 26. Februar 2020

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